Investitionsstau - Brandenburgs Krankenhäuser sind in chronischer Finanznot

Do 13.10.22 | 06:35 Uhr | Von Andreas B. Hewel
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Symbolbild:Eine Krankenschwester versorgt einen schwer erkrankten Patienten auf der Intensivstation und hält dabei die Hand des Mannes.(Quelle:dpa/B.Roessler)
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Audio: Antenne Brandenburg | 13.10.2022 | Björn Haase-Wendt | Bild: dpa/B.Roessler

Brandenburgs Krankenhäuser leiden unter Geldnöten - ähnlich wie viele Hospitäler im Bundesgebiet. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft sind rund 40 Prozent betroffen. Die anhaltende Finanznot hat über Jahre einen Investitionsstau verursacht. Von Andreas B. Hewel

Das Bettenhaus C im Ernst-von Bergmann-Klinikum in Potsdam ist in die Jahre gekommen. Natürlich wurde hier immer wieder modernisiert und alles auf den medizinisch notwendigen Stand gebracht. Doch die niedrige Decke im Flur oder die Lampen an den Wänden verraten, dass die Trakte hier nie grundlegend saniert wurden. Viele Zimmer haben keine eigene Toilette, geschweige denn eine eigene Duschmöglichkeit. Und beim Blick in die Toiletten springt den Betrachter der Charme der frühen 80er Jahre der DDR-Architektur an.

Hoher Energieverlust in nicht sanierten Gebäudekomplexen

Den Chef für Gebäudetechnik im Krankenhaus, Thomas Schuder, aber sorgen am meisten die Fassade des Gebäudes und die Fenster: "Die alten Holzrahmen sind nicht mehr so stabil und lassen sich nur schwer öffnen", klagt er und demonstriert das auch gleich. Nur ruckelnd und laut ächzend geht das Fenster auf. Überall bröckelt der Kitt. "Sie sind nicht mehr hundertprozentig dicht. Die Fenster haben das Problem, dass sie zu einer Zeit eingebaut wurden, 1982, als der energetische Anteil noch nicht so betrachtet wurde."

Der Energieverlust ist bis zu acht Mal höher als bei modernen Fenstern. Würde man das ganze Haus mit der Fassade sanieren, könnte der Energieverbrauch um über 40 Prozent gesenkt werden. "Allein in diesem Gebäude könnten wir bis zu 55.000 Euro im Jahr einsparen an Energiekosten", rechnet Schuder vor. Man könne sich leicht vorstellen, was das Klinikum mit diesem Geld in anderen Bereichen anstellen könnte.

Das summiert sich. Energetisch saniert sind im Klinikum nur neun von insgesamt 37 Gebäuden. Wären alle saniert, könnten rein rechnerisch rund 1,5 Millionen Euro Energiekosten im Jahr eingespart werden.

Riesiger Sanierungsstau im Klinikum

Für Investitionen aber in eine grundlegende Gebäudesanierung fehlt dem Klinikum seit langem hinten und vorne das Geld. Über die Jahre sei so ein Investitionsstau von 300 Millionen Euro aufgelaufen, sagt der Geschäftsführer des Ernst-von-Bergmannklinikums Hans-Ulrich Schmidt. "Wir brauchen Investitionsmittel vom Land. Was wir jetzt bekommen, reicht nicht aus."

Kliniken warnen mit "Alarmstufe rot"

Dabei hat das Land den 55 Kliniken in Brandenburg gerade 82 Millionen Euro zusätzlich überwiesen, um Extraausgaben oder Verluste durch die Folgen der Coronapandemie auszugleichen. Zudem hatte die Landesregierung in dieser Legislaturperiode die pauschalen Investitionshilfen des Landes an die Krankenhäuser um zehn Prozent auf 110 Millionen Euro im Jahr erhöht.

Dieses Geld helfe zwar, betont Detlef Troppens von der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburgs, aber es sei nicht ausreichend. Und das Problem sei bundesweit vorhanden. 40 Prozent der Krankenhäuser in der Bundesrepublik hätten inzwischen existenzielle Finanzsorgen, so Troppens. Das treffe auch auf die 55 Krankenhäuser in Brandenburg zu. Im Klinikum Spremberg hat das inzwischen zu einer Planinsolvenz geführt. Mit diesem Insolvenzverfahren will man das Krankenhaus umstrukturieren und retten.

