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Video: rbb24 Abendschau | 03.11.2023 | Arndt Breitfeld | Studiogast Wibke Werner | Quelle: Imago Images/Bildgehege

Senatsbündnis ohne Einfluss

Immobilienkonzern Heimstaden kündigt 6.500 Berliner Mietern Mieterhöhungen an

Der Konzern Heimstaden will die Miete von 6.500 Berliner Mietern erhöhen. Teils liegen diese über einer mit dem Senat vereinbarten Kappungsgrenze. Der Fall zeigt: Das Senatsbündnis für bezahlbares Wohnen hat auf Mieterschutz wenig Einfluss. Von Jenny Barke  

Im September hat die Berliner Mieterin Ira* Post von ihrem Vermieter Heimstaden bekommen. Der Immobilienkonzern fordert sie darin auf, ab Dezember 15 Prozent mehr Miete zu zahlen.

Doch aus ihrer Sicht ist die Forderung formal falsch. Sie besitzt eine Mietrechtsschutzversicherung und kontaktiert darüber ihre Anwälte. Diese bestätigen: Statt ihrem Bruttokaltmietvertrag, in dem ihre Kosten aus Grundmiete und Betriebskosten bereits zusammengesetzt sind, hat Heimstaden die Mieterhöhung auf einen Nettokaltmietvertrag angewendet. "Im Prinzip ist das eine Falle. Dann habe ich eine deutliche Verschlechterung meines Mietvertrags, ohne, dass ich ausdrücklich darauf hingewiesen wurde", sagt Ira.

Nach eigenen Angaben hat Heimstaden im September 6.500 von insgesamt 20.000 Berliner Mieterinnen und Mietern eine Mieterhöhung geschickt. Das schwedische Wohnungsunternehmen beruft sich dabei auf den neuen Berliner Mietspiegel 2023, sagt der Heimstaden-Sprecher Michael Lippitsch dem rbb: "Damit hat der Senat einen Rahmen geschaffen und die Notwendigkeit erkannt, dass inflationsbedingte Preissteigerungen auch von Wohnungsunternehmen mit höheren Mieten ausgeglichen werden können." Heimstaden habe in vielen Fällen wegen anderer Belastungen wie Corona und Energiekrise auf Erhöhungen verzichtet. "Aber irgendwann müssen auch wir die Miete anpassen, um eine Immobilie adäquat zu bewirtschaften." Lippitsch betont, das in vielen Fällen weniger als 15 Prozent Mieterhöhung verlangt worden seien. "Die 15 Prozent hier so prominent in den Raum zu stellen, würde der Sache nicht gerecht werden", so Lippitsch.

Kritik vom Berliner Mieterverein

Doch viele Mieterinnen und Mieter äußern den Eindruck, dass Heimstaden bei den Forderungen die rechtlichen Rahmenbedingungen ignoriert oder zumindest nicht nachprüft. So auch bei Steffen*. Mit seiner Freundin und der zehnjährigen Tochter wohnt er seit zehn Jahren in einer 70 Quadratmeter großen Wohnung. In der Zeit haben sie vier Eigentümerwechsel erlebt, wie er erzählt. Nachdem Heimstaden ihre Wohnung zum Jahreswechsel 2021/22 gekauft hat, forderte das Unternehmen bereits im Jahr 2022 eine Mieterhöhung von 12,5 Prozent. Im September 2023 wurde eine weitere Erhöhung angekündigt, diesmal um 12 Prozent.

"Ich finde das schon bedrohlich auch perspektivisch für die Zukunft, wenn ich mir vorstelle: Was macht das mit mir und uns als Familie? Wenn sich die Spirale immer weiterdreht, wird es irgendwann nicht mehr leistbar, dass wir in einer Mietwohnung wohnen", sagt Steffen. Auch Ira befürchtet ihren Worten zufolge, dass für einige Mieter die Mieten unbezahlbar werden.

Viele Heimstaden-Mieter suchen Rat beim Berliner Mieterverein, wie deren Sprecherin Wibke Werner sagt. "Ein Punkt, der uns auffällt, ist, dass Heimstaden meist einfach die Kappungsgrenze ausschöpft." Das könne im Einzelfall hinhauen. Bei Ira und Steffen war allerdings zunächst die Mieterhöhung unzulässig, weil die Kappungsgrenze falsch berechnet und überschritten wurde. Wibke Werner rät deshalb allen Mieterinnen und Mietern von Heimstaden, die Mieterhöhungen zu prüfen: "Häufig werden Mieterhöhungen falsch berechnet, weil die Ausstattungsmerkmale der Wohnung nicht korrekt berücksichtigt werden. Die geforderte Miete ist dann oft zu hoch, so dass der Mieterhöhung entweder nur teilweise oder womöglich gar nicht zugestimmt werden muss."

