Konzertkritik | Fil auf der Freilichtbühne Weißensee - Mit Fil und Sharkey zurück in die Vergangenheit

So 04.09.22 | 10:46 Uhr
Fil © radioeins/Krüger
Audio: rbb24 Inforadio | 06.09.2022 | Hendrik Schröder | Bild: radioeins/Krüger

Der Musiker, Zeichner, Autor und Komiker Fil ist seit nun 30 Jahren fester Bestandteil Berliner Humorkultur. Am Samstag feierte er das Jubiläum mit einer Best-Of Show auf der Freilichtbühne Weißensee. Es war wie immer. Zum Glück, sagt Hendrik Schröder.

"Ab jetzt kann es mit mir ja nur noch bergab gehen", sagt Fil, als er in Jeans, TShirt und dem obligatorischen Käppi auf die riesige Bühne kommt und auf das Menschenmeer schaut, "wat soll da noch komm". Und in der Tat, vor so vielen Leuten spielt Fil sonst nie. Also zumindest nicht an einem Abend. "1000 oder so", meint er. Aber heute ist Jubiläum, da darf es etwas größer sein.

30 Jahre, genau so lange wie Tocotronic, die haben auch 1992 angefangen, meint er. Und dass ihn das immer verfolgen würde, immer würden sie zeitgleich Jubiläum feiern. Dann spielt er einen Song über sich und Tocotronic und dass die zwar studiert hätten, aber wohl kein Mathe, denn sonst hätten sie ja früher erkannt, dass sie immer alles durch vier teilen müssten, er hingegen, der kleine Fil, würde den ganzen Ruhm und das ganze Geld für sich behalten dürfen. Das böse, aber liebevolle Tocotronic-Gebashe zieht sich dann durch den ganzen Abend und die Leute können sich jetzt schon kaum halten vor Lachen.

Kollektives Husten als Mitsingrefrain

Er sei ja eher eine Komiker der feinen Nuancen, meint er grinsend, nochmal auf die große Bühne verweisend, glaubt sich die Aussage aber selbst nicht recht. Was er aber tatsächlich perfektioniert hat, ist dieser geniale Dilettantismus. Die Gesangsmelodie ist krumm, die Gitarre verschrammelt? Interessiert weder Künstler noch Publikum. Das ist Teil des Gesamtkunstwerks. Auch dass er zwischen den Songs immer wieder scheinbar grundlos aufhört, um irgendeine andere Geschichte zu erzählen, atemlos witzig. Das Timing stimmt einfach immer. Fil redet atemlos, stockt dann, lässt Kunstpausen, spielt einen Refrain, quatscht wieder. Das hat eine so geil trashige Dynamik, dass es einfach nicht langweilig wird, egal worüber er redet.

Beim Song über Sandwichkinder, also die in der Mitte geborenen, lässt er die Sandwichkinder im Publikum im Refrain röchelnd husten. Wer macht sowas? Wer setzt sich eine riesige weiße Perücke auf, um darin einen Song über Mozart aus Marzahn (der früher Marzart hieß und in seiner Jugend viel Hip Hop gehört hat) zu spielen, dann aber feststellt, dass es die falsche Perücke ist, nämlich die von Marie Antoinette, um dann einen Rap zu bringen, in dem selbige sich kaputt lacht über die Jakobiner, sollen die nur kommen. Es ist ein Fest. Den Mazahrt aus Marzahn Song spielt er dann auch noch. Darin battelt Mazahrt im Gangsta Rap Style gegen sämtliche andere Komponisten aller Zeiten mit dem Tenor: Ich bin hier das Wunderkind, geh mir aus der Sonne.

Und dann kommt der Hai

Und als es fast vorbei ist, das Konzert soll Punkt 21.30 zu Ende sein, damit die "Villenbesitzeranwohner, die sich von ihrem Erbe aus Süddeutschland die Häuser hier gekauft haben und schon auf den Rest der Stadt sparen" rechtzeitig ihre Ruhe hätten, da packt Fil noch mal seine kleine Haihandpuppe Sharkey aus, die ihn so viele Jahre auf seinen Shows begleitet hat, auf die er aber irgendwann keine Lust mehr hatte. Die Leute zücken die Handys und filmen, so begeistert sind sie. "Ja, eine Erinnerung aus eurer Jugend, was", sagt Fil mit Verweis auf sein und auch das Alter des Publikums. Und es entspinnt sich ein so lange nicht gehörter Dialog zwischen dem quengeligen, besserwisserischen Hai und Fil, der damit endet, dass der Hai sein Lied darüber singt, dass er, wenn er doch nur verliebt wäre, sich sogar mit dem Fahrrad in den ersten Wagen der U Bahn trauen würde.

"Es ist dann Kunst, wenn man nichts mehr weg lassen kann", zitiert Fil dann ganz am Schluss einen ihm bekannten, fiktiven bildenden Künstler nachdem er ein Lied darüber gespielt hat, dass es manchmal eben RocknRoll sein muss - und dabei Grönemeyer, Maffay und Co alle gleichzeitig verballhornt und dessen Refrain irgendwann nur noch aus Lauten besteht und trotzdem funktioniert. Ganz große Kleinkunst, wenn man so will.

Sendung: 05.09.2022, rbb24 Inforadio, 09:55 Uhr

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