Deutscher Landschaftspflegetag - Reiche Ernte auf trockenen Böden
Landwirte, Naturschützer und Politiker beschäftigen sich in Potsdam damit, wie Arten- und Landschaftsvielfalt trotz Klimawandels erhalten werden kann. In Brandenburg werden die Böden immer sandiger. Ein Landwirt aus Teltow-Fläming stellt Lösungen vor. Von Katrin Neumann
- Brandenburger Böden versanden wegen steigender Trockenheit
- Landwirte müssen Arbeitsweisen und Prozesse umstellen, um Böden fruchtbar zu halten
- Auf dem Landschaftspflegetag in Potsdam werden Positivbeispiele vorgestellt
Tino Ryll bewirtschaftet 500 Hektar Ackerfläche in Teltow-Fläming. Dort baut der 41-Jährige zusammen mit seinem Bruder Ronny Ölpflanzen wie Senf, Raps, Lein, Sonnenblumen und Hanf an. Außerdem wachsen Gerste, Weizen, Roggen, Zuckerrüben und Mais auf seinen Feldern. Mit dieser Artenvielfalt will Ryll das Ausfallrisiko streuen, erklärt er.
Der Klimawandel mit überdurchschnittlicher Hitze und Trockenheit seit dem Jahr 2018 stellt den Landwirt vor große Herausforderungen. Viele Anbaupflanzen zu unterschiedlichen Aussaat- und Erntezeiten, mit unterschiedlichen Nährstoff- und Wasserbedürfnissen, verhindern Totalausfälle bei der Ernte. "Das hat uns in den letzten Jahren schon sehr geholfen", resümiert Ryll im Gespräch mit rbb|24.
Brandenburg wird trockener
Weil es insgesamt zu wenig regnet und zu warm ist, sinkt der Grundwasserpegel - und es gibt dauerhaft Niedrigwasser. Während Privatpersonen ihre Rasenflächen, Blumen oder Gemüsebeete nicht ausreichend wässern können, steht für Landwirte wegen des Wassermangels mitunter die Existenz ihres Betriebes auf dem Spiel. Zwischenzeitliche Regenphasen in diesem Jahr konnten die trockenen und heißen Vorjahre nicht ausgleichen. Im Gegenteil, die Ackerböden versanden immer weiter.
Nährstoffreicher Mutterboden kann Wasser länger halten als Sand
Durchschnittlich 30 Zentimeter Mutterboden bieten Brandenburger Böden, eine vergleichsweise dünne Erdauflage. Darunter liegt Sand. Hinzu kommt, dass auch die Bodenqualität mit höchstens 35 von 100 möglichen sogenannten Bodenpunkten zu den schlechteren in Deutschland gehört. Es gilt also Methoden zu finden, die Wasser und Nährstoffe besser im Boden halten. Idealerweise soll die Mutterbodenschicht auch noch vergrößert werden. Jeder Zentimeter zähle, sagt Tino Ryll.
Er hat im Laufe der Jahre zahlreiche Methoden ausprobiert und etabliert, wie Ackerböden fruchtbarer gemacht und mit weniger Dünger rentabel bewirtschaftet werden können, erzählt Ryll. Regenerative Landschaft sei ein "Puzzlestück in der Klimakrise", für die man Ausdauer und Geduld brauche, sagt Ryll. Dabei sei der Humusaufbau ausschlaggebend, also die organische Substanz im Boden. Und den kann man durch Untersaaten und Zwischenfrucht fördern.
Empfehlung: Gras drüber wachsen lassen
Das funktioniert so: Bei der Untersaat wird mit der Hauptkultur, Getreide oder Ölpflanze, Gras ausgesät. Erntet man dann die Hauptkultur ab, bleibt das Gras stehen, bekommt Licht und fängt an zu wachsen. Über die Wurzeln geben die Graspflanzen Zucker an den Boden ab und "füttern so das Bodenleben", erklärt der Landwirt Ryll. Bakterien, Pilze und Regenwürmer können sich vermehren, die organische Masse im Boden wächst. Ein Prozess, der sich über Jahre ziehen kann. Die Erfolge sprächen jedoch für sich, sagt Tino Ryll. Die verbesserte Bodenqualität lässt Pflanzenwurzeln kräftiger werden und kann Wasser länger speichern. Ein deutlicher Vorteil, wenn beispielsweise das Winterwasser einige Wochen länger im Boden bleibt, um Trockenphasen im Frühling zu überbrücken.
Der gleiche Effekt kann mit Zwischenfrüchten erzielt werden. Nach der Drusch, dem Abmähen der Hauptkultur, bringt man Zwischensaaten in die Erde, Erbsen, Klee und Buchweizen zum Beispiel. Auch das helfe, den Boden nährstoffreicher zu machen und Humus aufzubauen. Das sei wie bei der menschlichen Ernährung, sagt Tino Ryll: "Wenn man einseitig isst, dann ist das nicht gut für den Magen." So sei das eben auch beim Ackerboden.
Komposttee – Gesundmacher für Pflanzen
Ein "besonderes Gebräu" für die Vitalisierung seiner Pflanzen stellt Landwirt Ryll selbst her, aus Kompost und Wasser. Ein Sack Kompost "blubbert 24 Stunden lang in einem 1.000-Liter-Wasserbehälter vor sich hin", erklärt Ryll. Den daraus entstehenden Komposttee trägt er dann auf die Ackerpflanzen auf und lässt sie so kräftiger gedeihen. Die Wurzeln würden gestärkt und könnten mehr Nährstoffe aus dem Boden ziehen. In Brandenburg seien sie mit ihrem Betrieb einer der ersten gewesen, die diese Art der biologischen Düngung wiederentdeckt hätten, sagt Ryll und klingt dabei stolz.
Ein weiteres Puzzleteil sei das bewusste und gezielte Düngen mit herkömmlichen Düngemitteln. Mit Bodenproben aus seinen unterschiedlichen Feldern stellt Tino Ryll sehr präzise fest, was seinen Böden wo fehlt oder im Überfluss vorhanden ist. Diese Bodenproben sein "wie Blutproben beim Menschen". Der Mangel oder ein Zuviel an bestimmten Nährstoffen, beispielsweise Kalzium oder Magnesium, könne punktuell ausgeglichen werden. Das verursache weniger Unkraut und verbrauche weniger Dünger. Eine flächendeckende Düngung mit Einheitsmitteln bringe weit weniger Ertrag. Das weiß Tino Ryll aus seiner Zeit, als er herkömmliche Landwirtschaft betrieben hat, sagt er, und er sehe es an seinen Nachbarbauern, deren Pflanzen kleiner und weniger ertragreich seien.
Vortrag beim Deutschen Landwirtschaftstag in Potsdam
Mit den Maßnahmen, die Tino Ryll auf seinen Feldern für fruchtbaren und damit wasserspeichernden Boden ergreift, ist er ein Vorreiter im Land. Andere Landwirte kämen zu ihm in den Betrieb und profitierten von seinen Erfahrungen, erzählt er. Sicher ist: Die Nachfrage nach Know-how zum Thema Landwirtschaft und Trockenheit wächst. Auf dem Deutschen Landschaftspflegetag in Potsdam wird Ryll am Mittwoch dazu einen Vortrag halten und sein Wissen an Naturschützer, Landwirte und Politiker aus ganz Deutschland weitergeben.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 26.09.2023, 19:30 Uhr