Hilfe vom Bund gefordert - trotz höherer Kostenzuschüsse von den Kassen

Zum Investitionsstau kommen noch die explosionsartig gestiegenen Energiekosten hinzu und die enorme Inflation. Da sei das Land überfordert. "Der Bund muss jetzt helfen", fordert Detlef Troppens. "Wir müssen sofort bis zum Ende des Jahres die finanziellen Mittel haben, um tatsächlich die Energierechnungen bezahlen zu können." Von den Krankenkassen jedenfalls könnten sie nicht mehr Geld erwarten. 2,3 Prozent Kostensteigerung hatten die Kliniken mit den Kassen Ende vergangenes Jahr ausgehandelt. Mit Inflationsquoten von bis zu zehn Prozent hatte da niemand gerechnet.

Wegen der akuten Kostenexplosionen fordert auch Brandenburgs Gesundheitsministerin, Ursula Nonnemacher (Bündnis90/Grüne), eine Unterstützung der Krankenhäuser vom Bund. "Wir brauchen dringend und sehr, sehr kurzfristig eine Förderung durch den Bund, um diese massiv gestiegenen Kosten abzufedern. Sonst schreiben immer mehr Krankenhäuser rote Zahlen."

Das System der Krankenhausfinanzierung steht auf dem Prüfstand

Hans-Ulrich Schmidt vom Ernst-von-Bergmann-Klinikum will da noch viel grundsätzlicher die Finanzierung der Krankenhäuser umstellen. Die Fallpauschalen, nach denen die Krankenhäuser pro Diagnose einen festen Betrag für jeden Patienten bekommen, das müsse geändert werden. Man müsse die Fallpauschale dreiteilen, fordert Schmidt. Eine Finanzierung der Krankenhäuser, wie er sie sich vorstellt, sollte nur noch zu einem Teil weiter wie bisher aus einer Fallpauschale bestehen. "Das zweite ist: Wir brauchen eine Grundpauschale", sagt Schmidt. "Denn wir müssen ja auch unsere Gesundheitseinrichtungen vorhalten. Wenn ein Patient da ist, müssen wir immer sieben Tage die Woche vor Ort sein. Das heißt, wir müssen diese Strukturen vorhalten. Dafür müssen wir Geld bekommen.“ Ein weiterer Anreiz müsse geschaffen werden durch die Vergütung von Qualität. Dass das mit den bisherigen Krankenkassenbeiträgen nicht mehr zu leisten sein wird, ist Schmidt bewusst. Sie müssten erhöht werden, wenn die Krankenhäuser mit all den nun anfallenden zusätzlichen Kosten finanziert werden sollen, so Schmidt.

Also müsse der Prozentanteil für den Krankenkassenbeitrag erhöht werden. Die Forderung zeigt, wie sehr vielen Krankenhäusern das Wasser bis zum Hals steht. Noch steht eine solche grundlegende Beitragserhöhung nicht an. Doch eine Lösung dafür, wie die Geldnot bei Krankenhäusern behoben werden kann, ist auch noch nicht gefunden.

Sendung: rbb24 , 13.10.2022, 13:00 Uhr

Beitrag von Andreas B. Hewel

12 Kommentare

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  1. 12.

    Ich kann Ihnen aus erster Hand versichern, dass Bauprojekte auf Grund explodierender Finanzierungs- und Baukosten sehr oft nicht mehr rentabel sind oder mindestens das Doppelte kosten. Wir stellen momentan mehrere Projekte für Kitas ein, weil wir sind Verlust machen. Die öffentliche Hand ist jedoch nicht bereit, die Mehrkosten zu tragen, die durch die hohe Inflation (Baustahl +80%) entstehen.

  2. 11.

    Genau hier ist die Lösung: die Beiträge in der GKV sind zu niedrig. Außerdem gibt's viele Versicherte, die keinen Beitrag zahlen. Wie etwa in der Familienversicherung.

    Dann werden wir immer älter und kranker.

    Das alles führt dazu, dass die Beiträge angehoben werden müssen oder es Leistungseinschränkungen gibt. In Norwegen etwa muss jeder die Behandlung beim Zahnarzt immer selbst zahlen.

    Alle deutschen wollen eine sehr gute medizinische Versorgung, aber mehr kosten darf diese nie...

  3. 10.

