Baustopp in Berlin - Signa-Konzern in der Krise: "Damit herrscht Alarmstimmung"

Do 09.11.23 | 06:31 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Karstadt Filiale am Hermannplatz in Neukölln
Audio: rbb24 Inforadio | 09.11.2023 | Dörte Nath, Angela Ulrich | Bild: Bildagentur-online

Die Krise bei Signa spitzt sich zu: Alle Bauprojekte in Berlin wurden gestoppt, ein Sanierungsexperte hat das Ruder übernommen, und die Investoren verlieren das Vertrauen. In der Landespolitik werden Rufe nach harten Konsequenzen laut. Von Sebastian Schöbel

  • Immobilienexperten schätzen Rettungschancen für Signa niedrig ein
  • Senat bleibt bei Bebauungsplänen für Signa-Projekte am Hermannplatz und am Ku'damm
  • Grüne fordern Ende der Zusammenarbeit mit Signa

Einen guten Moment für eine wirtschaftliche Krise gibt es nicht. Aber dass die Signa-Holding des Immobilieninvestors René Benko ausgerechnet jetzt in Schieflage geraten ist, dürfte eine Rettung besonders schwierig machen. Der Markt für Gewerbeimmobilien, speziell Bürogebäude, sei zurzeit besonders herausfordernd, sagt Alexander Fieback, Immobilienökonom bei der Forschungs- und Beratungsgesellschaft Bulwiengesa in Berlin. "Der ganze Markt ist im Krisenmodus."

Nicht nur die Zinswende mache der Branche zu schaffen, sondern auch die weiter steigenden Baukosten. Dazu kommt, so Fieback, dass durch die neue Homeoffice-Kultur der Bedarf an Bürogebäuden, wie Signa sie im Portfolio hat, sinkt. "Die Investoren stehen nicht gerade Schlange." Schnell an Geld zu kommen, indem man Immobilien in guter Lage abstößt, könnte sich also als schwierig erweisen.

Grüne wollen Stopp aller Planungen

Dass die Grünen in Berlin bei Signa nun politisch die Daumenschrauben anziehen wollen - mit einem Moratorium auf die bisher noch laufenden Planungsverfahren für das Karstadt-Warenhaus am Hermannplatz und das Bauvorhaben auf dem Kurfürstendamm - hält Fieback für den falschen Schritt. "Das wird die Sache nicht einfacher machen. Wenn sie nicht mal einen Bebauungsplan haben, werden Investoren nicht das Risiko eingehen, da zu investieren oder die Sache sehr genau prüfen, was Zeit kostet."

Dieses Risiko sieht auch Berlins Bausenator Christian Gaebler (SPD). "Wer dies fordert, nimmt billigend in Kauf, dass wichtige Projekte zur Entwicklung der Berliner Zentren und zahlreiche Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt werden", teilte ein Sprecher seiner Verwaltung auf rbb-Nachfrage mit. Man halte an den Bebauungsplänen für beide Signa-Projekten fest, so Gaebler. Denn an beiden Standorten seien auch Wohnungen und Flächen für den Gemeinbedarf geplant, die man nicht gefährden wolle.

"Die Zusammenarbeit muss beendet werden"

Die Grünen aber hoffen, die Signa-skeptische Stimmung des früheren Koalitionspartners SPD nutzen zu können: Schließlich hatten sich die Sozialdemokraten bei einem Parteitag im Frühjahr schon klar gegen Benkos Hochhauspläne am Kurfürstendamm und am Hermannplatz ausgesprochen. "Der Konzern steht de facto vor den Ruinen seines Geschäftsmodells", sagte der grüne Stadtentwicklungsexperte Julian Schwarze dem rbb. "Für Berlin bedeutet das, dass Signa kein Partner mehr sein kann und die Zusammenarbeit beendet werden muss." Die versprochenen Investitionen in die Warenhäuser seien nie erfolgt, so Schwarze, nun drohe auch noch der Verkauf der Filialen, die der Senat mit seiner Vereinbarung sichern wollte. Dem Konzern am Hermannplatz und am Kurfürstendamm auch noch Baurecht zu erteilen, würde lediglich den Verkaufswert der Grundstücke in die Höhe treiben, "ohne zu wissen, was für die Stadt dabei herausspringt".

Ich glaube, dass es auf ein Insolvenzverfahren hinausläuft.

