Elektromobil zum Zug - Sharing-Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz gestartet

Mo 19.12.22 | 18:46 Uhr | Von Johannes Frewel
  9
Symbolbild: Ein Mobility-Hub in Berlin (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.12.2022 | Johannes Frewel | Bild: dpa/Britta Pedersen

Mit schweren Koffern im Auto zum Bahnhof und das Sharing-Car dort einfach stehen lassen - die Bahn will die letzte Meile komfortabler machen. Ein Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz soll zeigen, ob das klappt. Von Johannes Frewel

Wer auf dem Fernbahngleis 8 am Berliner Bahnhof Südkreuz ankommt, sieht sie direkt auf der anderen Seite des Gleises: die Elektro-Flotte für den Weg nach Hause. In weißer Schrift auf grünem Grund wirbt die Deutsche Bahn dort für ihren neuen Mobility Hub. Er vernetzt die Angebote der Bahn mit privaten Geschäftsmodellen. Gebucht werden kann die nahtlose Mobilität per Smartphone etwa mit der Jelbi-App der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG).

Bahn rüstet "letzte Meile" für Mobilität per Smartphone

Philipp Henzgen soll Bahnhöfe fit machen für die geänderten Mobilitätbedürfnisse vor allem der Generation zwischen Mitte 20 und Mitte 40. Berufseinsteiger und Menschen in der Rush-Hour des Lebens planen ihre Mobilität oft spontan, alles geht per Smartphone. Henzgen ist Projektmanager beim Bahnhofsbetreiber Station@Service und soll Bahnimmobilien digital aufrüsten. Es geht um die Vernetzung der Bahn-Fernzüge mit dem kommunalen ÖPNV und vor allem mit elektrisch motorisierter Mikromobilität privater Sharing-Anbieter.

Der Mobilitätsmarkt ist riesig. Das Statistische Bundesamt hat ermittelt: monatlich geben Verbraucher etwa 270 Euro für Mobilität aus. Tendenz klar steigend. Ein Wachstumsmarkt auch für Elektromobilität. Sie will die Bahn bündeln, um Verkehrs- und Wirtschaftskreisläufe zeitgemäß anzukurbeln.

Sharing-Anbieter vernetzen sich mit Bahn-Elektrozügen

"Wir haben alle relevanten Sharing-Anbieter am Südkreuz versammelt", sagt Henzgen und zählt auf: Call-a-Bike bei den Fahrrädern, Voi, Tier, Lime und Bolt bei Rollern, Emmi und Felyx bei Elektro-Mopeds und Miles beim Carsharing. Nicht wie üblich wild verstreut rund um den Bahnhof, sondern gemeinsam auf einem Platz vor dem Ostausgang stehen die Zwei- und Vierräder geordnet in mehreren Reihen auf Abstellflächen bereit.

Digital geordnet wird das in der BVG-App Jelbi. "Dort bündeln wir die Mobilität, damit Kunden Anschlussmobilität oder einen Hinbringer zum ÖPNV finden", erklärt Sandra Talebian das digitale Geschäftsmodell. Sie ist Jelbi-Managerin und verhandelt, damit auch Call-a-Bike und Felyx als Nachzügler unter das Jelbi-Dach schlüpfen.

Nora Goette, Sprecherin des Carsharing-Anbieters Miles erwartet vor Weihnachten die erste Belastungsprobe, sagt sie. Sie registriere, dass Bahnreisende nicht nur vom Zug ins Auto wechselten, sondern gern auch den Mobilitäts-Service zum Bahnhof nutzten. Sie können das Auto dort einfach auf einem der gekennzeichneten Parkplätze stehenlassen. "Jetzt gerade zur Feriensaison wird es besonders spannend", sagt Goette. Private Sharing-Anbieter profitieren davon, dass die Autodichte in Berlin je Einwohner deutlich geringer ist als etwa in München. Viele Berliner besitzen kein Auto und nutzen stattdessen Bus und Bahn. Sie sind im Bedarfsfall potenzielle Kunden. "Hier ist die Alternative im Zusammenschluss mit all den anderen Anbietern", sagt Goette über die Mobility Hubs der Bahn.

