Gas vom Milchbauer - Landwirt will Biomethan als Erdgas-Ersatz produzieren

Sa 03.12.22 | 08:30 Uhr | Von Susanne Hakenjos
  11
Landwirt Timo Wessels vor seiner neuen Strohmühle im Einsatz: Das Landwirtschaftsgerät kann große Strohballen in 20mm-kleine Strohschnipsel zermahlen, die als Einstreu in der Tierhaltung mehr Methanbakterien binden. (Quelle: rbb/Susanne Hakenjos)
Bild: rbb/Susanne Hakenjos

Landwirt Timo Wessels vergärt Gülle und Mist seiner Milchkühe zu Biogas. Neue Technik soll die Qualität so verbessern, dass es ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Winzige Strohschnipsel spielen dabei eine große Rolle. Von Susanne Hakenjos

"Unsere ersten Tests liefen äußerst erfolgreich", sagt Landwirt Timo Wessels. Der erste Schritt zur künftigen Biomethan-Produktion in Damsdorf bei Kloster Lehnin (Potsdam-Mittelmark) als Ersatz für knappes Erdgas funktioniert wie geplant. Auf der Wiese, wo Wessels Milchvieh-Betrieb seinen Wintervorrat an Stroh für die Rinderställe lagert, mahlt eine nagelneue mobile Strohmühle große Ballen in winzig kleine Stroh-Schnipsel.

Zehnmal kleiner als üblich kommt die neue Einstreu für seine fünf Rinderställe aus der Mühle. "Das Stroh hier ist deutlich kürzer, das ist jetzt etwa so zwei bis drei Zentimeter lang", erklärt der Damsdorfer Milchbaue.: "Jeder Halm ist dazu noch vierfach in der Länge aufgespalten. Man erhöht dadurch natürlich ungemein die Oberfläche, genau dadurch ist es auch so saugfähig. Ganz flauschig fühlt es sich an."

Milchvieh-Stall des „Biohofs zum Mühlenberg“ – im Hintergrund die Biogasanlage in Damsdorf (Ortsteil der Gemeinde Kloster Lehnin im Kreis Potsdam-Mittelmark) (Quelle: rbb/Susanne Hakenjos)
Milchvieh-Stall des "Biohofs zum Mühlenberg" - im Hintergrund die Biogasanlage in Damsdorf Bild: rbb/Susanne Hakenjos

So flauschig, dass sich sein schwarz-buntes Milchvieh gleich viel wohler fühlt: "Toller Nebeneffekt. Die Tiere sind schön sauber und trocken. Die glänzen richtig", sagt der 42-jährige Landwirtschaftsmeister, während er über seinen Hof führt. "Hier stehen unsere Jungrinder, die sind jetzt alle mit dem Stroh dieser Strohmühle eingestreut worden, das ist jetzt eine Woche alt. Morgen wird dann das alles entmistet und geht in die Biogas-Produktion." Und steigert dort den Gas-Ertrag.

Denn die Grundlage der Biogasanlage sind die Methan-Bakterien, die das Rind ausscheidet, erklärt Wessels. "Dabei bindet das neue flauschige Stroh viel mehr frische Methan-Bakterien. Und dadurch, dass diese Bakterien schneller und besser in die Anlage kommen, ist die ganze Verwertung, der Ertrag je Tonne eingebrachter Einstreu und die Gasqualität besser."

Biomethan in Erdgasqualität

Hinterm Kuhstall steht eine der drei Biogasanlagen des Landwirtschaftsbetriebs Wessels. Schon seit Jahren wird mit dem darin entstehenden Rohgas über ein eigenes Blockheizkraftwerk Strom und Fernwärme vor Ort erzeugt, beliefert werden Haushalte und Einrichtungen in den Betriebsstandorten Damsdorf, Trechwitz und Götz in der Gemeinde Kloster Lehnin. Jetzt aber soll die Gas-Qualität gesteigert werden, denn erst mit einem Methan-Gehalt von über 95 Prozent könnte es als Biomethan klassisches Erdgas ersetzen.

In den runden Fermentern mit den grünen luftdicht verschweißten Foliendächern, die sich unter dem Druck der Gase kuppelförmig aufblähen, steigt durch die neuartige Einstreu und das geänderte Verfahren die Qualität und die Gas-Ausbeute aus dem Rindermist. 180.000 Euro hat die neue spezielle Stroh-Mühle gekostet, weitere zwei bis drei Millionen Euro für neue Technik sollen folgen. Sie kann das Rohgas reinigen, aufbereiten und verdichten.