Gerrit Heinemann, Wirtschaftswissenschaftler

Signa-Krise ist auch für Warenhäuser gefährlich

Dass die Schieflage der Signa Holding auch die Warenhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof in Gefahr bringt, steht für den Handelsexperten Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein bereits fest. Er sehe nur noch zwei Optionen: Entweder der neu eingesetzte Signa-Beiratschef Arndt Geiwitz sucht den außergerichtlichen Vergleich mit Signas Gläubigern, oder es stehe ein Insolvenzverfahren an. "Die Situation wird nicht besser, die Banken sind in Aufruhr, und damit herrscht Alarmstimmung."

Heinemann kritisiert, dass von den 200 Millionen Euro, die der Mutterkonzern Signa nach der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof in alle Warenhäuser stecken wollte, nur ein kleiner Teil wirklich gezahlt worden sei. Mehr Geld werde nun angesichts der aktuellen Probleme nicht mehr kommen. Zudem drohe ein mageres Weihnachtsgeschäft. "Sollte es auf eine weitere Insolvenz hinauslaufen, dann ist nicht zu erwarten, dass von der Signa-Gruppe Gelder zugeschossen werden. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Warenhäuser", sagt Heinemann. Benko müsse nun Transparenz in sein komplexes und teils hoch verschuldetes Firmengeflecht bringen. "Ich glaube, dass es auf ein Insolvenzverfahren hinausläuft."

Kritik an Vereinbarung zwischen Senat und Signa

Die Situation hätte man kommen sehen müssen, so Heinemann: Vereinbarungen wie in Berlin der "Letter of Intent" mit dem damals rot-grün-roten Senat - bei dem Signa Zugeständnisse für diverse Bauprojekte gemacht wurden, wenn im Gegenzug Warenhäuser erhalten bleiben - seien rückblickend ein Fehler gewesen. "Alles, was auf Kommunal- und Bundesebene gedealt worden ist, war mehr als naiv."

Gewinner der Signa-Krise könnten diejenigen sein, die aktuell nach günstigen Bürogebäuden Ausschau halten, sagt Immobilienexperte Fieback. "Die Preise sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gefallen." Dazu könne, zumindest theoretisch, auch die öffentliche Hand gehören, so der Experte. Dass das Land Berlin immer auf der Suche nach Immobilien in guter Lage ist, zeigte zuletzt die Diskussion um den Kauf des Quartiers 207 in der Friedrichstraße. Das galt als möglicher Standort der Zentral- und Landesbibliothek. Doch bei der angespannten Berliner Kassenlage dürfte eine Schnäppchenjagd im Signa-Portfolio derzeit kaum realistisch sein.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.11.2023, 6 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

21 Kommentare

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  1. 21.

    Ihnen leuchtet einiges an Zusammenhängen nicht ein.

    "Doch Mietsteigerungen sind nicht die einzige Gefahr, die das Projekt mit sich bringt. Nach dem Umbau soll die Karstadtfi­lia­le deutlich verkleinert werden. Dafür sollen fast 50.000 Quadratmeter Bürofläche entstehen. Bei vergleichbaren Großprojekten in Berlin, wie beim Zalando-Campus oder beim Amazon-Tower, ziehen voraussichtlich zahlungskräftige Unternehmen ein. Die gutverdienende, oft internationale Belegschaft hat andere Bedürfnisse als die lokale Bevölkerung.

    „Die Leute, die da reinkommen, sind eine komplett neue Klientel“, sagt die Architektin Niloufar Tajeri, die sich seit Jahren in der „Initiative Hermannplatz“ gegen den Karstadt-Umbau engagiert. „Signa ist interessiert daran, dass sich die Läden in der Umgebung verändern.“ Also Zara statt Brautmode und Starbucks statt Mokka. "

  2. 20.

    Warum ist eine Aufstockung des Karstadt am Hermannplatz gleichbedeutend mit Gentrifizierung. Leuchtet mir überhaupt nicht ein.

  3. 19.

    Ja, das stimmt. Aber vielleicht kommt es daher, um das Investment in die eigene Immobilie in Kreuzberg zu sichern. Nicht auszudenken, wenn auch Neukölln jetzt hipp würde. Dann hätte Berlin einen Schritt weiter zum Image einer Bundeshauptstadt unternommen. Das wäre... ganz prima!

  4. 18.

    " In der Kommunikation der Grünen wird so getan, als ob das jetzige "Biotop" vom Hermannplatz so wahnsinnig schützenswert sei. "

    Das haben sie sich ausgedacht, wie kommen sie denn darauf? Und die "Strategie" der Gentrifizierung bringt genau was?

  5. 17.

    Es geht nicht um ein ewiges Jasagen. Es geht darum, überhaupt etwas zu entwickeln. In der Kommunikation der Grünen wird so getan, als ob das jetzige "Biotop" vom Hermannplatz so wahnsinnig schützenswert sei.
    Dem kann ich überhaupt nicht folgen. Das ist an Strategie für die weitere Entwicklung am Hermannplatz schlicht zu wenig..

