Weihnachtsgeschenke und Inflation - Nachhaltigkeit nicht um jeden Preis

Mo 18.12.23 | 06:18 Uhr
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Symbolbild: Eine Frau hält einen Stapel verpackte Weihnachtsgeschenke vor einem Weihnachtsbaum in den Händen. (Quelle: dpa/Simon)
Audio: rbb24 Inforadio | 18.12.2023 | Karl Winterhagen | Bild: dpa/Simon

Viele Menschen wollen zu Weihnachten nachhaltige Produkte verschenken – aber die haben ihren Preis. Und den können in Zeiten von Inflation und Krise offenbar viele nicht mehr zahlen. Von Carl Winterhagen

  • Umfrage zeigt: Unter dem Tannenbaum werden weniger nachhaltige Produkte liegen
  • Inflation ist Hauptgrund für die Kaufzurückhaltung, Verbraucher sind "preissensibler"
  • Nahezu jeder Dritte will Second-Hand-Produkte verschenken

Alle Jahre wieder nehmen die Forscher der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) das Weihnachtsgeschäft in Deutschland unter die Lupe. Seit 2021 stellen sie den Befragten dabei auch die Frage, ob sie beim Geschenkekauf auf die Nachhaltigkeit der Produkte achten. Wie sie Nachhaltigkeit definieren, ist den Befragten dabei selbst überlassen.

In diesem Jahr ist der Anteil der Befragten gesunken, die diese Frage mit Ja beantworten: Statt 56 Prozent wie im Jahr 2022 geben nur noch 52 Prozent an, nachhaltige Geschenke zu kaufen. Das entspricht dem Niveau von vor zwei Jahren.

Fair-Fashion-Branche unter Druck

Nachhaltige, unter fairen Bedingungen produzierte Produkte haben ihren Preis. Zum Beispiel Kleidung: Faire Löhne für Arbeiter in Textilfabriken, umweltfreundliche und langlebige Materialien sowie kleinere Stückzahlen in der Produktion müssen bezahlt werden. Während eine Jeans im Laden einer großen Modekette für um die 30 Euro zu haben ist, kostet sie im Fair-Fashion-Shop von Moritz Marker mindestens das Vierfache.

Marker ist Mit-Geschäftsführer von drei Läden für nachhaltige Mode in Berlin und einem dazugehörigen Online-Shop. Er bekommt die Kaufzurückhaltung bei nachhaltigen Produkten deutlich zu spüren. In diesem Jahr seien insgesamt weniger Kunden gekommen. Und die, die kämen, überlegten sich genau, wie viel sie kaufen. "Das ist dann oft ein Pulli weniger als früher", sagt der Unternehmer. Stattdessen würden die Kunden wieder vermehrt auf Fast-Fashion-Produkte zurückgreifen. "Man kann es den Menschen auch nicht so richtig verübeln, wenn im Supermarkt alles plötzlich doppelt so viel kostet", so Marker.

Unter diesen Bedingungen habe er in diesem Jahr schweren Herzens einen seiner Läden schließen und drei Mitarbeitenden kündigen müssen. Eine Abfrage bei anderen auf nachhaltige Mode spezialisierten Läden in Berlin zeigt: Marker ist nicht der einzige, bei dem die Nachfrage zurückgeht.

Günstiger Preis schlägt Nachhaltigkeit

Die GfK-Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz führt die Veränderung vor allem auf die durch die Inflation gestiegenen Preise zurück: "Wir sehen, dass bei den Menschen die Sorge vor der Inflation und steigenden Preisen gerade an erster Stelle steht – gerade bei denen, mit geringeren Einkommen."

Neben den Untersuchungen der GfK unterstützt auch eine Umfrage des Wirtschaftsunternehmens Deloitte die These, dass die Deutschen weniger nachhaltig einkaufen. Darin heißt es, dass nur noch 45 Prozent der Befragten in den letzten vier Wochen nachhaltige Produkte gekauft hätten. Vor zwei Jahren lag der Wert noch bei 59 Prozent. Die Gründe für den Rückgang: allgemeine Preissteigerungen und das hohe Preisniveau nachhaltiger Produkte.

Diese Kaufzurückhaltung bestätigt auch Nils Haverkamp vom Handelsverband Berlin-Brandenburg: "Die Menschen sind in diesen Zeiten sehr preissensibel geworden." Er sieht die Entwicklung aber nicht nur auf nachhaltige Produkte begrenzt und betont, dass die Handelsbranche generell sehr von der Zuversicht der Kundinnen und Kunden abhänge – die im Moment schlicht nicht gegeben sei.

Trend zu Second-Hand-Geschenken

Trotz der Teuerung gibt die GfK-Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz zu bedenken, dass sich das Thema Nachhaltigkeit bei den Verbrauchern nicht auf einmal in Luft aufgelöst habe: "Es ist immer noch über die Hälfte der Befragten – 52 Prozent – die sagt: 'Beim Geschenkekauf ist mir das Thema Nachhaltigkeit wichtig.'"

