Fehlende Papiere und Regelverstöße - Gewerkschaft sieht "viele schwarze Schafe" im Sicherheitsgewerbe

Di 05.12.23 | 20:38 Uhr
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Menschen registrieren sich in der Empfangshalle des Ankunftszentrums Tegel. (Quelle: dpa/Carsten Koall)
Bild: dpa/Carsten Koall

Bei einer Razzia in einer Geflüchteten-Unterkunft in Berlin konnten Dutzende Sicherheitsmitarbeiter keine korrekten Papiere vorweisen. Die Gewerkschaft Verdi zeigt sich wenig überrascht. Doch wo hakt es in der Branche?

Weihnachtsmärkte, Flüchtlingsheime, Schwimmbäder - in Deutschland werden immer mehr Sicherheitsdienstleistungen nachgefragt. In diesem Jahr dürfte der Umsatz bundesweit auf elf Milliarden Euro steigen. Der größte Auftraggeber ist die öffentliche Hand.

Allein in Berlin arbeiteten 2019 laut dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft rund 360 Unternehmen in der Branche - angefangen bei kleinen Firmen mit rund 20 Mitarbeitern bis zu international tätigen Dienstleistern, die zehntausende Menschen beschäftigen. Insgesamt sind in der Hauptstadt rund 24.000 Menschen im Sicherheitsgewerbe tätig.

Polizei: 87 Sicherheitsmitarbeiter hatten keine ordentlichen Papiere

Eine Berliner Firma ist beispielsweise damit betraut, am Ankunftszentrum Tegel für Sicherheit zu sorgen; zuletzt waren dort 183 Mitarbeiter in dieser Einrichtung präsent. Bei einer Razzia am Montag stellten Zollbeamte und Polizisten aber bei 87 von ihnen Verstöße gegen die Bewachungsverordnung fest. 55 von ihnen mussten ihre Arbeit sofort einstellen. Laut Polizei Berlin fehlten etwa Nachweise, dass die Mitarbeiter für die Arbeit in dem Ankunftszentrum entsprechend geschult waren.

Auch seien Mitarbeiter nicht im sogenannten Bewacherregister eingetragen, hieß es. Schließlich fehlten auch Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Sie sollen sicherstellen, dass Mitarbeiter beispielsweise keine Vorstrafen haben, die sie für die Arbeit ungeeignet machen. So dürfen Sicherheitsmitarbeiter, die in einem Ankunftszentrum arbeiten, nicht wegen Körperverletzung vorbestraft sein.

Firmen müssen oft lange auf Dokumente warten

Dem rbb teilte das Unternehmen mit, nicht alle Mitarbeiter seien mit Sicherheitsaufgaben betraut gewesen - in diesen Fällen seien die Dokumente eventuell gar nicht nötig gewesen. Es solle jedoch Überprüfungen geben.

Ersten Erkenntnissen zufolge hatten fast die Hälfte der im Ankunftszentrum tätigen Angestellten keine ordentlichen Papiere. "Mich überrascht das gar nicht", sagt Christian Schadow von der Gewerkschaft Verdi und nennt mehrere mögliche Gründe: So müssen die Behörden für die Zuverlässigkeitsüberprüfung etwa das Führungszeugnis einsehen. Das muss man allerdings erstmal beantragen und dann oft Wochen warten. "Aus Branchenkreisen hört man, dass während dieser Wartezeit einige Firmen oft schon Aufträge annehmen, die dann erfüllt werden müssen. Da gibt es viele schwarze Schafe", so Schadow weiter.

Branche ist unübersichtlich

Außerdem könnten Sicherheitsfirmen fast nur an Arbeitskosten sparen, wenn sie bei Ausschreibungen ein besseres Angebot als die Konkurrenz machen wollen. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass Firmen nicht nur bei Lohnzuschlägen, sondern auch bei Qualifikationsnachweisen nicht ordentlich arbeiten. Schließlich ist die Branche laut Schadow sehr kleinteilig: Sie besteht neben einigen großen Unternehmen vor allem aus vielen kleinen Firmen.

Das Gewerbe bringt es mit sich, dass die Mitarbeiter oft in Schichtdiensten an verschiedenen Orten arbeiten - auch nachts, allein oder in kleinen Gruppen. Die Einhaltung des Arbeitsrechts sei daher schwer zu kontrollieren, so Schadow. Auch die gewerkschaftliche Arbeit werde dadurch erschwert.

Generell herrsche in der Branche seit der hastigen Eröffnung von vielen Flüchtlingsheimen im Jahr 2015 "Goldgräberstimmung", meint Schadow. Seitdem habe sich die Lage zwar etwas entspannt. Aber immer noch könne es sein, dass Firmen schnell viele Mitarbeiter für relativ einfache Arbeiten wie in dem Ankunftszentrum rekrutieren wollen und deshalb bei Qualifizierung und Registrierung nicht sorgfältig arbeiten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 5.12.23

13 Kommentare

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  1. 13.

    @ Achtung, es blümelt wieder! Es ist nicht soo schlimm wenn man nicht alle Regierungen im Roten Rathaus zusammen bekommt. Aber dafür gibt's ja Google.

  2. 12.

    Dass sich bei diesen sogenannten "Sicherheits"firmen allerlei Gelichter als Mitarbeitende sammelt ist doch seit Jahrzehnten bekannt. Das war mir schon klar, obwohl ich, altersbedingt, erst ab Mitte der 2010er Jahre vermehrt mit der "Türsteherproblematik" in Kontakt gekommen bin.
    Eine "Verwaltung" oder "Aufsichtsbehörde", die sich JETZT da aus der Verantwortung ziehen will, ist einfach verlogen. Verlogen auf Kosten auch meiner Steuern, die ich bezahle.
    Niemand hat dieses, ich will sagen allgemein bekannte, Problem seit Jahrzehnten angefasst, niemand.

