Vermittlung über Mobilitäts-Apps - Mindestens jedes fünfte in Berlin buchbare Auto fährt ohne Konzession

Di 20.02.24 | 06:04 Uhr | Von Jana Göbel und Sascha Adamek
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Eine Frau öffnet eine Autotür. (Quelle: imago-images/Pond5 Images)
Video: rbb24 Abendschau | 20.02.2024 | J. Göbel / S. Adamek | Bild: imago-images/Pond5 Images

In Berlin sind mindestens 1.000 Autos ohne Konzession über Plattformen wie Uber, Bolt und Freenow buchbar. Die Kontrollbehörde spricht von "organisierter Kriminalität". Die Verbraucherzentrale warnt vor Gefahren für die Fahrgäste. Von J. Göbel und S. Adamek

Die Fahrt vom Checkpoint Charlie zum Alex kostet mit 3,10 Euro weniger als ein BVG-Einzelfahrausweis. Doch das per App bestellte Auto hat keine Konzession. Der Fahrer sagt auf Nachfrage, er habe davon keine Ahnung, er fahre für ein Subunternehmen.

Wer Touren über Plattformen wie Uber, Bolt oder Freenow bestellt, läuft Gefahr, in ein illegales Fahrzeug einzusteigen. Sie vermitteln Fahrten mit sogenannten Mietwagenfirmen, denen die Autos gehören.

In Berlin hat nach Informationen von rbb24 Recherche mindestens jedes fünfte solcher Autos keine Genehmigung, bei rund 4.500 gültigen Fahrzeug-Konzessionen in Berlin (Stand: Januar 2024). Das bestätigt auch das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo). Branchenkenner rechnen mit einer noch viel größeren Dunkelziffer.

Gefahren für die Fahrgäste

So erklärt der verkehrspolitische Sprecher der Berliner SPD-Fraktion Tino Schopf, er gehe von mindestens 2.000 Fahrzeugen aus, die ohne Konzession unterwegs sind. Auch Alexander Mönch, Präsident der Plattform Freenow in Deutschland und Österreich, hält diese Schätzung nicht für abwegig: "Ich kann selbst nicht ausschließen", so Mönch im rbb-Interview, "dass illegale Fahrzeuge über unsere Plattform vermittelt werden."

rbb|24-Recherche hat Firmen ausfindig gemacht, die gar nicht existieren und in Berlin dennoch über Apps wie Uber, Bolt und Freenow vermittelt werden. Darunter waren Firmen, die im Handelsregister längst gelöscht sind, aber trotzdem weiter Fahrten von den Plattformen annehmen. Bei Besuchen an den angeblichen Firmensitzen war niemand anzutreffen. Anfragen blieben unbeantwortet.

Einige Firmen, die in Berlin Fahrgäste befördern, sind nicht auffindbar. Die Fahrt mit Mietwagen ohne Konzession birgt auch Gefahren für die Fahrgäste, warnt Simon Götze von der Verbraucherzentrale. Demnach können Passagiere nicht sicher sein, ob der Fahrer die Tauglichkeitsprüfung der Industrie- und Handelskammer (IHK) absolviert hat, ob das Unternehmen überhaupt juristisch existiere und ob das KfZ versichert sei. "Denn wenn es gewerblich genutzt wird, muss eine gewerbliche Versicherung abgeschlossen werden", so Götze. Wenn die dahinterstehende Firma nicht existiere, sei die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass diese Versicherungsbeiträge nicht bezahlt wurden – mit gravierenden Folgen für die Fahrgäste: "Dann besteht auch kein Versicherungsschutz für das Fahrzeug und dann auch für die Insassen nicht."

Behördenleiter spricht von organisierter Kriminalität

Ob das jeweilige Auto zugelassen ist, erkennen Fahrgäste weder beim Bestellvorgang noch während der Fahrt. Als Indiz dient lediglich ein blaues Schild mit einer vierstelligen Nummer an der Heckscheibe – die Konzessionsnummer. Aber die würden manchmal von den Mietwagenfirmen sogar gefälscht, sagt der zuständige Referatsleiter im Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Günter Schwarz "Wir gehen hier von organisierter Kriminalität aus."

