Firmen-Aus - Warum mit "Robben & Wientjes" ein Stück Berlin verschwindet

Di 15.08.23 | 15:08 Uhr | Von Ilja Behnisch
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Archivbild: Ein Robben & Wientjes Miettransporter bringt am 24.07.2005 die Downhill Longboarder den Hügel hinauf. (Quelle: Imago Images/Kathrin Schubert)
Bild: Imago Images/Kathrin Schubert

Die Pritschenwagen von "Robben & Wientjes" gehörten zum Stadtbild wie das Wort "Robbe" zur Sprache Berlins. Und auch sonst war die Firma weitaus mehr als nur ein Dienstleister. Von Ilja Behnisch

Einen Tod muss man ja sterben. Da kann man so einen Text auch gleich mit dem "F"-Wort beginnen: Früher. Früher gab es das ja noch, das heutzutage fast Undenkbare, dass Berliner:innen innerhalb der Stadt umziehen.

Weil sie wollten. Weil sie konnten. Weil es freien Wohnraum gab, für den man keinen Zweitjob annehmen musste oder ein Erbe angreifen, um ihn sich leisten zu können. Weil man sich verliebt oder entliebt hatte und also zum Handeln gezwungen war. Weil man das WG-Leben satt hatte oder nur, weil es ging. Eine schönere, größere, besser gelegene Wohnung.

Sofern man nicht innerhalb des Hauses umgezogen ist, gab es für Berliner:innen dann genau zwei Dinge zu tun.

1.) Möglichst geschickt im Freundeskreis nach Helferhänden fahnden. "Sag’ mal, was machst Du denn am 31.?", fragte man dann möglichst beiläufig. Wer aufmerksam genug war, konnte schon am Datum erkennen, dass es auf Umzugshilfe hinauslief und log sich geschickt aus der Affäre.

2.) Eine "Robbe" mieten. Jene legendären Pritschenwagen und Lkw der Autovermietung Robben & Wientjes. Gegründet 1978 in Berlin-Kreuzberg. Bekannt für das lustige Robben-Logo, Stundenpreise ab 2,50 Euro und etwas, was heute vermutlich Costumer-Experience heißt und unter "Original-Berlin" abgestempelt würde.

Ein Umzug? Kann sich keiner mehr leisten!

Inzwischen zieht niemand mehr um, weil es sich keiner mehr leisten kann. Und wer zu- oder wegzieht, hat entweder nix im Koffer, weil das WG-Zimmer für 700 Euro (kalt) kaum mehr Platz bietet als für ein Bett und ein bisschen Fantasie. Oder aber so viel Geld, dass der Umzug von einer "Relocation"-Agentur abgewickelt wird. Eine "Robbe" braucht da niemand mehr. Kein Wunder also, dass die Firma nun endgültig von der Bildfläche verschwunden ist. Nachdem die Gründer sie schon 2018 an den Konkurrenten Buchbinder verkauft hatten.

Alsbald verschwanden auch die berühmten Mietstationen in der Prinzenstraße und der Prenzlauer Allee. Veräußert vom neuen Besitzer. Die Firmengründer Robben und Wientjes, zwei gebürtige Nordrhein-Westfalen, die es durch den gemeinsamen Wunsch nach Wehrdienstverweigerung ins (West-)Berlin der 70er-Jahre verschlug, hatten bei ihrer sukzessiven Firmen-Expansion penibel darauf geachtet, Firmengrundstücke stets zu kaufen, niemals zu mieten. Nur so war ihrer Ansicht nach die nachhaltige Entwicklung möglich, die letztlich zu einer knapp 1.000 Autos starken Firmenflotte führte, die Jahr für Jahr an die 50 Millionen Kilometer abspulte.

Zweiter Erfolgsfaktor: analoge Planung. Ihre Programmierer hätten alles Mögliche probiert, so Dietmar Robben 2018 in einem Interview mit der "Berliner Zeitung", am Ende stand die Erkenntnis: "Online würde es bedeutend länger dauern. In diesem Falle ist das Internet einfach mal nicht konstruktiv."

"Am Wochenende ist hier die Hölle los"

Also rief man an, in den Filialen. Und wenn man Berlin nicht schon kannte, lernte man es spätestens dann kennen. Man konnte sie ja durch das Telefon hören. Die Zigaretten, die die Robben & Wientjes-Mitarbeiter auch dann noch im Kundenbereich rauchten, als in geschlossenen Räumen rauchen ungefähr auf der Stufe von öffentlichem Urinieren angekommen war. Der Kaffee, der immer so aussah, wie ein Kaffee aussehen musste, wenn man sich egal zu welcher Tageszeit sagte: Erstmal einen Kaffee. Die übergroßen Kalender und Listen, mit deren Hilfe die Leihen disponiert wurde, Format DIN-A2-Buch.

