Frankfurt (Oder) - Słubice (Pl.) - "Querdenker" demonstrieren länderübergreifend gegen Corona-Einschränkungen

Sa 28.11.20 | 18:14 Uhr | Von Georg-Stefan Russew, Uta Schleiermacher und Robert Schwaß
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Polen schließen sich am 28.11.2020 der Querdenken-Demo in Frankfurt (Oder) auf der Stadtbrücke an. (Quelle: rbb/Andreas Oppermann)
Video: rbb|24 | 28.11.2020 | Material: TeleNewsNetwork | Bild: rbb/Andreas Oppermann

Hunderte Gegner der Corona-Maßnahmen aus Deutschland und Polen haben in Frankfurt (Oder) demonstriert. Zwar hatte der "Querdenken"-Gründer zum Einhalten der Regeln aufgerufen, viele aber trugen keine Maske. Von G. Russew, U. Schleiermacher und R. Schwaß

An der Stadtbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und dem polnischen Slubice haben sich am Samstag mehrere Hundert Menschen zu einer Kundgebung versammelt. Sie protestierten damit gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie.

An einer von der "Querdenken"-Bewegung angemeldeten Versammlung nahmen nach Polizeiangaben vom Samstagnachmittag 800 bis 1.000 Demonstranten teil, darunter auch Neonazis und Teilnehmer anderer Veranstaltungen der Bewegung. Die Polizei hatte zwischenzeitlich von 2.000 Teilnehmern gesprochen, ihre Angaben kurz darauf aber nach unten korrigiert.

<eine Gruppe Coronaleugner protestiert mit polnischen Flaggen und Regenbogenfahnen auf der Stadtbrücke Frankfu
| Bild: rbb/Robert Schwaß

Unter den Demonstranten waren auch rund 300 Menschen einer polnischen Versammlung, die mit dem dortigen Bündnis "Streik der Unternehmer" über die Oder nach Frankfurt zogen. Sie beschworen die deutsch-polnische Einheit und nannten ihre Versammlung eine "Feier für die Freiheit". Neben polnischen Flaggen waren auch Regenbogenfahnen zu sehen.

Zeitgleich versammelten sich rund 150 Gegendemonstranten am Bahnhof von Frankfurt (Oder) und zogen durch die Stadt. Hierzu hatte das Bündnis "Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)" unter dem Motto "Maskenball statt Corona-Leugner*innen!" aufgerufen. Auf Facebook erklärte es sich solidarisch mit Risikogruppen, Krankenhauspersonal und denen, deren Existenz durch die Krise bedroht ist. "Wir sagen Nein! zu Angstmacherei, Falschbehauptungen, Rücksichtslosigkeit und Verschwörungsmythen", schrieben sie dort.

Demonstranten halten sich nicht an Hygieneregeln

Größere Zwischenfälle meldete die Polizei nicht. Allerdings hielt sich eine Mehrzahl der Demonstranten weder an die Maskenpflicht noch an den Mindestabstand. Vor allem am Frankfurter Oderufer, wo die Hauptveranstaltung der "Querdenker" stattfand, standen die Menschen dicht gedrängt.

Per Lautsprecherwagen und Videotafeln wies die Polizei immer wieder auf die Einhaltung der Hygienemaßnahmen hin. Oft wurden diese Aufrufe mit Pfiffen begleitet. Die Beamten ließen die Demonstranten letztlich gewähren. "Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist höher zu bewerten, als die begangenen Ordnungswidrigkeiten", sagte Polizeisprecher Ingo Heese dem rbb. Allerdings sei man mit dem Versammlungsleiter im stetigen Austausch, dass er zur Einhaltung der Hygienemanahmen drängt. Insgesamt war die Polizei mit mehreren Hundert Beamten im Einsatz.

Polen schließen sich am 28.11.2020 der Querdenken-Demo in Frankfurt (Oder) auf der Stadtbrücke an. (Quelle: rbb/Andreas Oppermann)

Heftige Diskussionen direkt am Oderufer

"Querdenken"-Gründer Michael Ballweg aus Stuttgart, der als Redner am Oderufer auftrat, wandte sich gegen Extremismus. "Wir sind eine friedliche Bewegung, in der Extremismus, Gewalt, Antisemitismus und menschenverachtendes Gedankengut keinen Platz hat", sagte er. Die Menge skandierte, dass sie mitnichten Rechtsextremisten seien. Man werde sich noch gegen die "Drangsalierungen" des Staates noch mit Protest wehren können, hieß es.