Das ewige Hin und Her mit den Listen

Die Zahl der Mietwagen, die von Uber, Bolt und Freenow Fahraufträge in Berlin vermittelt bekommen, hat sich in den zurückliegenden zehn Jahren verdreifacht. Bisher ist es nicht gelungen, die illegal operierenden Firmen herauszufiltern. Das Problem ist der mangelnde Datenabgleich zwischen den Mobilitäts-Apps und der Aufsichtsbehörde Labo. Dem standen angeblich bisher Datenschutzbedenken und eine fehlende gesetzliche Handhabe entgegen.

Doch inzwischen kommt Bewegung in die Sache. Während Marktführer Uber sich auf rbb-Anfrage weiter bedeckt hält und von einem engen Austausch mit dem Labo spricht, sind Bolt und Freenow inzwischen zu einem Datenaustausch bereit. "Freenow setzt sich seit längerem aktiv dafür ein, dass die Bestandsunternehmen vom Labo überprüft werden", sagt der Präsident des Unternehmens Alexander Mönch. Um Wettbewerbsgleichheit zwischen den Plattformen zu gewährleisten, brauche es einen Stichtag, an dem alle ihre Daten abgleichen. Dann wäre die Branche innerhalb kurzer Zeit sauber, sagt Mönch. Günter Schwarz vom Labo bestätigt die Bemühungen einzelner Plattformen, man müsse allerdings mit allen Plattformbetreibern eine gemeinsame Lösung finden. "Das machen wir jetzt seit zwei Jahren und tasten uns Schritt für Schritt voran". Schwarz stellt eine Lösung im Laufe des Jahres in Aussicht.

Kritik an der Zulassungsbehörde

Der SPD-Abgeordnete Tino Schopf warnt seit Jahren vor kriminellen Verwerfungen in der Branche. Aus seiner Sicht ist die Berliner Behörde sogar mitverantwortlich. "Hätte die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde Labo von Anfang an vernünftig gearbeitet, dann hätten wir diese mafiösen Strukturen nicht."

Im Dezember 2023 hatte er Akteneinsicht für 38 Mietwagenfirmen erwirkt und wie er sagt, unhaltbare Zustände vorgefunden. "Wir sind vor Ort die Akten im Einzelnen durchgegangen und haben gravierende Mängel gefunden." Bei etwa der Hälfte der Firmen hätten Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden müssen. Bei weiteren würden Konzessionen widerrufen oder nicht verlängert. Ein Teil der Konzessionen hätte gar nicht erteilt werden dürfen, habe man dem Abgeordneten bei dem Termin gesagt.

Günter Schwarz vom Labo räumt gegenüber dem rbb selbstkritisch ein, man sei „im Laufe der Zeit zu der Erkenntnis gekommen, dass man tiefer prüfen kann und auch muss.“ Denn die eingereichten Unterlagen stimmten nicht immer, es seien auch Fälschungen dabei. Mittlerweile habe man ein eigenes Sachgebiet für das Mietwagengeschäft mit sieben Mitarbeitenden eingerichtet. Eine direkte Prüfung bei den Plattformen sei allerdings auch weiterhin gesetzlich nicht möglich, wenn diese die Kooperation verweigerten, so Schwarz.

Ohne fairen Wettbewerb keine Zukunft

Wenn sich die illegalen Strukturen in der Mietwagenbranche weiter verfestigten und keine fairen Geschäftsbedingungen durchsetzbar seien, sagt Alexander Mönch von Freenow, sehe er für sein Unternehmen in dem Bereich keine Zukunft. "Wir haben die Expansion längst gestoppt. Wir haben sämtliche Investitionen, die wir in die Mietwagen gegeben haben, schon letztes Jahr komplett auf Taxi umgelenkt."

Freenow wollte gern alle Formen der Mobilität anbieten, deshalb sei man vor Jahren in den Bereich Mietwagen eingestiegen. "Doch je mehr wir über dieses Geschäftsmodell erfahren, desto kritischer sehen wir das." Dieses Geschäftsmodell überlebe eigentlich nur entweder durch Zusatzzahlungen der Plattformen an die Mietwagenfirmen, um die Niedrigpreise aufzuwiegen - oder indem "sich illegale Strukturen herausbilden".