Immobilienkonzern

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Heimstaden begründet mit IT-Fehlern falsche Mieterhöhungen

Falsch berechnete Mieterhöhungsforderungen begründet Heimstaden selbst mit einem neuen IT-System. "Wir haben Daten aus einem alten IT-System in ein neues überführt, dabei kam es leider zu IT-Datenübertragungsfehlern", sagt der Heimstaden-Sprecher Michael Lippitsch. Der Fehler sei vom Unternehmen selbst in mehreren Hundert Fällen identifiziert worden. Auch Steffen ist betroffen: Er hat ein Entschuldigungsschreiben erhalten, die Mieterhöhung wurde nach unten korrigert - sonst hätte er innerhalb von drei Jahren 24,5 Prozent mehr zahlen müssen, was juristisch nicht erlaubt ist. Die Grenze liegt bei 15 Prozent in drei Jahren.

"Heimstaden ist ein Wohnungsunternehmen, das Fehler auch zugibt und sich entschuldigt", sagt Lippitsch. Aktuell würden Briefe an die betroffenen Mieter verschickt, in denen die Mieterhöhung entweder komplett zurückgenommen oder korrigiert werde. Dass der IT-Fehler, wie von einigen Betroffenen vermutet, ein Trick sei, weist Lippitsch als Vorwurf zurück: "Wenn Mieter das Gefühl haben, hier stimmt etwas nicht, würde ich sie bitten, sich mit uns in Verbindung zu setzen."

Heimstaden nutzt neuen Berliner Mietspiegel 2023

Die Mieterin Ira hält das für eine Ausrede, wie sie sagt. Sie ist Mitglied der Initiative "Stop Heimstaden" und darüber mit vielen Mietern von Heimstaden in Kontakt. Sie sagt, sie glaube, dass es sich um ein Sammelsurium an Fehlern handele. Ihr seien Fälle genannt worden, in denen weder die Wohnungsausstattung noch die Heizungsform bei der Mieterhöhung berücksichtigt wurde.

Der Berliner Mieterverein sagt, er prüfe einzelne solcher Vorwürfe. Deren Sprecherin Wibke Werner sieht noch eine dritte Vorgehensweise von Heimstaden, die zwar nicht völlig rechtswidrig sei, sich aber in einer Grauzone befinde: Statt Mieterhöhungen mit einem qualifizierten Mietspiegel zu begründen, nutze Heimstaden den einfachen Berliner Mietspiegel. Dafür brauche es zum Vergleich nur drei eigene Vergleichswohnungen von Heimstaden. "Das ist ein Signal von Heimstaden, das zeigt, dass sie schauen, wie der Mietspiegel am meisten Rendite bringt und dabei hoffen, damit durchzukommen", sagt Werner.

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Bündnis für bezahlbares Wohnen als zahnloser Tiger

Dabei dürfte Heimstaden theoretisch nicht einmal um 15 Prozent erhöhen, selbst wenn alle Formalien eingehalten wurden. Denn der schwedische Wohnungskonzern ist im vergangenen Jahr dem Dachverband Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) beigetreten. Dieser wiederum beteiligt sich am Berliner Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen, den der vorhergehende Senat im Sommer 2022 initiiert hat. Ziel des Bündnisses: Dem Enteignungs-Volksbegehren etwas entgegenzusetzen und selbst faire Regelungen auf dem Mietmarkt zu schaffen.

Eine Bündnisforderung ist es, dass die beteiligten Immobilienunternehmen freiwillig die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von 15 auf elf Prozent senken. Der ZIA, dem Heimstaden angehört, hat diese Abmachungen mitgetragen - allerdings ohne seine Mitglieder zu befragen. Und: Bei genauerer Betrachtung erscheint das Bündnis wie ein zahnloser Tiger. Halten sich die Vertragspartner nicht an die Vereinbarungen, drohen ihnen keine Konsequenzen.

Immobilienkonzerne verlassen Bündnis

"Das ist einer der Gründe, warum wir das Bündnis nicht mit unterschrieben haben", sagt Werner vom Berliner Mieterverein. Die Umsetzung der Regelungen sei zu unverbindlich. "Es gibt keine justiziablen, drittschützenden Vereinbarungen, sondern es handelt sich um Entgegenkommen und Versprechen der Unternehmen, die sie dem Senat machen."

Die Praxis zeige, dass Bündnis-Vereinbarungen in keiner Weise durchgesetzt werden könnten. Ein Vorwurf, den Heimstaden-Sprecher Lippitsch abwehrt: "Heimstaden ist nicht Teil des Bündnisses, wir haben dieses Bündnispapier nicht unterschrieben und sind deshalb nicht an die elf Prozent Kappungsgrenze gebunden." Als Mitglied von ZIA ist der Konzern nicht verpflichtet, die Entscheidungen des Dachverbands mitzutragen.