Ein Mann, der keine Maske trug, sagte am Rand der Demo dem rbb, dass es viel zu viele Verordnungen gebe und das sei die eigentliche Bedrohung. Niemand könne ihm erklären, was man positiv gegen Corona unternehmen könne. Es sei beispielsweise gestern tanken gewesen. Da habe die Kassiererin von ihm verlangt, dass er eine Maske aufsetzen solle. "Ich sag, ich trage keine Maske. Können Sie mir ne andere Möglichkeit bieten, wie ich bezahlen kann? Sagt sie: "Nö!" und hat mich praktisch rausgeschmissen." Das sei ungerecht, beklagte sich der Mann.

Die Initiative "Querdenken" zweifelt die Corona-Maßnahmen an und spricht von einer Einschränkung der Grundrechte. Auf einer Papp-Figur bei der Demo in Frankfurt (Oder) stand zum Beispiel "Voodoo Virus Wahn", auf einem Plakat "Wer in der Corona-Krise schläft, wacht in der Diktatur auf!". Ein Teilnehmer trug einen gelben Schutzanzug und ein Schild mit der Aufschrift "Totale Hygiene" in Frakturschrift.

Der Rechtsextremist Maik Schneider (links) steht während einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen am 28.11.2020 auf der Grenze zwischen Frankfurt/Oder und Slubice. (Bild: rbb/Georg-Stefan Russew)
Bild: rbb/Georg-Stefan Russew

Wieder keine Distanzierung von Rechtsextremen

Erneut erfolgte keine Distanzierung von Neonazis. Seite an Seite wurde mit Rechtsextremisten wie Maik Schneider demonstriert. Schon zweimal hatte ihn das Potsdamer Landgericht wegen eines Brandanschlags auf eine Nauener Turnhalle verurteilt, die als Flüchtlingsunterkunft dienen sollte. Das erste Urteil fiel jedoch beim Bundesgerichtshof (BGH) durch. Über das zweite soll am 25. Februar in Leipzig erneut befunden werden. Bis dahin ist der 33-jährige ehemalige Nauener NPD-Stadtverordnete auf freiem Fuß.

Auch daher nehmen die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern die
Veranstaltungen der "Querdenken"-Bewegung genauer in den Blick, da auch andernorts mehrfach Extremisten aufgetaucht waren.

Demostrativer Zusammenschluss der Corona-Leugner

Die Veranstalter hatten die Kundgebung als große Verbrüderung von Gegnern der Pandemie-Eindämmung in Polen und Deutschland angekündigt. Erreicht haben sie einen demonstrativen Zusammenschluss auf der Stadtbrücke mit einer polnischen Protest-Initiative, dem Streik der Unternehmer, einer kleinen Gruppe aus Stettin aus dem Milieu der Gewerbetreibenden.

"Wir sind heute hier nicht, um für etwas zu demonstrieren, sondern um zu feiern", erklärte Pawel Tanajno von der Streik-Initiative dem rbb. Die Freiheit sei eingeschränkt, es gebe Defizite, nicht nur in Polen, sondern auch viele Beschränkungen, die keine Sicherheit böten. "Es gibt keine Garantie, was im Kampf gegen das Coronavirus hilft", so Tanajno.

Plakate mit der Botschaft "Covid is real" und "Put your Mask on" hängen aus den Fenstern eines Plattenbaus in Frankfurt (Oder)
Bild: rbb/Robert Schwaß

Bürgermeister: Demonstration hat nichts mit Stadtgesellschaft zu tun

Nach Einschätzung des Frankfurter Oberbürgermeisters René Wilke (Linke) stand die Demonstration keinesfalls für die Stadtgesellschaft. "Es waren eindeutig zum großen Teil Menschen von außerhalb. Ich habe kaum Frankfurterinnen und Frankfurter gesehen: viele, die geguckt haben, was passiert, und einige auf der Gegendemonstration", sagte er dem rbb.