Einer der Fermenter der drei Biogasanlagen von Timo Wessels in Damsdorf, Trechwitz und Götz. 2021 haben die Anlagen zusammen 23.000.000,00 KWh Strom und 17.000.000,00 KWh Wärme produziert. (Quelle: rbb/Susanne Hakenjos)
Einer der Fermenter der drei Biogasanlagen von Timo Wessels in Damsdorf, Trechwitz und Götz. 2021 haben die Anlagen zusammen 23.000.000,00 KWh Strom und 17.000.000,00 KWh Wärme produziert.Bild: rbb/Susanne Hakenjos

Neue Perspektiven für Junior und Senior

"Der Methan-Gehalt im Biogas steigert sich damit von aktuell 60 Prozent auf 98 Prozent", erklärt Landwirt und Biogasanlagenbetreiber Timo Wessels. So aufbereitet ließe es sich ganz normal als Biomethan in Erdgas-Qualität verkaufen. "Oder man verflüssigt das und kann es dann als Treibstoff für Lkw, Traktoren und Busse benutzen."

Auch Hergen Wessels hält das Vorhaben für zukunftsweisend. "Eine sehr, sehr gute Sache", lobt der Senior des Hofs, der bereits im Ruhestand ist. "Das wäre doch ideal. Wenn das Damsdorfer Gas künftig direkt ins öffentliche Gas-Netz eingespeist werden kann, oder als Flüssiggas-Treibstoff selbst genutzt oder verkauft wird." – "Und wenn wir am Ende mit dem, was da rauskommt, noch unsere LKWs und Traktoren fahren können, dann ist sowas doch eine tolle Sache", ergänzt sein Sohn.

Millionen-Investition angesichts "riesigem Potenzial"

Der nächste Schritt sei die Anschaffung einer Gasaufbereitungsanlage, sagt Timo Wessels: "Die ganze Anlage, die dafür benötigt wird, ist in zwei Seecontainern unterzubringen. So ein Container ist 2,50 Meter und zwölf Meter lang, also unkompliziert, der Platz ist da bei den Anlagen", erläutert der Damsdorfer. "Das funktioniert technisch und wir wollen diesen Schritt wahrscheinlich gehen als Betrieb. Wir sind jetzt ja noch in einer Art Vorstufe."

Gespräche mit Bank aber fanden bereits statt, Termine mit Herstellern der neuen Aufbereitungstechnik stehen fest. Damit der Einstieg in die Gasaufbereitung wirtschaftlicher wird, plant der Betrieb auch die Verdopplung seines Vieh-Bestandes von bisher 450 Milchkühen, plus ihrer Nachzucht an Kälbern und Jungrindern, auf dann insgesamt 2.000 Tiere. Wo jetzt noch in sehr geringem Umfang auch Mais für die Mitvergärung in den Biogasanlagen auf Feldern steht, will Wessels dann stattdessen ausschließlich Futtermittel für seine Tiere anbauen.

Der "Biohof zum Mühlenberg" in der Gemeinde Kloster Lehnin hat nicht nur seine eigene Milchtankstelle in Damsdorf, Wessels' Betrieb ist vor allem einer der größten Zulieferer von Bio-Rohmilch für die Gläserne Molkerei in Münchehofe im Kreis Dahme-Spreewald. "Wir werden auch ständig gefragt, ob wir nicht mehr liefern können", sagt Timo Wessels. Vor allem aber wolle er mit dem Vorhaben auch seinen Beitrag zur Energiewende leisten.

Energiewende und Landwirtschaft

"Wir sind in einer Lage in Deutschland, wir müssen uns was einfallen lassen, und das relativ schnell", sagt der 42-Jährige. Biomethan habe ein unglaubliches Potenzial. Technisch besteht kein Unterschied zu Erdgas. Biomethan kann Erdgas 1:1 ersetzen.

Potenzial sieht der Landwirt auch in der Verflüssigung zu Treibstoff für den Lkw-Verkehr. Immerhin liegt sein Hof nur wenige Kilometer entfernt von der Autobahn A2, einer der meistbefahrenen Schwerlast-Transport-Strecken in Europa.

"Das kann ein unheimlicher Beitrag werden!", findet der umtriebige Landwirt. Denn das Beispiel könnte Schule machen. Immerhin gibt es in ganz Deutschland derzeit rund 10.000 Biogasanlagen. Erst 220 Anlagen verfügen über die spezielle Aufbereitungstechnik, die das Rohgas qualitativ so verbessert, dass es wie Erdgas direkt in vorhandene Gas-Netze eingebracht und wie Erdgas genutzt werden kann und darf.

Studien zeigen auch, dass verflüssigtes Biomethan, sogenannter Bio-LNG-Kraftstoff, als erneuerbare Kraftstoffalternative beim Umstieg von fossilem Diesel einen großen Teil des Treibstoff-Verbrauchs im Schwerlastverkehr decken könnte.

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.11.2022, 14:12 Uhr

Beitrag von Susanne Hakenjos

11 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 11.

    Hier noch was aus der Mediathek vom letzten Monat über Biogas in Dänemark. Also im Prinzip genau das Gleiche was der Landwirt hier im Artikel auch macht. Übrigens Löwenzahn von 2004 "184. Peter braucht Mist" hatte auch schon das Thema Biogas Produktion. Lohnt sich wahrscheinlich jetzt erst, nachdem der Gaspreis so hoch ist.
    https://www.ardmediathek.de/video/europamagazin/daenemark-mit-biogas-durch-die-energiekrise/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2V1cm9wYW1hZ2F6aW4vYjBmNTI4ZTQtMmMxMC00YzY1LThjM2UtYjcyNTIyMjMwYjJj

  2. 10.

