Berliner Wohnungsbaugesellschaften unter Druck - Hohe Schulden, hohe Ziele

Sa 06.04.24 | 08:16 Uhr | Von Dorit Knieling und Jan Menzel
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Archivbild: Ein Arbeiter hängt am 24.05.2018 einen Holzbalken an einen Kran auf einer Baustelle der Wohnungsbaugesellschaft Howoge. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.04.2024 | Jan Menzel | Bild: dpa/Britta Pedersen

Sie sollen bauen und die Mieten niedrig halten, energetisch sanieren und Wohnungen dazukaufen. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin stehen vor einer riesigen Aufgabe. Wirtschaftsforscher warnen vor einer Überforderung. Von D. Knieling und J. Menzel

Wenn Jörg Franzen über die Lage seiner Branche spricht, redet er nicht lange drumherum: "Es gibt Leute, die sagen: Das ist der perfekte Sturm im negativen Sinne, weil die ganzen negativen Faktoren zusammengekommen sind", sagt der Chef der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau. Gestiegene Baukosten, Lieferkettenprobleme und der Anstieg der Zinsen - mit diesem Mix sieht sich nicht nur Franzen konfrontiert. Sondern die ganze Immobilienwirtschaft.

Große private Konzerne haben den Wohnungsneubau in Berlin gleich ganz eingestellt. Die Landeseigenen hingegen bauen und sanieren weiter. Gleichzeitig sollen sie günstige Mieten anbieten und am liebsten auch noch Wohnungen dazukaufen. Dabei steckten sie selbst in einer schwierigen Lage, sagt Konstantin Kholodilin, der am am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die Entwicklung des Wohnungssektors beobachtet.

"Wenn man die Bilanzstruktur anschaut, haben die landeseigenen Wohnungsunternehmen relativ hohe Verschuldungsgrade, gemessen an der Eigenkapitalquote", warnt Kholodilin. Vor allem die Gewobag mit ihren 58.000 Wohnungen nimmt der DIW-Wissenschaftler in den Blick. Sie weise lediglich eine Eigenkapitalquote von zehn Prozent auf, was bedeute, dass der Rest auf Fremdkapital basiere. "Das ist eine sehr hohe Verschuldung", zeigt sich Kholodilin besorgt.

Schulden mehr als verdoppelt

Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land und WBM - alle sechs landeseigenen Unternehmen haben zusammengenommen ihre Schulden seit 2016 mehr als verdoppelt. Der Landesrechnungshof gibt die Kreditverbindlichkeiten für 2021 mit fast 17 Milliarden Euro an und warnt vor einer "Schieflage". Doch der Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) wiegelt ab. Die Unternehmen seien wirtschaftlich solide aufgestellt. Den Schulden stünden mit neuen Häusern oder sanierten älteren Bauten schließlich Werte gegenüber.

Doch auch der Senator räumt ein, dass die Gesellschaften einen Kapitalbedarf haben. "Deswegen brauchen wir weiter moderate Mietsteigerungen, die niemanden überfordern. Dafür haben wir das Leistbarkeitsversprechen, dass keine WBS-Empfänger mehr als 27 Prozent ihres Einkommens zahlen müssen und ansonsten gibt es auch individuelle Lösungen", sagt er. So haben sich Senat und landeseigene Wohnungsunternehmen in ihrer Kooperationsvereinbarung darauf verständigt, dass die Bestandsmieten bei den Unternehmen insgesamt nur um 2,9 Prozent im Jahr steigen dürfen.

Linke fordert die Aufnahme zusätzlicher Kredite

Der Berliner Mieterverein kritisiert dennoch, dass Mieterinnen und Mieter auf diese Art die Neubauten mitbezahlen müssen. Auch die Linke bezeichnet diese Quersubventionierung als falsch und die Regelungen zur Begrenzung der Mieterhöhungen als löchrig. Statt weiter an der Mietschraube zu drehen, brauche es eine andere Art der Finanzierung, fordert der mietenpolitische Sprecher der Fraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schenker. "Das geht, wenn man dafür Kredite aufnimmt und die als Eigenkapitalzuführung an die landeseigenen Unternehmen gibt", schlägt Schenker vor.

