Pflichtfach in Polen - Wenn Schüler:innen Schießen lernen

Fr 23.09.22 | 14:48 Uhr | Von Raphael Jung
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Symbolbild: Schießtraining am 07.Juni 2022 in Polen. (Quelle: imago images/Artur Widak)
Audio: Antenne Brandenburg | 22.09.2022 | Raphael Jung | Bild: imago images/Artur Widak

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beschäftigt sich das Nachbarland Polen intensiv mit der eigenen Sicherheit. Nun müssen sogar Schüler:innen ein einmaliges Schießtraining absolvieren - und jeder darf 15 Mal schießen. Von Raphael Jung

Seit Anfang des neuen Schuljahres erhalten polnische Schüler:innen eine Einführung in die Nutzung von Waffen. Das Schießtraining ist Teil des neuen Lehrplanes des Faches "Sicherheitsausbildung“ und ist Pflicht in der achten und neunten Klasse.

Diese Entscheidung traf der Bildungsminister der regierenden national-konservativen PiS Partei, Przemyslaw Czarnek, bereits im März. Die Gesellschaft müsse sich gegen Angreifer verteidigen können, so Czarnek. Der PiS-Politiker machte sich nach Russlands Angriff auf die Ukraine dafür stark, dass Jugendliche wieder lernen, eine Waffe zu bedienen. Ähnlich dem Unterricht, den es bis 2012 in polnischen Schulen gab und den viele Polen heute aus eigener Erfahrung kennen.

Ich denke, es ist eine Frage der Selbstverteidigung, um sich in schwierigen Situationen richtig zu verhalten und um ein Gewehr bedienen zu können.

Schülerin Sofia

"Eine Frage der Selbstverteidigung"

Wie viele andere Schulen im Land hat auch das 47. Gymnasium von Lodz das Training in den Lehrplan aufgenommen. Auf dessen Schießstand trainierten bislang nur Sport- und Freizeitschützen das Zielschießen. Nun sollen auch die Schüler:innen die Grundkenntnisse des Schießens erlernen.

Einer von diesen Schüler:innen ist die 15-jährige Nikola. Sie besucht die neunte Klasse der Berufsschule für Gastronomie und blickt optimistisch auf das Training. "Ich spüre schon ein wenig Stress, aber ich freue mich auch, dass ich etwas Neues lernen werde", sagt Nikola. Ihre Freundin Sofia findet das Schießen sinnvoll: "Ich denke, es ist eine Frage der Selbstverteidigung, um sich in schwierigen Situationen richtig zu verhalten und um ein Gewehr bedienen zu können. Es passieren ja viele Dinge in der Welt", sagt Sofia.

Maciej Wozniak, Lehrer für Sport und Sicherheitsausbildung, empfängt täglich Klassen aus Schulen der ganzen Stadt, weil es an seinem Gymnasium einen Schießstand gibt. Er beginnt das Training mit einer Einweisung der Sicherheitsregeln und verteilt daraufhin die Munition – 15 Schüsse gibt es für jeden Schüler. Das Fach "Sicherheitsausbildung" beinhaltet unter anderem auch, wie man sich in Bedrohungssituationen zu verhalten habe, einen Erste-Hilfe-Kurs und eine einfache Verteidigungsausbildung, erklärt Wozniak.

Ermutigung der Eltern

Auch die Eltern der Schüler:innen zeigen sich überwiegend zufrieden mit der Einführung des neuen Lehrplans. Mutter Agnieszka begleitet ihre Tochter Nikola zu ihrem Schießtraining. In ihrer eigenen Schulzeit habe sie solche Schießtrainings selbst erlebt. "Ich finde das gut. Jeder sollte die Möglichkeit haben, einmal ein Gewehr kennenzulernen. Schade nur, dass es so eine einmalige Aktion ist", sagt die Mutter.

Das Schießtraining ist für die Schüler:innen vorerst das letzte. Weitere Trainingseinheiten sind bislang nicht im Lehrplan vorgesehen. Agnieszka glaube, es solle mindestens einmal pro Monat ein Schießtraining stattfinden, damit "die Kinder wirklich damit umgehen können".

