Konzertkritik | Reihe "Aus den Fugen" - "Die Hoffnung bleibt immer in unserem Herzen"

Di 15.11.22 | 07:13 Uhr | Von Hans Ackermann
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Türkischer Pianist Fazil Say bei einem Konzert im Jahr 2015 (Bild: imago images/Rudolf Gigler)
Audio: rbb24 Inforadio | 15.11.2022 | Hans Ackermann | Bild: imago images/Rudolf Gigler

"Aus den Fugen" heißt ein Festival, das am Montag im Berliner Konzerthaus begonnen hat. Zum Auftakt spielte der türkische Pianist Fazil Say. Barock, Klassik und Romantik stand auf dem Programm - aber auch verstörend Gegenwärtiges. Von Hans Ackermann

Zum Auftakt des Festivals "Aus den Fugen" im Berliner Konzerthaus wurde mit dem türkischen Pianisten Fazil Say ein Künstler eingeladen, der auch als politischer Aktivist bekannt ist. Eine Wahl, die der besonderen Perspektive dieser Veranstaltungsreihe entspricht.

Denn das Festival präsentiert Künstlerinnen und Künstler, die in ihren Projekten gesellschaftsrelevante Themen aufgreifen und dabei "Konzertabläufe oder den Programmkanon auf den Kopf stellen", wie es im Grußwort zum Festival heißt.

Infos im Netz

Das komplette Programm des Musikfestivals "Aus den Fugen" im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gibt es auf konzerthaus.de.

Klangschöne Melancholie zu Beginn

Mit der Suite in d-Moll, HWV 437 von Georg Friedrich Händel beginnt der Konzertabend. Fünf Tänze, mit einer nachdenklichen Courante in der Mitte. Klangschöne Melancholie, die dann bei Beethovens "Mondscheinsonate" noch stärker wird. Wenn Fazil Say nach der Pause dann noch Franz Schuberts große B-Dur-Sonate spielt, hat er drei Epochen der Musikgeschichte präsentiert - Barock, Klassik, Romantik.

Doch Konzerte von Fazil Say besucht man vor allem, weil dort auch die Gegenwart ihren festen Platz hat, wenn dieser außergewöhnliche, 1970 in Ankara geborene Pianist eigene Werke spielt. Seine Ausbildung als Pianist und Komponist hat er unter anderem an der Berliner Universität der Künste erhalten.

Nächte des Widerstands

"Von den Nächten des Widerstands in den Straßen von Istanbul" ist der erste Satz seiner Sonate "Gezi Park 2" überschrieben. Das viersätzige Werk entstand vor zehn Jahren und ist ein musikalisches Statement zu den Vorkommnissen im Istanbuler Gezi Park im Jahr 2013. Damals wurde dort der bürgerrechtliche Protest gegen eine umstrittene Baumaßnahme mit massiver Polizeigewalt unterdrückt, was zahlreiche weitere Demonstrationen zur Folge hatte.

"Von der Stille der Gaswolke" ist der zweite Satz der Sonate überschrieben, Musik, die den beißenden Geruch einer Tränengaswolke in verstörende Klänge fasst. "Von der Ermordung des unschuldigen Kindes Berkin Elvan" erzählt der dritte Satz, für den mit Jazz-Klängen angereicherten Schlusssatz hat Fazil Say den für sich sprechenden Titel "Die Hoffnung bleibt immer in unserem Herzen" gewählt.

Im Sommer 2013 stand der Pianist auch wegen "Blasphemie" vor einem türkischen Gericht, nach einer amüsierten Bemerkung über den Koran, die als "Herabwürdigung der islamischen Religion" eingestuft wurde. Das Urteil und die damit verbundene Haftstrafe wurde später mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit vom türkischen Kassationshof wieder aufgehoben.

Die Welt neu zusammensetzen

Die Welt ist "aus den Fugen" und muss neu zusammengesetzt werden - unter dieser Überschrift wird sich das Festival bis zum 27. November an der Suche nach kulturellen Wegen aus der Krise beteiligen. Mit Künstlerinnen und Künstlern, die ihre berufliche Aktivität mit politischem und sozialem Engagement verbinden und dafür wie Fazil Say im ausverkauften Saal ganz zurecht vom Publikum gefeiert werden.

"Aus den Fugen", dieses Motto wird im Berliner Konzerthaus am Mittwoch aber auch in seiner tatsächlichen musikalischen Bedeutung interpretiert, bei einem großen Solokonzert des renommierten Bochumer Organisten und Komponisten Dominik Susteck. Neben György Ligetis "Volumina" und Wolfgang Rihms "Drei Fantasien für Orgel" steht bei ihm auch die Fuge C-Dur, BWV 547 auf dem Programm - Musik "aus den Fugen" von Johann Sebastian Bach.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.11.2022, 7:55 Uhr

Beitrag von Hans Ackermann

1 Kommentar

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  1. 1.

    Ach schade - zu spät bemerkt....

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