Der Linken-Abgeordnete zeigt sich überzeugt, dass diese Finanzierung auch mit dem EU-Beihilferecht im Einklang steht und außerdem kompatibel mit der Schuldenbremse ist. Sanierung und Neubau seien weiter möglich, ohne die Mieterinnen und Mieter im Bestand zu belasten. "Man muss es nur wollen", sagt Schenker. Allerdings fehlen schon jetzt im Berliner Landeshaushalt Milliarden, die erst noch eingespart oder anderweitig ersetzt werden müssen. Zudem ist die Rechtmäßigkeit des von der schwarz-roten Koalition geplanten Sondervermögens fraglich.

Sprecher der landeseigenen Gesellschaften: Mieterhöhungen unumgänglich

Die Spielräume sind also eng, und das Geld ist nicht nur bei Wohnungsbaugesellschaften knapp. Der Gesobau-Chef Franzen, der gleichzeitig auch Sprecher der landeseigenen Wohnungsunternehmen ist, bezeichnet Mieterhöhungen daher als unumgänglich. Franzen betont aber: "Wir sind noch immer deutlich unterdurchschnittlich im Vergleich zum Mietspiegel und im Vergleich zu ganz, ganz vielen Wettbewerbern."

Doch trotz dieser sozialen Ausrichtung werde man auch in den nächsten Jahren über Mietsteigerungen reden müssen, sagt Franzen. Nur so könnten Neubau, energetische Sanierung und der Ankauf von Wohnungen gestemmt werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.04.2024, 07:30 Uhr

Beitrag von Dorit Knieling und Jan Menzel

69 Kommentare

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  1. 69.

    Habe mit meinem Mann seit fast 10 Jahren getrennte Wohnungen, weil beide 2-Raum-Wohnungen billiger sind, als eine gewünschte 3-Raum-Wohnung. Wir brauchen ein drittes Zimmer als Rückzugsort (zugleich Hobbyraum mit Heimkino). Und weil der Markt sich hier ja nicht bessert, dient meine Wohnung im Außenbezirk am Stadtrand mit Fluss und See in der Nähe als Ferienwohnung und Ersatz für das fehlende dritte Zimmer. Und seine Wohnung zentral gelegen mitten in der Stadt mit Blick zum Fernsehturm ist unsere Hauptwohnung, wenn wir schnell zur Arbeit wollen.

    Würden die Wohnungen günstiger sein, hätten wir längst getauscht. Aber der Ist-Zustand lohnt sich mehr für uns.

  2. 68.

    „Schon Instandhaltung muss gesetzlich verpflichtend sein.“

    Ja, wenn die Mieten im Verhältnis stehen und Zahlungsmoral der Mieter mal wieder besser wird.

  3. 67.

    Das ganze Desaster besteht seit dem Bankenskandal(60Millarden Schulden, CDU), Schulden,die noch nicht getilgt sind. Jeder neue Bausenator/in kämpft mit einer starken Baulobby und den Steuergeldern woum im Senat gefeilscht wird. Leider sind die Bausenatoren keine Profis sondern müssen sich jedesmal neu ein arbeiten.

  4. 66.

    „naiver Glauben“

    Sie meinen günstiges Wohnen durch Enteignung für 1 Euro?
    So zum Gemeinwohl und in der naiven Annahme, das es städtische Gesellschaften oder diffuse Mietervereinigungen es besser machen als Profis. Und die ganze Arbeit umsonst
    Machen.

    Finde ich ziemlich naiv.

  5. 65.

    Ich bin ja ein Fan von Genossenschaften aber das "Verteilsystem" ist ein Scherz. Habe bestimmt 600 Bewerbungen für Wohnungen abgeschickt und vielleicht 4 Besichtigungstermine bekommen. Und zwei meiner frisch zugezogenen Kollegen haben direkt eine bei der Gewobag gefunden. Unfair!

  6. 64.

    Die GEWOBAG bietet Wohnungstausch in kleinere Wohnungen an. Plus Übernahme der Umzugskosten.

  7. 63.

    Auszug aus der taz:
    „ Grund für den Rückgang ist neben der Berliner Politik auch die allgemeine Baukrise: Die Branche kämpft derzeit mit hohen Zinsen und steigenden Materialkosten. Auch knappe Flächen, lange Genehmigungs- und Planungsprozesse sowie gestiegene Baustandards und Effizienzanforderungen hemmen laut Senatsverwaltung den Neubau.
    Der Berliner Mieterverein verweist darüber hinaus auf die Baugenehmigungen, die wegen mangelnder Digitalisierung und fehlendem Personal zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden.“

  8. 62.