  6. 16.

    "Neinsagen ist keine Gestaltung der Zukunft. "

    Die ewigen Jasager, die dafür die Hand aufhalten erst recht nicht, man sieht ja was dabei herauskommt.

  7. 15.

    "...dort jetzt bin" ist auch zulässig
    Die Verwahrlosung dort hat etwas mit der Politik zu tun, die in Berlin im Allgemeinen und in Kreuzberg im Speziellen gemacht wird. Der öffentliche Raum wird mehr oder weniger bewusst sich selbst und Vandalen überlassen. Man pflegt nichts mehr. Vergammeltes gilt bei vielen als "weltstädtisch".
    Alles Schöne (ein neues Karstadtkaufhaus z. B.) als spießig.
    Dabei ist dieser Fetisch und das Schönreden der Verwahrlosung ein Zeichen von Provinzialität, auch von kultureller Grobheit und Bildungsferne.
    Dazu kommt eine betont investorenfeindliche Politik. Es fließt zu wenig Geld in die Stadt. Ein (gewollter?) sich selbst verstärkender Kreislauf. Fatal für Berlin und seine Einwohner.

  8. 14.

    "Wenn ich dort jetzt bin..." sollte grammatikalisch "Wenn ich jetzt dort bin..." lauten. Sieht nicht besonders gut aus, wenn jemand korrigiert und im selben Text Fehler macht.
    Egal.
    Warum wird dort kein Wohnkomplex geplant, wenn Büros nicht mehr so nachgefragt sind? Aber lieber Grünflächen verbauen (Flughafen Tempelhof zu. B.)
    Und was hat die Vernachlässigung des Platzes mit den Privatinvestoren, denen nur der Gewinn interessiert, zu tun?

  9. 13.

    "Multikulti" beinhaltet den Begriff Kultur.
    Ich denke, wer Sinn für Kultur hat, dem ist Ästhetik nicht unwichtig, der kann auch eine Verwahrlosung des öffentlichen Raumes nicht gut finden.
    Ich persönlich fände es sehr schade, wenn aus dem Projekt der Aufstockung und Renovierung des Kaufhauses am Hermannplatz nichts werden sollte.

  10. 12.

    Der Baustadtrat Florian Schmidt war von an Anfang an gegen eine Verbesserung der baulichen Situation am Hermannplatz. Unabhängig vom jetzigen Desaster bei Signa fand ich das destruktiv und unangenehm.
    Neinsagen ist keine Gestaltung der Zukunft.

  11. 10.

    Das ist unsere Interpretation von Multikulti und schön, muss nicht jedem gefallen, is auch klar, is aber auch egal

  12. 9.

    Und was genau hat ihr polemischer Kommentar mit dem Vollversagen an der Spitze von Signa zu tun?

  13. 8.

    Was ist am gegenwärtigen Zustand des Hermannplatzes denn so furchtbar erhaltenswert, dass angeblich "viele AnwohnerInnen" das konservieren wollen?
    Der Verfall?

  14. 7.

    Nicht nur die Grünen wollten die Pläne für den Hermannplatz nicht, auch viele AnwohnerInnen sind dagegen. Und einem mutmaßlich insolventen Konzern Baurecht erteilen ist zusätzlich riskant.

  15. 6.

    Die Opposition kommt ihrer Aufgabe nach. Sie plustert sich medienwirksam auf. Schade, dass die nicht auch andere Fehler einsehen will. Gerade bei Frau Jarasch ist die Liste lang.

  16. 5.

    Immer noch Hermannplatz. Mit einem "r"
    Leider ein sehr heruntergekommener Platz mittlerweile. Eine ungute Entwicklung dort. Den Platz kenne ich seit den 80er Jahren. Er war damals wesentlich gepflegter als heute.
    Wenn ich dort jetzt bin, wirkt der Platz und die Umgebung verslumt. Traurig. Scheint vom Bezirk aber offenbar so gewollt zu sein. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum dieser Zustand so toleriert und hingenommen wird.
    Es ist das Gegenteil von schön.

  17. 4.

    Jetzt die Gelegenheit ergreifen und die Zentralbibliothek am Herrmannplatz verwirklichen - statt die Grünfläche am Blücherplatz zu betonieren :)

  18. 3.

    Homeoffice klärt schon

  19. 2.

    Die Grünen wollten den Umbau von Karstadt am Hermannplatz von Anfang an nicht. Baustadtrat Schmidt fiel unangenehm durch seine permanente Destruktivität auf.
    Eigentlich hat Berlin solches politisches Personal nicht verdient.

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