Ein zweiter Kritikpunkt, den der Berliner Mieterverein am Bündnis hat: "Es sind vorrangig Verbände vernetzt, deren Durchschlagskraft auf die einzelnen Unternehmen, die sich in den Verbänden organisieren, mit Fragezeichen zu versehen ist", sagt Werner.

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Senat hofft auf Freiwilligkeit

Diese Unverbindlichkeit zwischen Dachverbänden und ihren teilnehmenden Immobilienunternehmen sowie zwischen Wohnungsbündnis und Dachverbänden macht Mieterin und "Stop Heimstaden"-Initiativen-Mitglied Ira wütend, wie sie sagt: "Ein Konzern, der so stark gegen geltendes Recht verstößt, der muss als Negativbeispiel für eine verfehlte Wohnungspolitik gesehen werden." Sie fordert von der Politik, verbindliche Regularien einzuführen, damit die Kappungsgrenze von elf Prozent gehalten wird.

Der Berliner Senat hingegen, der das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen initiiert hat, hält Konsequenzen für Heimstaden eigenen Angaben zufolge für nicht notwendig. Auf Anfrage vom rbb teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit, dass ZIA die Bündnisvereinbarungen gut kenne. "Es bestand deshalb kein Bedarf, sie nochmals zu erläutern." Der Verband habe dem Senat mitgeteilt, dass er auf seine Mitglieder - also auch Heimstaden - einwirke.

Offenbar hofft auch der Senat darauf, dass Immobilienkonzerne freiwillig auf Mieterhöhungen verzichten. Bisher seien dem Senat Verstöße auch nur indirekt über die Medienberichterstattung bekannt geworden. "Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nimmt in Fällen, die ihr bekannt geworden sind, und sich nicht im Dialog unter den Beteiligten ausräumen ließen, Kontakt mit den Bündnispartnerinnen und -partnern auf, um gegebenenfalls aufgetretene Fragen zu klären."

Zwei Partner sind für maximale Mieterhöhung aus Bündnis ausgetreten

Dass die Hoffnung nicht aufgeht, zeigen Beispiele zweier weiterer Bündnispartner: Covivio war über den Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen am Bündnis beteiligt und hat sich auch in einem ersten Schwung von Mieterhöhungen nicht an Abmachungen gehalten. Zuletzt trat die Adler Group aus dem gleichen Grund aus.

"Die Idee ist nicht verkehrt, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen, um gemeinsam an Lösungen für den angespannten Wohnungsmarkt zu finden", sagt Werner. Doch für Verträge miteinander brauche es auch Möglichkeiten, Bußgelder anzudrohen oder andere Sanktionen, wenn sich an Abmachungen nicht gehalten werde. Zudem glaube sie, dass viele Immobilienunternehmen nur beigetreten seien, weil das Bündnis vor allem den Neubau im Fokus habe. "Da versprechen sich die Unternehmen vielleicht auch von einer Teilnahme ein gewisses Entgegenkommen des Senats beim Wohnungsneubau." Maßnahmen im Wohnungsbestand und Mieterschutz spielten im Bündnis eine eher untergeordnete Rolle, kritisiert die Mieterverein-Sprecherin.

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Wie geht's für die Heimstaden-Mieter weiter?

Wie also geht es unter den aktuellen Voraussetzungen weiter für die mehr als 6.500 Heimstaden-Mieter? Die Initiative "Stop Heimstaden" versucht, alle Betroffenen schnell an fachkundige Berater und Hilfsorganisationen zu vermitteln. "Wir informieren alle 20.000 Heimstaden-Mieter:innen", so das Initiativen-Mitglied Ira. Zudem sei die Initiative mit solidarischen Anwält:innen und dem Mieterverein in Kontakt.

Für besseren Mieterschutz bräuchte es Gesetzesänderungen auf Bundesebenen, sagt Werner, Berlin habe beim Mietrecht wenig Spielraum. Im Koalitionsvertrag der Ampel wurde vereinbart, dass die Kappungsgrenze in angespannten Wohngebieten von 15 auf elf Prozent abgesenkt wird. "Wir fordern, dass dies endlich umgesetzt wird. Allerdings wird das von der FDP und Bundesjustizminister Buschmann bislang blockiert."

Der Senat wiederum sollte ihrer Meinung nach die Bündnisregelungen schärfen. Doch viel Hoffnung habe sie hier nicht - sie sehe das Bündnis eher als kraftlos an.

*Namen auf eigenen Wunsch anonymisiert oder unvollständig, weil die porträtierten Mieterinnen und Mieter Konsequenzen ihres Vermieters Heimstaden befürchten. Die Namen sind der Redaktion bekannt.

Sendung: rbb24 Abendschau, 03.11.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Jenny Barke

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