Investitionsstau - Brandenburgs Krankenhäuser sind in chronischer Finanznot
Brandenburgs Krankenhäuser leiden unter Geldnöten - ähnlich wie viele Hospitäler im Bundesgebiet. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft sind rund 40 Prozent betroffen. Die anhaltende Finanznot hat über Jahre einen Investitionsstau verursacht. Von Andreas B. Hewel
Das Bettenhaus C im Ernst-von Bergmann-Klinikum in Potsdam ist in die Jahre gekommen. Natürlich wurde hier immer wieder modernisiert und alles auf den medizinisch notwendigen Stand gebracht. Doch die niedrige Decke im Flur oder die Lampen an den Wänden verraten, dass die Trakte hier nie grundlegend saniert wurden. Viele Zimmer haben keine eigene Toilette, geschweige denn eine eigene Duschmöglichkeit. Und beim Blick in die Toiletten springt den Betrachter der Charme der frühen 80er Jahre der DDR-Architektur an.
Hoher Energieverlust in nicht sanierten Gebäudekomplexen
Den Chef für Gebäudetechnik im Krankenhaus, Thomas Schuder, aber sorgen am meisten die Fassade des Gebäudes und die Fenster: "Die alten Holzrahmen sind nicht mehr so stabil und lassen sich nur schwer öffnen", klagt er und demonstriert das auch gleich. Nur ruckelnd und laut ächzend geht das Fenster auf. Überall bröckelt der Kitt. "Sie sind nicht mehr hundertprozentig dicht. Die Fenster haben das Problem, dass sie zu einer Zeit eingebaut wurden, 1982, als der energetische Anteil noch nicht so betrachtet wurde."
Der Energieverlust ist bis zu acht Mal höher als bei modernen Fenstern. Würde man das ganze Haus mit der Fassade sanieren, könnte der Energieverbrauch um über 40 Prozent gesenkt werden. "Allein in diesem Gebäude könnten wir bis zu 55.000 Euro im Jahr einsparen an Energiekosten", rechnet Schuder vor. Man könne sich leicht vorstellen, was das Klinikum mit diesem Geld in anderen Bereichen anstellen könnte.
Das summiert sich. Energetisch saniert sind im Klinikum nur neun von insgesamt 37 Gebäuden. Wären alle saniert, könnten rein rechnerisch rund 1,5 Millionen Euro Energiekosten im Jahr eingespart werden.
Riesiger Sanierungsstau im Klinikum
Für Investitionen aber in eine grundlegende Gebäudesanierung fehlt dem Klinikum seit langem hinten und vorne das Geld. Über die Jahre sei so ein Investitionsstau von 300 Millionen Euro aufgelaufen, sagt der Geschäftsführer des Ernst-von-Bergmannklinikums Hans-Ulrich Schmidt. "Wir brauchen Investitionsmittel vom Land. Was wir jetzt bekommen, reicht nicht aus."
Kliniken warnen mit "Alarmstufe rot"
Dabei hat das Land den 55 Kliniken in Brandenburg gerade 82 Millionen Euro zusätzlich überwiesen, um Extraausgaben oder Verluste durch die Folgen der Coronapandemie auszugleichen. Zudem hatte die Landesregierung in dieser Legislaturperiode die pauschalen Investitionshilfen des Landes an die Krankenhäuser um zehn Prozent auf 110 Millionen Euro im Jahr erhöht.
Dieses Geld helfe zwar, betont Detlef Troppens von der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburgs, aber es sei nicht ausreichend. Und das Problem sei bundesweit vorhanden. 40 Prozent der Krankenhäuser in der Bundesrepublik hätten inzwischen existenzielle Finanzsorgen, so Troppens. Das treffe auch auf die 55 Krankenhäuser in Brandenburg zu. Im Klinikum Spremberg hat das inzwischen zu einer Planinsolvenz geführt. Mit diesem Insolvenzverfahren will man das Krankenhaus umstrukturieren und retten.
Hilfe vom Bund gefordert - trotz höherer Kostenzuschüsse von den Kassen
Zum Investitionsstau kommen noch die explosionsartig gestiegenen Energiekosten hinzu und die enorme Inflation. Da sei das Land überfordert. "Der Bund muss jetzt helfen", fordert Detlef Troppens. "Wir müssen sofort bis zum Ende des Jahres die finanziellen Mittel haben, um tatsächlich die Energierechnungen bezahlen zu können." Von den Krankenkassen jedenfalls könnten sie nicht mehr Geld erwarten. 2,3 Prozent Kostensteigerung hatten die Kliniken mit den Kassen Ende vergangenes Jahr ausgehandelt. Mit Inflationsquoten von bis zu zehn Prozent hatte da niemand gerechnet.
Wegen der akuten Kostenexplosionen fordert auch Brandenburgs Gesundheitsministerin, Ursula Nonnemacher (Bündnis90/Grüne), eine Unterstützung der Krankenhäuser vom Bund. "Wir brauchen dringend und sehr, sehr kurzfristig eine Förderung durch den Bund, um diese massiv gestiegenen Kosten abzufedern. Sonst schreiben immer mehr Krankenhäuser rote Zahlen."
Das System der Krankenhausfinanzierung steht auf dem Prüfstand
Hans-Ulrich Schmidt vom Ernst-von-Bergmann-Klinikum will da noch viel grundsätzlicher die Finanzierung der Krankenhäuser umstellen. Die Fallpauschalen, nach denen die Krankenhäuser pro Diagnose einen festen Betrag für jeden Patienten bekommen, das müsse geändert werden. Man müsse die Fallpauschale dreiteilen, fordert Schmidt. Eine Finanzierung der Krankenhäuser, wie er sie sich vorstellt, sollte nur noch zu einem Teil weiter wie bisher aus einer Fallpauschale bestehen. "Das zweite ist: Wir brauchen eine Grundpauschale", sagt Schmidt. "Denn wir müssen ja auch unsere Gesundheitseinrichtungen vorhalten. Wenn ein Patient da ist, müssen wir immer sieben Tage die Woche vor Ort sein. Das heißt, wir müssen diese Strukturen vorhalten. Dafür müssen wir Geld bekommen.“ Ein weiterer Anreiz müsse geschaffen werden durch die Vergütung von Qualität. Dass das mit den bisherigen Krankenkassenbeiträgen nicht mehr zu leisten sein wird, ist Schmidt bewusst. Sie müssten erhöht werden, wenn die Krankenhäuser mit all den nun anfallenden zusätzlichen Kosten finanziert werden sollen, so Schmidt.
Also müsse der Prozentanteil für den Krankenkassenbeitrag erhöht werden. Die Forderung zeigt, wie sehr vielen Krankenhäusern das Wasser bis zum Hals steht. Noch steht eine solche grundlegende Beitragserhöhung nicht an. Doch eine Lösung dafür, wie die Geldnot bei Krankenhäusern behoben werden kann, ist auch noch nicht gefunden.
Sendung: rbb24 , 13.10.2022, 13:00 Uhr