Es ging schnell am Telefon, das schon. Aber immer war da zunächst auch das Gefühl, es sei dieses Mal nun aber wirklich nahezu unmöglich, noch einen freien Wagen zu finden. Weil: "Am Wochenende ist hier die Hölle los, kannste Dir ja vorstellen!" Und vielleicht war es auch nur Masche, jedenfalls war man dann jedesmal fast mütterlich gerührt, dass es doch noch möglich gemacht werden konnte. Dass man doch noch Geld ausgeben durfte für einen Wagen mit hakeliger Schaltung, schwergängigen Ladeflächen-Entriegelungen und einer Tankregelung, bei der man immer lässig "ja ja", sagte auf die Frage, ob man sie verstanden habe, wobei man jedes Mal aufs Neue log.

Die Angestellten waren Könige, die Kunden Kunden

Denn auch das war Teil der "Robben & Wientjes"-Wahrheit: Die Angestellten waren Könige. Der Kunde war Kunde. Der den Königen zeigen wollte, dass er schon wisse, wie der Hase läuft. Möglichst beiläufig die oft recht happige Kaution auf den Tisch legen, bloß nicht danach gefragt werden! "Weiß ich Bescheid" sagen, wenn der genaue Standort des Mietwagens beschrieben wurde. Und sich dann bloß nicht dabei erwischen lassen, wie man den Platz scannte, weil man natürlich überhaupt nicht Bescheid wusste. Und schließlich "neeeeee, geht schon" säuseln, wenn der Außenmitarbeiter fragte, ob er beim Ausparken helfen solle.

Hatte man die "Robbe" dann erfolgreich durch die Stadt manövriert, den Schleifpunkt zum Freund gemacht und sich spätestens nach dem erfolgreichen Umzug gefühlt hat wie Manfred Krug in "Auf Achse", nachdem er mal wieder auf den letzten Drücker und gegen jeden Widerstand eine wichtige Terminfracht nach Thessaloniki geschafft hatte, glückte man zurück auf den Hof von Robben & Wientjes, als gäbe man der Stadt ein Stück von seinem Herzen zurück.

Die Robben sind aus dem Stadtbild verschwunden

Die "Robben & Wientjes"-Angestellten, diese kleinen Rockstars, ließen sich von der Euphorie des Vollbrachten keinesfalls anstecken. "Na dann, bis zum nächsten Mal", war noch das höchste der Gefühle. Das nun für immer ausbleiben wird.

Nach den Mietstationen sind nun auch die ohnehin schon selten gewordenen Robben aus dem Stadtbild verschwunden. Einen Tod muss man ja sterben. Dieser hätte ruhig noch auf sich warten lassen können.

Sendung: Fritz, 15.08.2023, 22:30 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

50 Kommentare

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  1. 48.

    Dafür gibt es die Verkehrsrüpel jetzt mit MILES, BOLT und SIXTshare, die rasen und ungehemmt abbiegen ohne auf Radfahrer und Fussgänger zu achten oder das Fahrzeug mitten ins Halteverbot, auf Rad- und Fusswegen einfach abstellen. Man sollte kurzzeitmieten stärker kontrollieren und Verstösse sollten zu einer Fahrersperre führen, z.B. Tempoverstoss oder Parkverstoss innerhalb der Stadt.

  2. 46.

    Komisch das jetzt erst alle trauern und jammern. Robben & Wientjes in Lichtenberg ist bereits am 1. Juli geschlossen worden, ebenfalls mit Ankündigung das für immer Schluss ist. Jetzt, fast 1 1/2 Monate werden die Medien darauf aufmerksam und faseln was vom Verlust eines Stücks Berlin.
    Mit dem Verkauf 2018 an Buchbinder war das Schicksal der Robbe bereits besiegelt und teilt sich das gleiche Schicksal wie Joey’s Pizza.

  3. 45.

    immaterielles Weltkulturerbe!

  4. 44.

    Kann mich gut an die ersten Ford Transits erinnern, deren Armaturenbrett von Asche überzogen war und bei denen die Bremse nur ja oder nein kannte…

  5. 43.

    Wenn die Robben am Wochenende durch die Stadt wuselten, dann sind wir in Deckung gegangen und haben einen weiten Bogen um die gemacht. Denn meistens saßen da irgendwelche Fahrer drauf, die das Fahrzeug weder gewohnt waren noch es beherrschten. Also hieß es Abstand halten.

    Sie werden dennoch im Stadtbild fehlen. Einfach weil sie mit der Robbe so herrlich aussahen.

  6. 41.

    Berlin ist halt nicht mehr das, was es mal war.