  3. 11.

    "...trotz fehlendem Meisterbrief dutzende Friseurläden ..."
    Jede Wette, das, zumindest auf dem Papier, ein Meister als Betriebsleiter beim Inhaber angestellt ist. 2004 wurde die Handwerksordnung novelliert. Da geht einiges.

  4. 10.

    Immer mehr Personal bei der Paketzustellung kommt dadurch zustande, dass immer mehr Dinge und Gerätschaften bestellt werden, anstatt das - wie zuvor - vor Ort zu kaufen, nachdem es in der Hand und vor den Augen lag.

    Nach der Durchkommerzialisierung der Paketzustellung sind die Arbeitsbedingungen dort recht hemdsärmlig geworden und das bezieht sich auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten.

  5. 9.

    Ein Problem zieht das andere nach sich.

    Man braucht immer mehr Personal weil immer mehr Leute herkommen.
    Sicherheitskräfte, aber auch Lehrer, Erzieher usw. Es gibt aber zu wenig qualifiziertes Personal, also nimmt man Quereinsteiger und weniger/nicht Qualifizierte. Das Ergebnis: überall sinkt das Niveau. Siehe Pisa.
    Deutschland nimmt zwar viele Flüchtlinge auf, versinkt aber in der Mittelmäßigkeit.

    Es braucht dringend eine Strategie und auf längere Sicht angelegte Lösungen.

  6. 8.

    Unter dem Deckmantel der Marktwirtschaft geht inzwischen so viel. Offenbar können einschlägig Vorbestrafte Sicherheitsunternehmen gründen (Rockerformationen u. Mitglieder v. bekannter Großfamilien), werden trotz fehlendem Meisterbrief dutzende Friseurläden eröffnet, Arbeitszeit- u. Versicherungsnachweise in Gastro, bei Mietwagenunternehmen werden nicht kontrolliert ... Wie immer gilt: Man muss die Einhaltung von Gesetzen auch kontrollieren, sonst sind sie wertlos.

  7. 7.

    Bei Aufnahme der Zätigkeit sind diese Dokumente vorzulegen und ggf. Kopien zu hinterlegen.
    In anderen Situationen gilt auch, fehlen die Papiere ist keine Erlaubnis vorhanden diese Tätigkeit auszuführen.

  8. 6.

    Seit den 90er Jahren, unter RRG,"
    Es wäre ja noch schöner, wenn man nicht aus jeder Meldung ein Gemeckere über die Grünen, die Linken und die spd machen könnte.
    Da kann kommen was will.

  9. 5.

    Gehen wir Mal aus: 12€ Std. Lohn für die Angestellten. 100 MA in der Nacht = 9600 €, x 7 Tage die Woche= 67000,-€, mal 4 Wochen =
    268,800,- € Minimum. Da 12 € nicht passt kommt ja noch was drauf, für den Verdienst der FA.
    Also, kleine Betriebe haben mehr zu knappen, aber hier.. ..... rechnet sich doch ! Berlin bezahlt.

  10. 4.

    Wo hat in den 90er Jahren RRG regiert? @alle: Was ist, wenn die Mitarbeiter die geforderten Dokumente zuhause vergessen haben?

  11. 3.

    Eine Bruchlandung mit Ansage. Seit den 90er Jahren, unter RRG, wurde der Sicherheitsbereich, sprich Polizei zusammengestampft. SPD wollte sparen, da ja nur noch "mündige Bürger" unterwegs seien, der gerufene Polpräs aus NRW war der Meinung, was in Essen reicht, reicht auch für Berlin, die PDS wollte die Relikte des Kalten Krieges entsorgen, und Grün war jeder Dienstwaffenträger einer zuviel. Nun wird statt in Beamte und Angestellte zu investieren, das Geld doppelt in dubiose Firmen gesteckt.

  12. 2.

    Es ist gut mögl., dass vieles im Behörden-Ping-pong untergeht. Im BL Bbg. wird das m. Sicherheit schärfer kontrolliert/überwacht als hier in Berlin. Und es wird m.E. auch härter durchgegriffen. Ohne Papiere an Mann/Frau braucht man quasi seine Schicht gar nicht anzutreten. Das gesamte Betreuungsteam musste voll mit Interna u. nachgewiesenen Unterlagen incl. eines akt. erw. Führungszeugnisses an das federführende Amt gemeldet werden. Eine quasi Freigabe/in etwa Erlaubnis zum Betreten des Objektes gab es nur für die gemeldeten Personen. Demzufolge wird Berlin seinen Aufgaben nicht gerecht! Es müsste doch von allen Seiten die freiwill. Bereitschaft vorhanden sein, seine Papiere, seine Crew zu legitimieren. Wer da aus dem Rahmen fällt..., abtreten, wie geschehen. Ohne wenn u.aber! Das kann sich kein Team leisten, dass mit Messern da aufeinander losgegangen wird. Dazu hat die Gewerkschaft wenig zu vermelden. Sicherheit geht vor! Alle!Dokumente haben vor Arb-antr. vollständ.vorzuliegen!Punkt

  13. 1.

    Die Öffentliche Hand hat längst den Überblick verloren: sie ist nicht mal in der Lage, die rekrutierten S-Firmen zu überwachen und zu beaufsichtigen. Die Dinge sind dem Selbstlauf überlassen. Man möchte persönlich nie mit solchem S-Personal zu tun haben und sieht auch schon, dass das nichts Ordentliches werden kann.
    Das Amt indes lehnt sich zurück: alles Notwendige ist eingeleitet, und gezahlt wird aus Steuergeldern.
    Tatsächliches, professionell generiertes Sicherheitspotenzial?: keines.

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