Kritik von polnischem Lehrerverband

Doch vonseiten des polnischen Lehrerverbandes gibt es Kritik. Der Vorsitzende des polnischen Lehrerverbandes, Sławomir Broniarz, sagt, es gebe weder genügend Schießstände noch ausreichend Lehrer für die Schießtrainings. Das Geld für die nötigen Investitionen wäre in anderen Bereichen dringender nötig und die steigenden Energiekosten würden ebenfalls ein Problem darstellen, so Broniarz. Auch die Integration von 180.000 ukrainischen Kindern in den polnischen Schulunterricht müsse eine Priorität sein, sagt Broniarz.

Um Platz im Lehrplan zu schaffen, seien auch wichtige Inhalte gestrichen worden, sagt Aleksandra Piotrowska, Psychologin der Universität Warschau. Diese hätten Schüler:innen notwendige psychologische Kompetenzen vermitteln können, so Piotrowska. Sie könne es nicht akzeptieren, wenn man das Schießtraining und das Bauen von neuen Schießständen nutze, "um das Gefühl der Bedrohung und der Unruhe zu schaffen und gleichzeitig die Überzeugung zu vermitteln, dass ein Schießstand in jedem Landkreis mehr Sicherheit bedeuten würde. Das ist nicht die Wahrheit", so Piotrowska.

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.09.23, 14:00 Uhr

Beitrag von Raphael Jung

17 Kommentare

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  1. 17.

    Nee, das war nerviger Zwang. Man musste sich in diese lächerlichen Uniformen pellen, zum Marschieren antreten, sich im Befehlston anquatschen lassen, mit Gasmaske rumkrepeln uswusf. Und zudem gabs auch nicht selten Trouble mit Typen aus anderen Städten. Da hat man sich dann zu Massenschlägereien verabredet, weil das offenbar so eine Art Ritual war. Na Danke auch.

  2. 16.

    Mir gefällt das Gendern überhaupt nicht. Da bin ich Ihrer Meinung. Das Abweichen von den derzeitigen Rechtschreibregeln gelingt Ihnen allerdings auch gut.

  3. 15.

    Ach, das kenn ich doch von damals bei der GST. Später gab es dann sogar Wehrunterricht. Ach ja, die gute, alte Zeit. War doch schön, oder?

  4. 14.

    "Ich habe mir geschworen niemals im Leben gegen andere mit einer Waffe vorzugehen. "
    Ihre Entscheidung ehrt Sie.
    Allerdings wird man dadurch das eigentliche Dilemma nicht los: was tun, wenn man mit den anderen konfrontiert wird, die eine solche Hemmung gar nicht haben weil Ihnen diese im Rahmen der Sozialisierung abtrainiert wurde? Die jeden Befehl ausführen, auch den Befehl auf Sie und Ihre Angehörige zu schießen ohne mit der Wimper zu zücken?
    Pazifismus (verstanden als Ablehnung der Teilnahme an Angriffskriegen)und Bereitschaft zur Selbstverteidigung schließen sich nicht unbedingt aus.

  5. 13.

    Wenn jemand das "gendern" als größtes Problem in diesem Artikel ansieht, dann kann man getrost davon ausgehen dass sein Problem ein ganz anderes ist.

  6. 12.

    Hi Markus. Es besteht ein gewaltiger Unterschied darüber, ob ich an einem Schießstand nur das Schießen übe, oder gezielt mit der Waffe auf Menschen ziele um diese zu töten. Und würde Deutschland je wieder in einen direkten Angriffskrieg ziehen, ist es eh um unser Land nicht gut bestellt. Vergessen wir hier nicht all die Atomwaffen. Eine davon genügt schon und mit Deutschland wäre es geschehen. Tod aus und vorbei. Und das weiß sogar der böse, böse Putin. So sehr ich auch Dein Ansinnen unser Land zu verteidigen sehr gut nachvollziehen kann. Ich habe mir geschworen niemals im Leben gegen andere mit einer Waffe vorzugehen. Meine damalige Entscheidung mit 18 Jahren nicht dem Wehrdienst anzutreten war gut durchdacht und besteht bis heute.

  7. 11.