Die Zahl der Corona-Infektionen steigt in Deutschland und Polen. In Deutschland meldeten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) 21.695 neue Corona-Infektionen innerhalb von 24 Stunden und 379 neue Todesfälle, wie das RKI am Samstag mitteilte. Bund und Länder
haben zahlreiche Beschränkungen verlängert, im Dezember sollen verschärfte Regeln für Treffen gelten. In Polen kamen nach Angaben der Regierung zuletzt rund 15.000 Corona-Infektionen und 599 Todesfälle innerhalb von 24 Stunden hinzu. Allerdings gehört Polen zu den Ländern in Europa mit der niedrigsten Zahl an durchgeführtenTests je 100.000 Einwohner, wie aus Daten der EU-Gesundheitsagentur ECDC hervorgeht.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 28.11.2020, 18:30 Uhr

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Beitrag von Georg-Stefan Russew, Uta Schleiermacher und Robert Schwaß

88 Kommentare

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  1. 88.

    Was mich an der Demo in Frankfurt /Oder am meisten stört? Nämlich, dass die Polizei die Demonstrierenden gewähren ließ, obwohl sie auf Maken und Abstände gepfifen haben.

  2. 87.

    Herr Sundermeyer ist kein Rechtsexperte, da müsste er sich mit Rechtsfragen sehr gut auskennen.

  3. 86.

    Danke. Und in Deutschland wird wegen der Einschränkungen gejammert.... Wir haben Probleme ;-)

  4. 85.

    Was Sie annehmen, wahrscheinlich auch hoffen, ist irrelevant.
    Da Sundermeyer, der ausgewiesenr "Rechtsexperte" nahm, wie Sie schon richtig schrieben, auf eine kleine Gruppe Bezug und mutmaßte, dass es noch Andere geben würde. Er nahm auch nicht, wie Sie hier vermitteln wollen (oder müssen), auf diessen Rechtsradikalen Schneider Bezug, noch nannte er seinen Namen. So wissen Sie auch nicht, ob er wirklich alleine bei der Demo war, sonder verbreiten hier Phantasien.

  5. 84.

    Die Frage der Finanzierung dieser "Deutschland-Reisen" hat sicherlich ihre Berechtigung. Das Hinwegsetzen über Reisebeschränkungen über Bundeslandgrenzen ist auf mehreren Ebenen sinnfrei.

  6. 83.

    Zitat: ". . . Olaf Sundermeyer, verkündet, wurden nur "eine kleine Gruppe von 8 bis 10 Rechtsradikalen" ausgemacht."

    Das ist nicht richtig. Im Bericht zur Demo wurde die Gruppe gezeigt und Sundermeyer nahm im Interview nur insoweit Bezug auf diese, als dass er sie als ortsansässig bezeichnete. Folgend meinte er, dass ausser diesen noch weitere Rechsextreme teilgenommen hätten. Und ein Maik Schneider erfreut sich in der Neonazi-Szene nach wie vor großer Beliebtheit. Man darf also annehmen, dass er dort nicht alleine hingepilgert ist - oder eben dort mit Gesinnungsgenossen verabredet war.

  7. 82.

    Ein Mangel komplexe Zusammenhänge zu erfassen oder dann doch eher IHRE Gesinnung?

    Ich verwies auf die Nachrichtensendung "Brandenburg Aktuell" und das dortige Interview mit O. Sundermeyer.

    Aber, ich berichtigen die Teilnehmerzahl: laut spiegel-online waren es rund 1.500.

  8. 81.

    Ist es die mangelnde Lesefähigkeit oder die Gesinnung?

    "Erneut erfolgte keine Distanzierung von Neonazis. Seite an Seite wurde mit Rechtsextremisten wie Maik Schneider demonstriert."

  9. 80.

    Aktuell sind in Polen wegen des Infektionsgeschehens Versammlungen mit mehr als fünf Personen verboten.

  10. 79.

    Kein Ding, mir fällt aber gerade ein, dass ich das polnische Recht nicht kenne ;-) Vlt der RBB? Wie steht’s denn auf polnischer Seite mit dem Demorecht lieber RBB?

  11. 78.

    Diese Querdenker haben nichts besseres zu tun als zur Demo zu gehen, dabei fehlen z.b. viele Leute die bei der Tafel ein paar Stunden arbeiten könnten oder anderen sozialen Einrichtungen. Für diese Leute habe ich kein Verständnis.