    Also der Milchvieh-Stall auf dem Foto sieht beim besten Willen nicht nach Massentierhaltung aus. Wie kommen sie eigentlich auf dieses schmale Brett? Den Internetauftritt des Hofes können sie gern hier ansehen:
    https://www.biohof-muehlenberg.de/index.php/home
    Können sie sich denn nicht, so abseits von Blumenkästen, vorstellen, das mit der Erhöhung der Nutztierzahl auch neue Stallungen geschaffen werden?

  3. 9.

    Haus- u. Hoftiere, wie Kühe und Schweine, in freier Wildbahn ist nicht artgerecht. Ja sogar Quälerei.
    Da klebt sich jemand nicht fest, hat Ideen, nennt diese nicht Konzept, setzt dies fleißig um und muss sich hier anfeinden lassen? Das werden doch wohl keine faulen Moralapostel sein?

  4. 8.

    Das Berlin Bashing ist ein Echo, vielleicht nicht auf Ihre Aussagen aber auf viele andere aus Berlin.
    Und der Rest erklärt sich wenn man drüber nachdenkt. Es gibt einen Markt für Milchprodukte.
    Die gewünschten Mengen nur mit Weidetieren zu produzieren, dürfte einen riesigen Landverbrauch mit sich bringen.
    Milchkühe die nur Luft und Wasser brachen gibt es leider nicht.
    Wenn Sie den Artikel gelesen haben, ist einer der Tricks die Reste des Getreideanbaus (Stroh) besser zu nutzen um mehr Biogas zu erzeugen. Und von Biobauer war da auch die Rede. Auch Biokühe können zur Biogasgewinnung genutzt werden.

  5. 7.

    Das ändert doch nichts an der Massentierhaltung und daran, dass auf den Feldern Tierfutter statt Getreide usw angebaut wird. Was soll außerdem der Vergleich mit dem Berliner Wohnungsbau? Wo Brandenburg voll ist, kann genauso wenig gebaut werden. Bezahlbare Wohnungen fehlen in vielen Brandenburger Städten daher genauso.
    Warum müssen Brandenburger eigentlich immer Berlin-Bashing betreiben? Das ging mir schon vor Jahrzehnten auf den Nerv, als ich meine Ferien bei meinen Großeltern auf dem Dorf verbrachte, übrigens genau in der Gegend um Lehnin.

  6. 6.

    Und hier beißt sich dann die Maus in den Schwanz. Wir wollen an das Tierwohl denken und achten beim Kauf auf die Haltungsform und dann wird das hintenrum für die Energieerzeugung wieder ausgehebelt? Das ist noch nicht die beste Lösung, wenn ein Problem gelöst und dadurch neue geschaffen werden.

  7. 4.

    Ist ja nicht in Berlin wo man immer mehr Menschen anlockt und vergisst Wohnungen zu bauen.
    In Brandenburg denkt man da anders. Man pfercht die nicht zusammen, sondern baut rechtzeitig neue Wohnanlagen, egal ob für Mensch oder Tier.
    Der Tierbestand wird auch nicht von 450 Milchkühen auf 2000 erhöht. Er wird verdoppelt. Also 900 Milchkühe plus Kälber, Jungrinder und vielleicht auch ein paar Bullen macht 2.000 Tiere insgesamt die natürlich für die Biogasanlagen relevant sind.
    Da leben jetzt schon deutlich mehr als 450 Rinder.
    Die Dächer voll mit PV wurden im Artikel noch vergessen.

  8. 3.

    Das ganze Thema Biogas ob nun aus kommunalen oder landwirtschaftlichen Abwasser/Resten hat noch Riesenpotenzial. Wurde leider anfänglich mit dem Fokus auf Mais nicht optimal angegangen.
    Problem ist meist die ungenutzte Wärme die häufig über Notkühler ungenutzt verloren geht. Gas einspeisen ist da die volkswirtschaftlich bessere Lösung, da wir Gas im Sommer sehr gut einspeichern können. Wärme jedoch nicht.
    Co Vergärung der menschlichen Lebensmittelreste, Laub, Gartenabfälle vor der Kompostierung ist noch lange nicht energetisch ausgereizt.
    Schlammbehandlung mit Faulung und BHKW dürfte bei hohen Energiepreisen auch für kleine Kläranlagen lukrativ werden.
    Und auch regulatorisch gibt es einige Hemnisse im Energiemarkt die Biogasverstromung eher ausbremsen.

  9. 2.

    Erst dachte ich, tolle Sache. Aber als ich an den Punkt kam, dass der Tierbestand von 450 auf 2000 erhöht werden soll, war ich nicht mehr so überzeugt. Sollen die Tiere jetzt auch noch zur Energiegewinnung zusammengepfercht werden?

  10. 1.

    23.000.000,00 KWh Strom in einem Jahr produziert und flauschiges Stroh für die Rinder - tolle Sache!

Nächster Artikel