Beschwerde eingereicht - Oxfam zieht Supermärkte für Zustände auf Bananen-Plantagen zur Verantwortung
Oxfam wirft den Supermarktketten Rewe und Edeka vor, dass sie gegen das Lieferkettengesetz verstoßen. In einer Beschwerde ist von Hungerlöhnen und fehlendem Arbeitsschutz auf südamerikanischen Plantagen die Rede. Von Franziska Ritter
Oxfam hat mehrfach Menschenrechtsverletzungen auf Bananen-Plantagen in Ecuador und Costa Rica offengelegt, die auch Supermärkte in Berlin und Brandenburg mit den gelben Südfrüchten beliefern. Jetzt reicht die in Berlin ansässige Entwicklungsorganisation offiziell Beschwerde gegen Edeka und Rewe beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ein.
Sie pocht auf das deutsche Lieferkettengesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist. Es verpflichtet Unternehmen zu einem verantwortungsvollen Handeln entlang der ganzen Lieferkette. "Seit Jahren fordern wir, dass Leid und Ausbeutung keine Zutaten in unserem Essen sein dürfen. Die BAFA muss unseren Hinweisen nun nachgehen und den Supermärkten konkrete Anweisungen geben, was sie dagegen unternehmen sollen", mahnt Oxfam-Rechtsanwältin Franziska Humbert.
Vorwürfe der Gewerkschaft
Konkret geht es um Vorwürfe, die Arbeiter würden von den Zulieferbetrieben weit unter dem Mindestlohn bezahlt. Sie müssten auf den Plantagen bleiben, während Flugzeuge giftige Pestizide sprühen und Gewerkschaftsmitglieder drangsaliert würden, so Oxfam. Die Entwicklungsorganisation habe zu jedem Fall 20 Seiten mit Dokumentationen und Belegen eingereicht.
Edeka und Rewe weisen Vorwürfe zurück
Oxfam hatte nach eigenen Angaben Aldi, Lidl, Edeka und Rewe im Sommer über insgesamt vier Fälle von Menschenrechtsverletzungen auf Bananen- und Ananasplantagen bei ihren Zulieferern in Ecuador und Costa Rica informiert. Aldi und Lidl reagierten laut Oxfam auf die Vorwürfe und nahmen direkt Kontakt zu Gewerkschaften vor Ort auf. Edeka und Rewe hätten dagegen nur auf Zertifizierungen und Siegel verwiesen.
Edeka wies die Vorwürfe zurück. Bei einer Überprüfung hätten sich die Hinweise mit Bezug auf Partnerfarmen, von den Bananen bezogen würden, nicht bestätigt. "Die Aussage, wir seien nicht ausreichend gesprächsbereit, weisen wir deutlich zurück", teilte der Lebensmitteleinzelhändler auf Anfrage mit.
Rewe erklärte auf Anfrage, von dem beanstandeten Betrieb würden keine Waren mehr bezogen. Diesem sei nach einer unangekündigten Überprüfung infolge der Hinweise die Zertifizierung vorläufig entzogen worden.
"Die Aussagen, die die Arbeiter dort treffen, sind überwiegend einstudiert", erklärt Franziska Humbert. Wer nicht sagt, was er sagen soll, riskiere Entlassungen. Außerdem würden Mitarbeiter häufig angewiesen, besonders giftige und verbotene Pestizide wegzuräumen, so dass die Kontrolleure sie nicht sehen.
Gewerkschaftsmitglieder bedroht
Auch Jorge Costa von der ecuadorianischen Gewerkschaft für Arbeiter auf Bananen-Plantagen sieht die Rolle von Zertifizierungsunternehmen wie Rainforest Alliance kritisch. Schließlich hätten sie die Menschenrechtsverletzungen auf den Plantagen jahrelang nicht aufgedeckt. Gewerkschaften seien die einzigen, die die Einhaltung der Arbeitsrechte garantieren könnten.
ASTAC und Oxfam haben die Beschwerde gegen Edeka und Rewe stellvertretend für die betroffenen Arbeiter eingereicht. Aus Angst vor Repressalien wollten sie anonym bleiben, heißt es. Das deutsche Lieferkettengesetz biete Menschen, die Menschenrechtsverletzungen publik machen, bislang nur ungenügend Schutz, mahnt Jorge Costa. Gewerkschaftsmitglieder von ASTAC hätten in den vergangenen Wochen Morddrohungen erhalten.
Kein Einzelfall
Ob sich die Situation der Plantagenarbeiter durch die Beschwerde beim BAFA verbessern wird? Oxfam und die Gewerkschafter aus Ecuador hoffen es. Armin Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor befürchtet, dass es hunderte Fälle von Menschenrechtsverletzungen bei Zulieferern von deutschen Unternehmen gibt, die bisher nicht an die Öffentlichkeit gedrungen sind - einfach, weil es keine Beschwerden gab. "Wir müssen leider davon ausgehen, dass viele Unternehmen die Hände in den Schoß legen und sagen, wir haben noch keine Kenntnis, deswegen müssen wir bisher auch nicht aktiv werden", erklärt er.
Der Menschenrechtsexperte von Misereor kritisiert, dass das deutsche Lieferkettengesetz Unternehmen nicht ausdrücklich dazu verpflichtet, entstandene Schäden wieder gutzumachen: "Diese und andere Lücken muss das künftige EU-Lieferkettengesetz schließen, das bis Ende des Jahres beschlossen werden soll." Die Organisationen hoffen auf strengere Vorgaben aus Brüssel.
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.11.2023, 6 Uhr