    Ja der Herbert ist halt dumm und versteht die Welt eben nicht.

    Es ist genug Geld vorhanden - statt dessen wird überall - wo es nötig wäre dieses sinnvoll für die Bürger dieses Landes einzusetzen - gespart. So pfeift beispielsweise die gesamte Infrastruktur auf dem letzten Loch - die Bahn, die Straßen, die Schulen und so weiter. Statt dessen wird mit großen Schippen in meinen angesprochenen Beispielen Geld verteilt ... naja, mein Horizont ist halt zu begrenzt.

  4. 9.

    Das Problem besteht doch schon seit vielen Jahren und wie in vielen anderen Bereichen wurde am falschen Ende gespart. Hauptsache unsere Regierenden haben eine ordentliche Krankenversorgung. Die Sparmaßnahmen müssen in Investitionen umgedreht werden.

  5. 8.

    "Was das Impfen mit den Dividenden der Krankenhäuser zu tun hat"

    Na nichts. Das Geschwurbel wurde schon in 2020, zu Pandemiebeginn, geführt. Es sind immer dieselben fadenscheinigen Argumente, Hauptsache man muss sich an keine Spielregeln halten.

  6. 7.

    Beitrags-Gelder verteilen und die Beitragshöhen sind ständig zu beobachten und an die Ziele anzupassen. Die Arbeit muss gemacht werden, ständig, immer.... Und, wird sie.... in Brb?

  7. 6.

    So verbittert, dabei liegt die Ursache doch eher in der Privatwirtschaft, aber das wollen Sie gar nicht wissen, Herbert Bärchen. Mich impft der Hausarzt und die Impfung schützt mich, ich bin dankbar, geschützt zu werden, jedenfalls vor schweren Verläufen. Was das Impfen mit den Dividenden der Krankenhäuser zu tun hat, die von großen Gruppen aufgekauft wurden, erschließt sich mir nicht, das Impfen ist positiv zu bewerten, das Ausschütten von hohen Dividenden setzt Krankenhäuser unter den Druck, ständig profitorientiert zu handeln, ob das dem Personal zugute kommt oder den Klienten, können Sie sich vielleicht selbst erdenken.

  8. 5.

    Genau, Herbert ist wütend, aber Wut fördert die niederen Instinkte und die hat er aktiviert. Unüberlegter Kommentar, affektive Handlung, bringt Herbert keine Punkte, weil völlig undurchdacht und an allem vorbei, was man wissen müsste, um irgendetwas zu verstehen. Eine Meinung ist das jedenfalls nicht.

  9. 4.

    Was ich immer nicht verstehe dass solche Beiträge jetzt erst kommen. Das ist doch schon lange bekannt egal ob Brandenburg oder Berlin. Es ist in den letzten ca 10 Jahren alles kaputtgespart worden. Ob es Herr Spahn ist oder Herr Lauterbach die si d erst mal alle darauf bedacht sich hohe Nebeneinküfte durch Pharmaindustrie oder Talk Shows zu sichert. Es kümmert doch niemand von der Regierung und am wenigsten Herrn Lauterbach wie es im Gesundheitswesen aussieht.
    Ich kann den Bericht nur bestätigen da ich mal in der Augenklinik in Buch gelegen habe. Katastrophale Zustände eine Toilette für 35 Patienten egal ob Mann oder Frau , alte unsanierte Gebäude, aber sehr gute Ärzte. Geld ist schon da in Deutschland aber es wird für was anderes ausgegeben. Man sollte mal die Sozialbezüge reduzieren für Flüchtlinge und die Waffenlieferung für die Ukraine dann könnte vieles im eigenen Land getan werden.

  10. 3.

    Da hilft nur noch mehr Impfen. Dann schaffen wir das. Und dann wird mehr Personal gehalten und eingestellt werden. *IronieOFF*

  11. 2.

    Ja wo ist denn nur das liebe Geld der Beitragszahler hin?

    Vielleicht in zuviel Impfstoff oder anlasslose Tests? Um daneben weiterhin im "Krieg mitzuspielen", muss man natürlich woanders sparen, bei den Schulen, den Krankenhäusern etc. ...

  12. 1.

    Wo alles teurer wird,werden genau wie in der privaten Krankenversicherung auch in der gesetzlichen die Beiträge nach

    oben angepasst werden müssen,alternative:Verzicht auf bestimmte leistungen

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