So funktioniert das System

In Deutschland vermitteln Plattformen wie zum Beispiel Uber, Bolt und Freenow die Fahraufträge nicht direkt an einzelne Fahrer, sondern an sogenannte Mietwagen-Unternehmen. Ihnen gehören die Autos und bei ihnen sind die Fahrer angestellt. Sie melden sich bei den Plattformen an, benötigen vorher jedoch eine Konzession der jeweiligen Kommune. In Berlin ist das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) für die Genehmigung und für die laufenden Kontrollen zuständig.

Es prüft vor Erteilung einer Genehmigung unter anderem die finanzielle Leistungsfähigkeit des Mietwagenunternehmens, sowie die fachliche Eignung und persönliche Zuverlässigkeit der Geschäftsführung. Außerdem wird der Firmensitz, die Zahl der Stellplätze und die ordnungsgemäße Zulassung der Fahrzeuge geprüft. Ein halbes Jahr nach der ersten Konzessionserteilung und später bei einer Verlängerung werden die Firmen erneut überprüft. Außerdem erfolgen Prüfungen bei einem Wechsel der Geschäftsführung oder des Firmensitzes. 2024 gab es 4.498 gültige Fahrzeug-Konzessionen in Berlin.

 

 

Sendung: rbb 88.8, 20.02.2024, 06:30 Uhr

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Beitrag von Jana Göbel und Sascha Adamek

79 Kommentare

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  1. 79.

    Am besten einfach diese Klautaxen aus dem Verkehr ziehen, die blauen Scheinkonzessionen ungültig erklären und weg damit.

  2. 78.

    Ich glaube mal gelesen zu haben, dass in Leipzig auf den Uber Preis ein Zuschlag zu zahlen ist in Höhe von 2x Einzelfahrscheine fürs das gesamte Stadtgebiet.Das hat die Stadr Leipzig so angewiesen !
    Heisst, die ÖFIs Gebühr wird trotzdem aufgerufen.
    Glaube Uber und Co fahren da nicht mehr

  3. 77.

    ...das eigene Leben ist Ihnen ,,zu teuer"?

  4. 75.

    Statt sich zu bemitleiden, sollten Sie meinen und die Kommentare der anderen User, die sich mit Ihnen befassen, aufmerksam lesen. Schönen Tag noch.

  5. 74.

    Sie sollten aber dabei bedenken daß sie im Falle eines Unfalles nicht versichert sind. Auch wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer schuld ist ! Da steigt nämlich die Versicherung aus wenn Personen entgeltlich transportiert werden aber das Fahrzeug nicht dafür zugelassen ist !!!

  6. 73.

    Da stellt sich mir die Frage wieso werden die Kontrollorgane nicht aufgestockt um diesen Frimen das Handwerk zu legen. Hier geht's um die Sicherheit des Bürgers und diese sollte ganz Oben an stehen.

  7. 72.

    Ich als Kunde der günstig von A nach B kommen will freue mich über die tieferen Fahrpreise die die Fahrdienstvermittler bieten. Ob sie an Versicherung , Fahrpersonal oder was weiß ich sparen ist mir zweitrangig, das ist mir das Risiko wert.

    Wie überall im Leben kann eine Lösung es nie allen recht machen.
    Die Verbraucher sollten die Wahlmöglichkeit behalten. Im Supermarkt haben wir doch auch die Wahl zwischen Bio (Taxi) dem günstigsten (Fahrdienst)

    Für mich ist es unverständlich, dass man in Zeiten hoher Inflation den Personentransport durch Überregulierung noch teurer machen möchte.

  8. 71.

    Wo ist das Problem... Das Problem ist Deutschland.
    Firmdn anschreiben -> Daten her sonst Zulassung weg fertig.
    Aber in dem absoluten Bürokratie Wirrwarr wo es ein Gesetz gibt, welches ein anderes wieder ausser Kraft setzt und so weiter ist eh alles verloren.
    Nicht nur private Taxifahrten auch viele andere Branchen im Imbiss, Friseur (Barber), spät-Kauf, Shishabar und Automaten Casino alles Geldwäsche wird was dagegen getan. Mit Nichten... Fraglich nur warum nicht... Naja

  9. 70.