  12. 76.

    Nun Eric, wie in der gestrigen Sendung "Brandenburg Aktuell", 19:30 Uhr, von absoluten Kenner der Rechtsradikalen Szene, Olaf Sundermeyer, verkündet, wurden nur "eine kleine Gruppe von 8 bis 10 Rechtsradikalen" ausgemacht.
    Bei 1.000 "Demonstranten" ein geringer Anteil. Weiteres Zitat: "Man kann nicht davon ausgehen, dass es sich hier um eine von Rechtsradikalen kontrollierten Demonstration ausgehen".
    Gut, Corona-Leugner als Nazis und Rechtsradikale zu diffamieren, ist momentan en vogue.

  13. 75.

    Kann ich aus dem Prenzlauer Berg bestätigen.
    Hier waren die Bürgersteige gestern mal wieder brechend voll.
    Möchte das nicht verurteilen, aber dann sollen die Leute nicht immer so tun, als finden sie alle die Maßnahmen toll.

  14. 74.

    Dann müssten sie aber auch fragen: Wieviele Anwohner des Dannenröder Forstes mögen wohl dort derzeit in den Bäumen sitzen?
    Außerdem: Die Auswahl der Interviewten dürfte nicht repräsentativ sein bzw. dem Sender und seiner zu vermittelnden Botschaft obliegen. Auch die Bereitschaft Ortsansässiger, sich positiv zu der im Vorfeld von den Medien vorverurteilten Demo zu äußern, dürfte äußerst gering sein, weiß ein jeder doch um die leider möglichen Folgen für die eigene Reputation.

  15. 73.

    Was reden Sie denn da?
    Mutmaßlich 95% der Demonstranten sind nicht infektiös und sollen für ein Verbrechen belangt werden, das sie nicht begangen haben?
    Ich bin ja auch dafür, dass man sich zur Zeit mit solchen Aktionen etwas zurückhalten kann und etwas Geduld zeigt.
    Unter dem Deckmantel der Freiheit wurde in Deutschland die letzten Jahre jedoch so einiges geduldet. Da wundert es mich nicht, wenn einfache Bürger nun die Verhältnismäßigkeit hinterfragen.

  16. 72.

    Es ist doch in jeder Stadt so, wo diese „Demonstrationen“ statt fanden. Die Querdenker-Organisatoren haben alles an Menschen aus ganz Deutschland zusammengekarrt mit eigenen Bussen. Stadtbewohner haben sich daran - wenn überhaupt - sehr vereinzelt beteiligt, das haben doch die Interviews aus diesen „Demos“ gezeigt. Wer bezahlt das eigentlich alles. Ich habe da so meine Vermutungen ...

  17. 71.

    Haben Sie beweise das es "Rechte" sind ?

    Wer hat Ihnen das gesagt, wo haben Sie diese Infos her ? Haben Sie das geprüft, Quelle bitte ?

  18. 70.

    Bei extrem konsequenter Maskennutzung seit Jahresbeginn bräuchten wir wahrscheinlich gar keinen einzigen Lockdown, Denn dann wären die Gesundheitsämter nicht überfordert und könnten jeden eventuell doch noch auftretenden Fall erfolgreich austreten, wie das ja beim Autozulieferer Webasto im Februar gelungen ist. Der Cluster wurde entdeckt, die Kontaktpersonen in Quarantäne gesteckt und nach ein paar Wochen war alles ohne weitere Ansteckungen erledigt. Die Gesundheitsämter können das, aber nur wenn es sehr wenige Fälle gibt. - Man darf gegen Masken demonstrieren muss sie aber dennoch tragen, wenn das Vorschrift ist. Die Maske dient vor allem in Innenräumen der Infektionsvermeidung. Die Maske hat aber auch Alternativen: noch härtere Lockdowns, noch mehr Tote, noch mehr Kontaktbeschränkungen, noch mehr Schließungen.

  19. 69.

    Waren Sie schon mal in Nordkorea?

    Ist dort reglementiert, mit wie vielen Personen man sich an herausragenden Feiertagen treffen darf? Sind es dort mehr oder weniger als 5 bzq. 10 Personen?

    Ich frag ja nur, weil ich das nicht weiß.

    Was ich hier erlebe, gefällt mir jedenfalls so nicht.

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