#musikistkeinhobby | Robin & the Goblins - "Wer bestimmt denn, wie wir zu sein haben?"

Sa 22.10.22 | 16:04 Uhr | Von Hendrik Schröder und Christoph Schräg
Robin & the Goblins.(Quelle:Katharina Mautner)
Bild: Katharina Mautner

Robin kann kein Instrument spielen, schreibt aber trotzdem opulente Kammerpop-Songs - im Kopf und später am Computer. Um das zu lernen, ist Robin nach Berlin gezogen. Und um frei zu sein. Von Hendrik Schröder und Christoph Schrag

In der neuen rbb|24-Reihe #musikistkeinhobby treffen Hendrik Schröder und Christoph Schrag jede Woche Musiker:innen aus der Region, die gerade auf dem Sprung nach oben sind und eine besondere Geschichte zu erzählen haben.

Seit sieben Jahren lebe ich in Berlin, schreibe Musik, singe und mache Musikvideos. Obwohl ich das alleine mache, nenne ich mein Projekt Robin & the Goblins. Mein Deutsch ist mittlerweile ganz gut. Wenn ich festgenommen werde, kann ich mich auf Deutsch rausquatschen. Nein, Spaß. Ich komme gebürtig aus Nordspanien, dann bin ich für zwei Jahre nach West-Virginia gezogen und habe da als Spanischlehrer gearbeitet. Aber das hat überhaupt keinen Spaß gemacht und ich hatte dort gar keine Zeit für die Musik, war überhaupt nicht kreativ. Irgendwann war ich total desillusioniert vom Leben und dachte: Ich brauche einen Cut. Deswegen habe ich mich auf ein Musikproduktionsstudium an einer privaten Uni in Berlin beworben und wurde genommen.

Immer nur Musik

Ich hatte immer schon Musik und Melodien in meinem Kopf, aber jetzt in Berlin wollte ich einfach lernen, wie man daraus richtige Lieder macht. Ich hab mich dann total zurückgezogen und nur noch Musik gemacht. Am Ende hatte ich vielleicht acht Songs, die mir gefielen, kannte aber niemanden in der Stadt, weil ich kaum irgendwo hin gegangen bin. Dann dachte ich: Ok, ich muss Leute kennenlernen, Musiker, Produzenten, Booker. Also bin ich drei mal die Woche ausgegangen und hab alle vollgequatscht und ausgefragt. Das hat auch funktioniert, ich habe gute Leute gefunden, die ich immer noch kenne und mit denen ich immer noch arbeite.

Ich spiele ja kein Instrument. Also ist meine Arbeitsweise so: Ich nehme meine Ideen mit dem Voice Recorder vom Smartphone auf, wann immer ich welche habe. Beim Abwaschen oder im Supermarkt, wo auch immer. Dann habe ich Ideen für Melodien und singe sie ins Telefon oder tippe Textzeilen. Manchmal singe ich die Melodien dann monatelang einfach immer wieder für mich, bis ich das Gefühl habe: Jetzt! Und dann setze ich mich an den Computer und mache aus den Ideen ein Demo. Ich spiele dann über das Keyboard einfach einzelne Töne ein und mache mit verschiedenen Programmen alle möglichen Instrumente daraus und orchestriere das alles zusammen.

Die neue Identität in Berlin

Berlin war für mich aber auch interessant, weil ich sehr gerne mal in einer Stadt leben wollte, in der es eine größere queere Community gibt. Sowas hatte ich vorher nie. Berlin hat wirklich viele Türen geöffnet. Auch in mir.

Hier kann man sich einfach neu erfinden, viele machen das. Und ich habe für mich in Berlin gemerkt: Ich habe etwas in mir, was nicht den herkömmlichen Geschlechteridentitäten entspricht. Nur hatte ich mir das vorher nie erlaubt. Ich fühle mich weder als Mann, noch als Frau, das habe ich in Berlin endlich zulassen können und schließlich gesagt: Ich möchte raus aus diesem binären System. Ich habe dann angefangen, das meinen Freunden zu erzählen und die meisten haben gesagt: Cool, klar! Da ist wirklich ein ganz großes Gewicht von meinen Schultern gefallen. Ich musste mich nicht mehr verstecken.

"Ist denn niemand wie ich?"

Früher wurde ich immer als schwul gesehen und das war auch okay für mich. In meiner Jugend in Spanien gab es eh keine queeren Leute. Aber ich habe irgendwann gemerkt, dass ich anders bin. Schon als Kind wollte ich nicht als Junge gesehen werden oder Junge genannt werden. Ich habe mit 18 das erste Mal jemanden getroffen, der offen schwul war. Ich hatte gedacht, dass ich in der Schwulenszene dann Leute finde, die mehr so sind wie ich, aber das war nicht der Fall und ich habe mich oft sehr einsam gefühlt.

Erst in Berlin habe ich Leute getroffen, die so sind wie ich, die so fühlen wie ich. Meinen Eltern habe ich das bisher aber nicht erzählt. Ich habe immer noch Angst, dass sie das vielleicht erschrecken würde oder dass sie das nicht verstehen würden. Außerdem müssen die vielleicht auch nicht alles von mir wissen. Also die sehen ja meine Musikvideos und sehen, dass ich Frauenkleider trage (so würden meine Eltern es nennen) und sie nehmen das anscheinend einfach hin.

"Es ist nicht mehr abstrakt oder verklausuliert."

Das alles drückt sich natürlich auch in meiner Musik aus. Viele meiner Texte drehen sich darum, dass man sich frei machen kann von dem, was einem erzählt wurde, wie man zu sein hätte. Meine Musik hat sich nicht verändert, aber die Message. Seit dem Moment, als ich mir eingestanden habe, dass ich kein Junge bin. Ich bin jetzt diese personifizierte Erfahrung. Es ist nicht mehr abstrakt oder verklausuliert. Es geht dabei aber, was die Geschlechteridentität angeht, mehr um die Außenwirkung als Künstler*in, als wirklich um die Musik. Die würde ich wahrscheinlich genau so machen, wenn ich einfach ein Mann wäre.

Beitrag von Hendrik Schröder und Christoph Schräg

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