Surrealismus-Ausstellung in Potsdam - Die Wiederentdeckung der Magie in einer entzauberten Moderne

Fr 21.10.22 | 17:01 Uhr | Von Marie Kaiser
Journalisten betrachten das Bild "Die Hochzeitsfeier" von Wilfredo Lam . Die Ausstellung "Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne" wird vom 22. Oktober 2022 bis zum 29. Januar 2023 im Museum Barberini gezeigt. (Foto: Bernd Settnik/dpa)
Audio: rbb Kultur | 21.10.2022 | Frank Schröder | Bild: Bernd Settnik/dpa

Magier und Hexen, Okkultismus, Alchemie und Tarot - im Museum Barberini eröffnet die erste große Ausstellung zum Thema "Surrealismus und Magie" mit 90 Arbeiten von mehr als 20 Künstlern und Künstlerinnen. Von Marie Kaiser

Ein blasser Mond - eingesperrt in einen kleinen Käfig. Mit dem Löffel wird er gefüttert von einer Frau im braunen Kleid, die dem kränklichen Sichelmond aus den Sternen des Himmels einen Brei anrührt. Es sind überraschende Entdeckungen wie das Gemälde "Himmlischer Brei" der spanischen Malerin Remedios Varo, die den Zauber der neuen Ausstellung "Surrealismus und Magie" im Museum Barberini ausmachen.

Eine Ausstellung, die auch mit surrealistischen Ikonen aufwartet, die die meisten von Plakaten und Postkarten kennen wie die Gemälde "Das Gehirn des Kindes" vom Wegbereiter des Surrealismus Giorgio de Chirico, "Schwarze Magie" von René Magritte oder „Einkleidung der Braut“ von Max Ernst. Insgesamt 90 Arbeiten von mehr als 20 Künstlern und Künstlerinnen sind zu entdecken - viele Gemälde, aber auch Skulpturen und ein surrealistischer Kurzfilm, die alle verdeutlichen wieviel Magie im Surrealismus steckt. Immer wieder begegnen uns Hexen und Magier, Zauberstäbe und Tarotkarten und Anspielungen auf Alchemie und Okkultismus.

Magie ist ein Schlüsselthema im Surrealismus

Umso erstaunlicher ist es, dass die Ausstellung in Potsdam die erste große Auseinandersetzung mit dem Thema "Surrealismus und Magie" ist. Der Kurator der Ausstellung, Daniel Zamani, erklärt sich das so: "Der Surrealismus ist lange missverstanden und sehr engstirnig gelesen worden durch den Rückgriff der Surrealisten auf Freud und die Psychoanalyse. So gab es zahlreiche Ausstellungen zum Thema Surrealismus und das Unbewusste, das Irrationale und die Erforschung des Seelenlebens. Darüber wurde vergessen, dass Magie wirklich ein absolutes Schlüsselthema ist im Surrealismus."

Ob "Der Herr der Ringe" oder Harry Potter - die Welt der Magie, der Zauberer und Hexen ist uns vertraut und das macht die Ausstellung sehr zugänglich. Es ist aber wichtig, zu bedenken, dass es dem Surrealismus nicht nur um die Faszination am Fantastischen ging. "Im Surrealismus hat all das eine ganz tiefe philosophische Dimension. Da sind das Metaphern für Heilung, für Neuerung und für gesellschaftlichen Wandel. Es ist die Wiederentdeckung der Magie in einer entzauberten Moderne", so fasst es Daniel Zamani zusammen.

Viele Surrealisten verstanden sich als moderne Künstler-Magier

Viele der Surrealisten verstanden sich als moderne Künstler-Magier, die die Gesellschaft zum Besseren verändern wollten. Nach der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und der Flucht vor den Nationalsozialisten malte der französisch-rumänische Künstler Victor Brauner 1947 das Gemälde "Der Surrealist". Der Künstler inszeniert sich wie auf einer Tarotkarte als Magier mit Zauberstab, Münzen Kelch und Dolch - als unsterblicher alchemistischer Meister über die vier Elemente.

"Der Surrealist" ist eine von sieben Leihgaben aus der Peggy Guggenheim Collection in Venedig, einer der weltweit bedeutendsten Sammlungen surrealistischer Malerei. Doch auch die "Surrealistinnen" bekommen in der Potsdamer Ausstellung einen großen Auftritt. Dem männlichen Blick der Surrealisten auf den weiblichen Körper werden die Arbeiten von sechs bedeutenden surrealistischen Künstlerinnen wie Leonora Carrington Dorothea Tanning, Remedios Varos oder Leonor Fini gegenübergestellt, die in großen Ausstellungen sonst oft fehlen und die es sich unbedingt zu entdecken lohnt.

"Surrealismus und Magie" ist eine Ausstellung, die uns in die Welt der Magie entführt, in der es vor Symbolen nur so wimmelt, die entschlüsselt werden wollen. So steht die Farbe Rot für alchemistische Umwandlung. Schwarz und Weiß für die Überwindung von Gegensätzen. Fenster oder Türen symbolisieren das Eindringen in höhere Welten. Doch bis auf den Grund lassen sich diese Arbeiten nie entschlüsseln. Die Surrealistin Dorothea Tanning hat es einmal so ausgedrückt: Sie wolle in Ihren Arbeiten "die Tür zur Phantasie offenlagen, damit der Betrachter jedes Mal etwas anderes sieht."

Gefühl der "Entfremdung" gehört zur Begegnung mit surrealistischer Kunst dazu

Ein Gefühl der "Entfremdung" gehört zur Begegnung mit surrealistischer Kunst also einfach dazu, sagt Kurator Daniel Zamani und empfiehlt folgende Leseanleitung für die Ausstellung. "Betrachten Sie ein surrealistisches Bild einfach so, als würden Sie aus einem Traum aufwachen. Man fragt sich, was habe ich da gerade geträumt? Was könnte das bedeuten? Dieses Fragezeichen im Kopf - genau das ist gewollt."

Die Ausstellung "Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne" eröffnet an diesem Samstag, den 22. Oktober, im Museum Barberini in Potsdam und läuft bis 29. Januar 2023.

Sendung: rbb Kultur, 21.10.2022, 16 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

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