Dass sich viele Menschen zwar für den Faktor Preis, aber damit nicht automatisch gegen Nachhaltigkeit entscheiden, zeigt auch ein anderer Trend aus der GfK-Untersuchung: 28 Prozent der Befragten gaben an, zu Weihnachten auch Second-Hand-Produkte verschenken zu wollen.

 

Sendung: Inforadio, 18.12.2023, 09:00 Uhr

12 Kommentare

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  1. 12.

    Jo, Socken, Schlipse und Schluck sind von gestern. Ich bin ein "Scheinwerfer". Im bescheidenen Stil. Trotzdem gern gesehen. Außerdem verschenke ich selbst gezogene Avocado Bäumchen. Jeder SO WIE ER MAG. Und kann.

  2. 11.

    Dann können wir ja ohne Sorgen so weitermachen wie bisher.

  3. 10.

    Ich verschenke grundsätzlich keine Gutscheine, sondern Bargeld an Kinder und Enkel. Die Kinder stecken es in die Urlaubskasse für den Familienurlaub und die Enkel haben nach 16 Runden Weihnachts- und Geburtstagsgeld die Kohle für den Führerschein zusammen. Noch nachhaltiger geht's nicht, total ohne Plastik und ohne Ausbeutung
    Dritter irgendwo auf der Welt.

  4. 9.

    Sehr schöne Idee und Einstellung zum Thema Feiertage. Die ZEIT, die uns BLEIBT, sollte man wirklich sinnvoll nutzen. Materielle Geschenke sind im fortgeschrittenen Erwachsenenalter echt relativ.

  5. 8.

    Ja, bei uns ist es genauso. Seit Jahren schenken wir total nachhaltig - nämlich ein Lächeln, ein offenes Ohr, gemeinsames Kochen und Plätzchen backen und besinnlich an Weihnachten zusammen sitzen und sich gegenseitig ZEIT schenken. Davon haben wir viel mehr als dieser endlose Güterkonsum...

  6. 6.

    Wir sind nachhaltig und schenken uns in der Familie Nichts mehr.Man hat alles,wenn man was braucht,weil es einfach nicht mehr reparabel ist dann wird neu mit Qualität gekauft.Aber auch nicht zu jedem Preis.Vieles bekommt aber auch so,weil manche nur Konsumsüchtig sind,die Sachen aber nie anziehen.

  7. 5.

    Im Gegenteil, der Verstand setzt ein. Denn die behauptete Nachhaltigkeit stellt sich zumeist als Fake zum Zwecke der Gewinnmaximierung dar.

  8. 4.

    Für Textilien und andere Dinge, die nach sozialeren Standards und mit weniger ökologischen Auswirkungen produziert sind, muss man ja nicht zwingend den vierfachen Preis bezahlen, da gibt es auch weit Günstigeres. Dennoch ist eins klar und logisch: wenn man weg will von der Ausbeutung anderer Menschen und der Natur, muss man faire Preise zahlen. Und die sind in vielen Fällen höher als aktuelle Discounterpreise - aber andererseits durchaus nicht teurer als gehypte Designerware! - Jedenfalls denken wir in Deutschland wohl oft immer noch, wir hätten einen Anspruch darauf, einfach alles neu, sofort und richtig günstig zu bekommen. Dauerhafte praktische Solidarität auf Augenhöhe, die über Lippenbekenntnisse und gelegentliche Spenden hinausgeht, ist oft immer noch ein Fremdwort.

  9. 3.

    Bei Klamotten achte ich, auch unabhängig von Weihnacht, schon immer auf Qualität und/oder Einsatzabsichten.
    Ob "Fair-Fashion" oder "Fast-Fashion" darauf achte ich nicht.
    Wenn ich mir ein einfarbiges "schweres" Nicki hole kann ich es unter Umständen Jahrelang tragen.
    Ein fast transparentes "Fair-Fashion"-Teil dagenen nur zwei Wochen.
    Und in Deutschland/EU Produziertes hat auch einen teils recht hohen Preis, oder zählt das bereits zu "Nachhaltige, unter fairen Bedingungen produzierte Produkte"?

  10. 2.

    Reden und Handeln sind 2 völlig unterschiedliche Dinge, da hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Beim Handel/Kaufen setzt dann der Verstand zu 99% aus.

  11. 1.

    „ "Es ist immer noch über die Hälfte der Befragten – 52 Prozent – die sagt: 'Beim Geschenkekauf ist mir das Thema Nachhaltigkeit wichtig.'"
    Wenn wir verbal kundtun können was gut und richtig ist, sind wir immer vorn dabei… und trotzdem stehen Playstation oder Spiele dafür, Handys usw. auf dem Wunschzettel.

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