Autonomer Elektrobus "Olli" schafft Weg zum Südkreuz nicht

Hat der gemeinsame Hub der Bahn und der BVG für mehr grüne Mobilität Erfolg, dann könnte etwa am Ostkreuz ein zweiter folgen. Ein weiteres Projekt ist derweil in weite Ferne gerückt. Im nahegelegenen Euref-Campus rund um den ehemaligen Gasometer in Schöneberg forschen Wissenschaftler an Projekten für die Energiewende und nachhaltigen Verkehr. Auf dem Gelände ist fahrerlos ein kleiner autonomer Elektrobus unterwegs, "Olli". Der Traum, ihn eines Tages auch zum Bahnhof Südkreuz pendeln zu lassen, ist vorerst geplatzt. Für eine öffentliche Straßenzulassung autonom fahrender Busse müssen Forscher noch zahlreiche Probleme lösen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.12.2022, 19:35 Uhr

9 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 9.

    Das passt ja spitze zur Taxi-Preis-Erhöhung. Da nehme ich mir doch lieber ein Carsharing - kostet genauso viel, bin nur flexibler.

  2. 8.

    Für die letzten Meilen von der Bahn mit dem leider benötigten Gepäck,wie Koffer etc..Keine gute Idee, entspricht nicht dem Straßenverkehrsrecht,wo es heißt das ma na nur alleine,aber ohne Transport diese Dinger benutzen darf.

  3. 7.

    Wir brauchen weniger Individualmobilität nicht mehr. Und Carsharing verhält sich zum Teil wie Individualverkehr. Hier, leicht außerhalb des S-Bahn-Rings, stehen mittlerweile soviele Miles Autos, dass die Nutzung sich fast einem Privatauto ähnelt. Wird am Nachmittag abgestellt und steht häufig am nächsten Morgen noch an gleicher Stelle.
    Und wenn die Bahn von letzter Meile spricht: selbst wenn es nur im übertragenen Sinne so gemeint ist. Dort wo man die Sharingfahrzeuge (egal ob Zweirad oder Vierrad) abstellen darf herrscht doch ohnehin eine gute ÖPNV Abdeckung.

  4. 6.

    Zitat: Viele Berliner besitzen kein Auto und nutzen stattdessen Bus und Bahn. Zitat Ende

    Noch nie waren in Berlin so viele Fahrzeuge zugelassen wie derzeit, Tendenz seit Jahren steigend. Derzeit sind 1,24 Mio. KfZ in Berlin zugelassen.

    Bei absolut jeder Strecke die ich regelmäßig im ÖPNV zurücklege (Arbeit, Training, Shopping, Kino, etc.), bin ich mit dem Auto, trotz Stau, erheblich schneller. Übrigens; in keiner anderen Stadt Deutschlands gibt es 1. so viele Baustellen wie in Berlin und 2. nirgendwo anders dauern sie so extrem lange. Allein in Tempelhof gibt es 4 Baustellen > 1,5 Jahre.

    Aber Hauptsache alles schicki bei Jelbi und man spricht die Generation 20-40 an. So braucht man sich dann um die substantiellen Probleme des Berliner ÖPNV und Straßennetzes nicht zu kümmern.

  5. 5.

    Je mehr Elektrofahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind, desto länger und intensiver scheint die Sonne und desto kräftiger weht der Wind, um den dafür zusätzlich erforderlichen sauberen Ökostrom zu produzieren.

  6. 4.

    Bitte in 1-2 Jahren nochmal berichten... Statt noch mehr „könnte“-Artikel.

  7. 3.

    leider sind nur die für langjährig erfahrene Car-sharer uninterssanten Anbieter dabei... . Die, die zu unpraktisch oder zu teuer sind. Oder die, deren Tarife nur lonhen, wenn man nachts über leere Kreuzungen schnell durch die Stadt sausen kann. ...eben nur dann mal ein Schnäppchen sind.
    -Die Fahrzeuge der wirklich nützlichen Anbieter stehen auf der Westseite des Bahnhofs auf dem oberen Parkdeck "Sonnendeck" ;-)

  8. 2.

    Koffer? Bin 70 Jahre alt, also außerhalb der Zielgruppe und reise viel mit der Bahn und kann ein Handy bedienen, aber wer interessiert sich in der digitalen Welt noch für die ältere Generation?
    Dies trifft jedoch nicht nur die Geldgeilen Erfinder der schönen neuen Welt, sondern alle Bereiche des öffentlichen Lebens.

  9. 1.

    Elektromobile erzeugen mittlerweile in Deutschland mehr Kohlendioxid als Dieselfahrzeuge, nur indirekt. Grund: Der Anteil an Kohlestrom ist in Deutschland erheblich gestiegen. Man sollte besser Lastenräder oder Pferdegespanne nutzen. Oder zur Abwechslung auch mal laufen und das Rollköfferchen ziehen, auf den letzten Metern. Hilft nicht nur dem Klima, auch der eigenen Gesundheit. Und kostet im letzten Fall nichts.

Nächster Artikel