  7. 40.

    Vielen Dank für diesen liebevollen Abgesang eines weiteren Stücks des "alten" Berlins. Ich habe "Robben" oft und gern für Umzüge und kleine Transporte genutzt. Die Preise waren fair und ja, die Fahrzeuge waren oft ausgenuddelt und sahen sehr "gebraucht" aus, aber darin lag ja der Charme und man fuhr mit einem Fahrzeug, dass bereits etliche Beulen und Schrammen hatte, irgendwie entspannter herum. Liegengeblieben bin ich übrigens nie und habe die Transporter immer wieder heil zurück zur Station gebracht. Mag sein, dass man mit Miles & Co. heute auch gut einen Transporter mieten kann, aber den Charme dieser "Familie" wird wohl niemand mehr erreichen. Ich habe es geliebt, so schnell und unkompliziert an ein Fahrzeug zu kommen. Der Abschied tut schon weh!

  8. 39.

    Ich bin im März mal wieder umgezogen und natürlich hatten wir, wie bei jedem Umzug, einen Planenwagen von Robben & Wientjes gemietet. Anscheinend das Letze Mal. Wir haben uns auch oft für die Fahrten zum BSR-Hof ein Robben & Wientjes gemietet. Und wenn man am BSR-Hof an kam, stand ein R&W hinter dem anderen an um sein Sperrmüll los zu werden. Es wird jetzt wohl auch bald etwas leerer am BSR-Hof.
    Mit der Schließung geht uns ein gutes Stück Berlin verloren

  9. 38.

    Aber auch das war Robben&Wientjes: Eine ungerechtfertigte SChadenersatzforderung musste ich vor Gericht abwehren. Dort war ich erfolgreich und anschließend bei R&W auf der "Schwarzen Liste". Weder als Mieter noch als Mit-Fahrer war ich gelitten. Zum Glück gibt es dazu andere Alternativen.

  10. 37.

    Ich hatte das auch nicht kapiert mit dem Tanken, hatte zu viel getankt. Hatte dann ein Konto mit Guthaben bei denen. Tanken musste ich dann ewig nicht und Falschparken mit Abschleppen haben mir R&W auch nie in Rechnung gestellt. Irgendwie lief der Laden trotzdem. Schade.

  11. 36.

    Ach habe Möbel aus dem Emsland nach Berlin geholt, extra dafür habe ich eine bessere Pritsche erhalten! Danke R&W, eine „Starke Marke“, wie es sie heute kaum noch gibt!

  12. 35.

    Wir haben leider den Fehler gemacht, in ein nichtversorgtes Gebiet der Minutenvermieter zu ziehen. Eigentlich müsste es ja gerade hier solche Fahrzeuge geben, aber weit gefehlt. Wir werden die unkomplizierte Robben & Wientjes vermissen!

  13. 34.

    Nee echt, jetzt. Eine Träne kullerte schon als ich die Glosse las. Das war mein Berlin. Geile Zeit. Gefühlte 30 Umzüge mit der Robbe gemacht. Für mich und andere. Es kommt ein bisschen Herr Lehmann Feeling auf. Keine Verdrängung. Berliner Mischung. Jeder hatte oder fand seinen Platz. War gewesen. Schade eigentlich. Ich hab noch nen Umzugsfoto mit Robbe. Klebt jetzt an meinem PC Monitor. Wenigstens die Erinnerung bleibt. Good bye R+W.

  14. 33.

    Danke, Herr Behnisch. Hat mich sehr gefreut, Sie zu lesen. Lassen Sie doch bitte öfter solche schönen Feuilleton-Stücke hier auf der Seite erscheinen.
    Gute Grüße
    vom Gesundbrummer

  15. 32.

    Wat iss dit schade das die nich mehr da sind.
    Rent a Rentner sach ick bloß! Inzwischen ooch kurz davor bedanke ick mir für den jelungenen Nachruf! Ick erinner mir noch an den kettenrochenden Chef in der Filiale Prinzenstrasse! Unfeundlicher wurde man nur noch in der Cucina in Neapel bedient. Da dit aber umjangssprachlich für den echten Berlina schon sehr freundlich war, sind wa imma wieda hin! Keene Robben mehr! Ick bin traurig.
    Wida ne Tür offen für die „ Maultäschle“ und „Brötchen“.

  16. 31.

    Quatsch die meisten Mieter wollten nicht an der Straße mieten, denn da muß man seine Kreditkarte hinterlegen,was bei R&W nicht der Fall war. Es lief bis zu einem bestimmten Punkt gut aberwenn es den Besitzer diese Art der Vermietung nicht in sein System passt muß es weg. Egal ob Gewinn gemacht wurde.

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