Berlin und Brandenburg - Länder lehnen Ausgleich bei S-Bahn-Vergabe ab

Fr 01.03.24 | 16:03 Uhr
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Symbolbild:Ringbahn S-Bahn Berlin.(Quelle:imago images/R.Wölk)
Bild: imago images/R.Wölk

Im Ringen um den milliardenschweren Auftrag für neue Berliner S-Bahn-Wagen schlug das Kammergericht einen Interessensausgleich vor. Alstom, das klagende Unternehmen, stimmte zu - doch Berlin und Brandenburg sagen jetzt nein.

Im Streit um ihre milliardenschwere S-Bahnausschreibung haben die Länder Berlin und Brandenburg die Lösungsvorschläge des Berliner Kammergerichts abgelehnt. Das teilte die Anwälte der Länder am Freitagmittag dem Gericht mit.

Alstom hatte Interessensausgleich zugestimmt

Damit ist ein vom Gericht angestrebter Interessenausgleich zwischen dem klagenden Bahntechnikkonzern Alstom und den Ländern Berlin und Brandenburg vom Tisch.

Das Gericht hatte vergangene Woche mit beiden Seiten Lösungsvorschläge erörtert, wie Teile der Ausschreibungskriterien umformuliert werden könnten, weil diese aus Sicht des Gerichts vergaberechtswidrig seien. Gleichzeitig hatte das Gericht aber auch erklärt, dass die meisten Rügen des Alstom-Konzerns zwar begründet, aber aus Fristgründen unzulässig seien.

Kritik Gericht: kein Vertreter Berlins anwesend

Nach Angaben des Länderanwalts Niels Griem von der Bremer Kanzlei "BBG und Partner" haben die Länder große Bedenken, dass die Lösungsvorschläge dazu hätten führen können, dass das Verfahren erneut vor Gericht angreifbar gewesen wäre. Diese Sorge war bereits bei der Verhandlung vor einer Woche formuliert worden und konnte auch in der zweiten Sitzung vom Gericht nicht zerstreut werden.

Deutliche Kritik übte das Gericht daran, dass außer den Anwälten kein entscheidungsbefugter Vertreter des Landes Berlin an der Sitzung teilnahm. Der Berichterstatter des Vergabesenats, Richter Magnus Radu, sprach von einer "Missachtung des Gerichts". Für das Land Brandenburg nahm ein Vertreter des Infrastrukturministerium teil. Dieser ließ deutlich erkennen, dass Brandenburg den Lösungsvorschlägen des Gerichts zugestimmt hätte, sich aber gegenüber dem Land Berlin mit dieser Haltung nicht durchsetzen konnte.

Ausschreibung für 2.248 S-Bahn-Wagen

Nun muss das Gericht zu einer Entscheidung in dem Verfahren kommen. Ob das noch am Freitag geschieht, ist offen.

Bei der Ausschreibung geht es um die Beschaffung, Instandhaltung und den Betrieb von bis zu 2.248 S-Bahn-Wagen.

Alstom wehrt sich gerichtlich gegen die Vorgaben in dem Vergabeverfahren, weil es sich durch die Ausschreibungskriterien benachteiligt sieht. Das Gericht wertete die von den Ländern formulierten Kriterien in der vergangenen Woche ebenfalls in Teilen als vergabegesetzwidrig. Gleichzeitig machte es allerdings deutlich, dass es die entsprechenden Rügen Alstoms wegen verstrichener Fristen für unzulässig erklären werde. Stattdessen drängte die Vorsitzende Richterin Cornelia Holldorf die Länder dazu, sich zu Änderungen zu verpflichten. Dies lehnte der Länderanwalt nun ab.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.03.2024, 14:00 Uhr

8 Kommentare

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  1. 8.

    Weil privatwirtschaftliche Unternehmen viel besser als gemeinwirtschaftliche Staatsunternehen seien beschloss der Bundestag vor 30 Jahren eine tolle Bahnreform. Danke dafür, denn ohnedies würden mangels Erfahrung heute noch viele Menschen dieser These glauben schenken...

  2. 7.

    Das Anliegen 'Fairness' durch Ausschreibungen ist sehr oft ein Witz. Selbst sehr oft erlebt, von beiden Seiten. Wenn Ausschreibungen vorgeschrieben sind, steht meist der Gewinner schon fest, die Ausschreibung wird entsprechend gestaltet oder wenn nicht gewinnt dennoch der, den man schon vorher wollte.

    Bitter für alle: Das kostet Lebenszeit für Bürokratie und jede Menge Gelder. Für die Ausschreibung, für jeden einzenen Bewerber, für die Steuerzahler, am Ende nicht unbedingt das beste Angebot.

    Oft genug muss man selbst durch bürokratische Vorgaben "3 Vergleichsangebote" einholen und Ämtern/Stellen vorlegen, um das billigste zu bestimmen. Heißt: 2 machen ihre Arbeit eh umsonst. Amtsschimmel wird geritten, das ist teuer. Geiz ist nicht geil, der, der alle unterbietet, machts dann und gibt den Geiz weiter: Arbeitsbedingungen und Qualität.

  3. 6.

    Vorschläge des Gerichts ablehnen. Komisches Verhalten. Mal gucken wer als nächstes klagt.

    Wurde mal berechnet, ob es nicht wirtschaftlicher wäre, wenn die Fahrzeuge (inkl. Wartungsvertrag) über die Bundesländer finanziert werden? Wie beim Metronom in Niedersachsen nur den Betrieb ausschreiben. Dann hätte der Betreiber weniger investionen und könnte den Betrieb billiger anbieten. Gleichzeitig wäre der Wettbewerb gestärkt, weil sich mehr Anbieter an der Ausschreibung beteiligen könnten.

  4. 5.

    Wie war warum, aber 5 Millionen Euro bezahlen. Ohne Software geht es billiger. Vor allem die Steuergelder für die Gerichtsverfahren.

  5. 4.

    >"Die vorhandenen Züge sind doch modern und in gutem Zustand."
    Die allermeisten eben nicht. Die sind mittlerweile auch schon 25 bis 30 Jahre alt. Der gute Zustand kommt durch einen sehr hohen Unterhaltungsaufwand bei so alten Teilen. Mal ganz davon abgesehen, dass sich die Eisenbahntechnik in 30 Jahren auch modernisiert hat.

  6. 3.

    Wieso müssen eigentlich über 1.000 neue S-Bahn-Wagen beschafft werden? Die vorhandenen Züge sind doch modern und in gutem Zustand.

  7. 2.

    Schon mal darüber nachgedacht, dass das gezielte Formulieren von Anforderungen zum Wohle einer Anbieters dafür sorgen kann das nicht der beste/ günstigste zum Zuge kommt?

    Das ist oft der Fall. Belastet die Staatskasse weit mehr als solch ein Verfahren. Da wird gezielt diese oder jene Vorgabe gemacht die der eine Anbieter zufällig erfüllt, die anderen aber viel Geld kosten würde. Obwohl die Anforderung total unrelevant ist.

  8. 1.

    Was kostet wohl dieser Rechtsstreit den Steuerzahler ? Wer partizipieren davon das gestritten wird? Warum muss das Budget für die rechtliche Absicherung prozentual immer größer werden? Die neuen Wagons könnten schon auf der Schiene sein wenn Lobbyisten nicht die Staatskassen plündern würden. Es wirkt beängstigend das der Bürokratisch Teil dieses Auftrags ins unermäßliche ausgereizt wird. Gibt es nicht genug Beispiele für "gut gedacht und schlecht gemacht" ?

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