    "Vulgo: Unbelegte Behauptungen und naiver Glauben wider jegliche Erfahrungen im immer ungezügelteren Kapitalismus."

    Als selbsternannter Chefankläger müssen sie mich widerlegen, nicht umgekehrt, das hat die Beweisführung so an sich.

  9. 61.

    Wer soll sich das leisten können?
    Beispiel:
    WiWa Lokal
    "Stadt Walldorf: Sanierung ist günstiger als Neubau"
    11. März 2024

    Beispiel für eine Sanierung für 2652 Euro/m2---durch Förderung Bund: 1852 Euro/m2

  10. 60.

    Und Sie glauben, dass Regelvereinfachungen merkbar etwas bringen? Oder können es abseits dieser bloßen Behauptung belegen? Und sollte es so sein, warum sollte eine "Vereinfachungsrendite" im Kapitalismus nicht einfach dahin wandern, wo sich jetzt schon das Kapital befindet? Vulgo: Unbelegte Behauptungen und naiver Glauben wider jegliche Erfahrungen im immer ungezügelteren Kapitalismus. Oder selbst Profiteur.

  11. 59.

    Schon wieder eine riskante Bankenwette? Kann natürlich sein, die prädestinierten dafür sind ja wieder am Zug.

  12. 58.

    Schaffen Sie es, Ihre Behauptungen nachvollziehbar darzustellen und mit Quellen zu versehen, wäre ich geneigt, Ihre Aussagen nicht mehr als substanzlos zu betrachten.

  13. 57.

    Nein, um Himmels Willi, ich mache doch die Flüchtlinge nicht für den Wohnungsmangel verantwortlich. Tut mir leid, wenn das so angekommen ist. Ich wollte nur darauf verweisen, dass auch eine Bausenatorin von der Linken nur die Mittel investieren kann, die ihr im Haushaltsplan zu Verfügung gestellt werden.
    Sie haben recht mit dem was Sie über Luxus-Eigentumsneubau schreiben. In meinem Stadtteil wurde wertvolles Bauland mit Reihenhäusern für den privaten Immobilienmarkt bebaut, statt mit bezahlbaren Wohnungen in Mehrgeschossern. Und Wohnungskauf können sich nur Begüterte leisten, was zur Gentrifizierung beiträgt und zusätzlich die höhere Einstufung der Wohnlagen und somit die Mieten in die Höhe treibt.

  14. 56.

    Das Problem sind die ausufernden Regeln, Bestimmungen, Verordnungen und Besteuerungen, die das Bauen nur noch immer teurer machen. Ansprüche an Ausstattung und Komfort steigen auch, niemand will Blümchentapete und imitiertes Linoleumimitat. Der Investor hat auch eine Renditeerwartung und der Bauhandwerker kann und will auch nicht mehr für Mindestlohn arbeiten.

  15. 55.

    "Aber Genossenschaften dürfen auch kein Gewinn erwirtschaften"

    Und wie investieren Genossenschaften, wenn sie keinen Gewinn erwirtschaften dürfen? Volksmythen sterben halt nie aus, so wie die "doppelte Rentenbesteuerung".

  16. 54.

    Völlig richtig, dann wird mal ein wenig was gemacht. Ich sehe nur nicht ein selbst noch die Entsorgung der Alt-Fussböden zu bezahlen und Elektriker auf eigene Kosten zu bestellen, was abgewohnt fällt unter Instandhaltung. Das will die Howoge nicht begreifen. Das Zeug ist so alt wie die Platte selber.

  17. 53.

    Informieren sie sich besser über die 50Mrd.Bürgschaft, bevor sie wieder überall Lügen wittern.

  18. 52.

    Und warum sollte z.B. Bayern weiter im Finanzausgleich Geld nach Berlin senden, damit Berlin sich noch mehr verschulden kann????

  19. 51.

    Dieses Märchen wird immer wieder verbreitet. In Nauen kleistern sie die Stadt auch mit hässlichen Neubauten zu, ich habe zum Spaß mal geschaut, da kosten dann 2 Zimmer schon mal 700 kalt, kann sich jeder ausrechnen, was das warm bedeutet, wer soll das bezahlen? Aber immer wieder wird das Märchen verbreitet, es muss nur immer mehr gebaut werden...ja, klar.

  20. 50.

    Die SPD und Linke haben vergessen, welche Probleme 1997-2003 dazu geführt haben, das Berlin zigtausende Wohnungen verkaufen musste! Bald wird es wieder so sein!!

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