    Statt etwas dagegen zu unternehmen, wird hier wieder herum gejammert.
    Früher, zum Beispiel, gab es unangemeldet Kontrollen an der Ausfahrt vom Flughafen Tegel, wo Fahrzeug, P-Schein kontrolliert wurden. Wer sich an den großen Parkplatz für Taxen erinnert, seh diesen plötzlich leer.
    Heute werden Ankommende am BER hemmungslos von Fahrern abgerutscht, die ihre Dienste als Fahrer anbieten. Das wird A. nicht unterbunden und B. nicht kontrolliert.
    Dass es sich um mafiöse Strukturen handelt, sieht man daran, dass ausschließlich eine bestimmte Bevölkerungsgruppen die Billig-Taxen chofieren. Ich gehe davon aus, dass von denen ein verschwindend geringer Teil einen P-Schein haben. So fahren die aber auch.

  10. 69.

    Ach, "schwarze Schafe"? Für kriminelle Strukturen schon sehr verahrmlosend! Und von wegen "Transportunternehmen" - das sind Plattformen, um durch Vermittlung betriebsfremder Fahrzeuge maximalen Gewinn einzufehren, indem die Fahrzeughalter allein für die Fahrzeugkosten aufkommen müssen.
    Außerdem sind die unpünktlich und unzuverlässig, wie man hört.

  11. 68.

    Statt etwas dagegen zu unternehmen, wird hier wieder herum gejammert.
    Früher, zum Beispiel, gab es unangemeldet Kontrollen an der Ausfahrt vom Flughafen Tegel, wo Fahrzeug, P-Schein kontrolliert wurden. Wer sich an den großen Parkplatz für Taxen erinnert, seh diesen plötzlich leer.
    Heute werden Ankommende am BER hemmungslos von Fahrern abgerutscht, die ihre Dienste als Fahrer anbieten. Das wird A. nicht unterbunden und B. nicht kontrolliert.
    Dass es sich um mafiöse Strukturen handelt, sieht man daran, dass ausschließlich eine bestimmte Bevölkerungsgruppen die Billig-Taxen chofieren. Ich gehe davon aus, dass von denen ein verschwindend geringer Teil einen P-Schein haben. So fahren die aber auch.

  12. 67.

    Hallo Andy, wünsche ihnen allzeit gute Fahrt und keine Unfälle mit einem Fahrdienst.

  13. 66.

    Das wird Ihnen bei einem Unfall mit gesundheitlichen Folgen nicht mehr egal sein, wenn die Haftpflicht nicht bezahlt.

  14. 65.

    Ist doch völlig egal ob legal oder nicht. Ich als Kunde freue mich nur so günstig wie möglich von Punkt A nach Punkt B zu kommen.

  15. 63.

    Ziemlich unwissend die Gnädigste: Uber und Konsorten sind Vermittler von Fahrten dieser Faketaxen - kein Transportunternehmen. Diese Syndikate verdienen Geld durch Vermitteln - die machen keinen Finger krumm - die kassieren nur.

  16. 62.

    Wer Fakten leugnet/nicht sehen will, der kommt beim Glauben an.
    Die meisten Foristen hier schauen mit offenen Augen auf die Welt und das, was um sie herum geschieht. Schade, dass Sie sich solch einem Blick verschließen und genau dies aber anderen vorwerfen.

  17. 61.

    Endlich sagt's 'mal jemand: Da verstecken sich doch diese faulen Taxifahrer erfolgreich, um sich nur max 20% ihrer Arbeitszeit von Fahrgästen belästigt zu lassen.
    Ich versuche es nochmal: Wenn das Fahrzeug nebenan unter Umgehung der Gesetze die Leistung zum Dumpingpreis anbietet, ist man als legal arbeitender Taxifahrer einfach im Nachteil. Verständlich?

  18. 60.

    Noch einmal zum Auswendiglernen: Wir sprechen von Vermittlungsplattformen. Denen gehört kein einziges Fahrzeug, sie haben kein Fahrersonal. Genauso wie ebay kein Verkäufer sondern eine Verkaufsplattform ist. Im Gegensatz zu ebay zocken jedoch Uber & Co mit ca. 30% Provision so richtig ab.
    (Aber das muss ja niemand glauben, kommt ja aus den Staatsmedien ... Woher kommen diese tiefen Zweifel?)

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