    Ja aber mit Begeisterung war so gut wie keiner dabei.
    Bestenfalls noch der sportliche Vergleich mit anderen, hatte etwas. Aber von Verteidigung gegen wen auch immer wollten wir nix wissen.
    Ich entsinne mich noch welchen Ärger es gab als wir im Lagerfunk RIAS 2 eingestellt haben, um irgendeinen Konzertmitschnitt zu hören. Irgendein Kasper der Stasi war ja immer dabei.

  8. 10.

    Die Tagesschau hat dazu mehr:
    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-wehrunterricht-101.html

    Nur falls jemand kommt und fragt, wo was von Luftgewehr steht.

  9. 9.

    Der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ oder auch kurz „Rechtschreibrat“, den Sie sicherlich meinen (aber leider nicht mal korrekt benennen können), ist kein gesetzgebendes Gremium; somit ist es also auch keinesfalls „gesetzeswidrig“ dessen Empfehlungen nicht zu folgen, wie Sie hier fälschlicherweise behaupten. Hören Sie doch bitte auf, sich lächerlich zu machen. Das ist wirklich zum Fremdschämen peinlich.

  10. 8.

    „Die Menschen könnten sich wenigstens notfalls mit einer Waffe verteidigen.
    Wir müssten Wattebällchen werfen!“

    Wer meint, dass Teenager, nachdem sie einmalig 15 Schuss mit einem Luftgewehr abgegeben haben, irgendwie zur Landesverteidigung beitragen könnten, hat vielleicht Wattebällchen im Kopf …

  11. 7.

    Dass diese Kids einmalig 15 Schüsse abgegeben haben versetzt sie sicher nicht in die Lage, gegen eine Invasionsarmee antreten zu können. Das ist doch nur Hokus Pokus der PiS Regierung, um schon die Jugend auf "nationale Linie" bzw. "völkische Einheit" zu trimmen.

    Und hier in Deutschland fabulieren einige über Panikmache, wenn Hinweise zur Energieversorgung gegeben werden . . .

  12. 6.

    Schüler:innen, peinlich und nicht vom deutschen Sprachrat genehmigt, damit gesetzeswidrig.
    Dachte es wäre ein neuer Wind beim rbb eingekehrt, aber scheinbar will man immer noch den volksbelehrer raus hängen lassen.
    Bin gespannt ob solch konträre Meinung hier auch veröffentlicht wird.

  13. 5.

    Für die deutsche Minderheit in Polen hat man übrigens schon vorher den Deutschunterricht auf ein Minimum reduziert. Durchaus eine rassistische und diskriminierende Situation. Ich sehe in Polen demokratische Strukturen entgleisen, ähnlich in Ungarn. Für die Ausbildung von Schülern an der Waffe habe ich kein Verständnis. Dafür gibt es den Wehrdienst für Volljährige. Alles andere erinnert an Amerika, denn der Waffenkauf und Besitz diverser Waffen ist in Polen, mit Waffenschein, völlig legal. Deshalb fahren und fliegen Europäer ja nach Polen und Tschechien, weil dort das Ballern erlaubt wird. Und wie toll das hier einige Kommentatoren finden, man könne sich dann mit einer Waffe verteidigen, heißt es. Wogegen will man sich denn verteidigen? Gegen den Klimawandel, gegen den Nachbarn oder das Hausschwein? Das ist doch völlig nationalistisch, dieses wahllose Geplärre der Schießwütigen. Politische Stimmungsmache der PIS, gruselig.

  14. 4.

    "Also ich musste zu DDR-Zeiten im Wehrunterricht an der Kalaschnikow üben."

    Es handelte sich um die KK-MPi 69, eine Kleinkaliber-Maschinenpistole, deren Aussehen und Bedienung weitgehend der Kalaschnikow entsprach.

  15. 3.

    Also ich musste zu DDR-Zeiten im Wehrunterricht an der Kalaschnikow üben. Später habe ich dann den Wehrdienst verweigert. Jetzt bin ich 52. Zur Verteidigung unseres Landes würde ich aber wieder eine Waffe in die Hand nehmen.

  16. 2.

    Die Menschen könnten sich wenigstens notfalls mit einer Waffe verteidigen. Wir müssten Wattebällchen werfen!

  17. 1.

    Immerhin wird nicht diskriminiert, Schüler und Schülerinnen werden gleichermaßen ausgebildet,
    die Verteidigungsfähigkeiten bleiben also nicht mehr nur auf Männer beschränkt...

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