Theaterkritik | "As you fucking like it" - Vier Rosalinden und mindestens fünf Vorhänge

Sa 19.11.22 | 08:56 Uhr | Von Fabian Wallmeier
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Szene aus "As You Fucking Like It" am Deutschen Theater.(Quelle:Arno Declair)
Audio: Radioeins | 19.11.2022 | Anja Penner | Bild: Arno Declair

Bastian Kraft stellt am Berliner DT Geschlechterrollen in Frage. Aus Shakespeares "Wie es euch gefällt" wird mit clever gebauten Verwirrspielen eine lustvolle Feier der Queerness. Kein großer Abend, aber ein sympathischer Theaterspaß. Von Fabian Wallmeier

Wir sind alle Rosalinde. Zumindest an diesem Freitagabend in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin. Dort teilen sich alle vier Darsteller:innen die weibliche Hauptrolle aus William Shakespeares "Wie es euch gefällt" (Im Original: "As you like it" - und hier: "As you fucking like it"). Wobei: ist sie wirklich weiblich, wenn ein Mann sie spielt? Oder ein Mann, der eine Frau spielt, die einen Mann spielt, der eine Frau spielt und so weiter?

In der leicht aggressiven Hervorhebung des "fucking" im Titel (das natürlich viel besser klingt als "Wie es euch verdammt nochmal gefällt") steckt schon die Genervtheit im Angesicht des Fortbestands verkommener Geschlechterrollen, das im Stück zentral ist. Bastian Kraft und sein Ensemble walzen diese Genervtheit mit Lust am Kalauer und großer Verwirrspielfreude aus.

"Bastian Kraft und sein Ensemble" - das trifft an diesem Abend ganz besonders zu: Regisseur Kraft sprang nämlich kurzfristig selbst für den erkrankten Helmut Mooshammer ein, um die Premiere nicht absagen zu müssen. Und so steht er nun als zweite Rosalinde auf der Bühne, vor einem Vorhang, der sich hinter demjenigen aufgetan hat, den Lisa Hrdina gerade noch als erste Rosalinde aufgezogen hat. Und hinter ihm tut sich - genau, noch ein Vorhang mit noch einer Rosalinde auf.

Mehr Vorhänge!

Die Vorhänge (es sind, wenn man ein Kasperletheater mitzählt, mindestens fünf) und die vier Rosalinden in ihren pinken Kostümen (Kleider für die Männer, Hosen für die Frauen), sind nur der Anfang des Verwirrspiels. Auf einer Leinwand treten nach und nach weitere Figuren des Sakespeare-Stücks auf, wiederum gespielt von den vier Darsteller:innen selbst. Man sieht sie nun gleichzeitig in den vorproduzierten Videoaufnahmen und auf der Bühne - und hört, wie sie die Figuren auf der Leinwand auf der Bühne live synchronisieren.

So wird in immer neuen Kombinationen ein Hin und Her zwischen Leinwand und Bühne, zwischen männlichen und weiblichen Stimmen und männlich und weiblich gelesenen Kostüme ausgekostet. Und von Akt zu Akt werden immer neue Spielarten und Ebenen eingeführt. Das ist oft sehr witzig und auf den Punkt gespielt, sogar von Nicht-Schauspieler Kraft. Aber es ist auch reichlich redundant, weil man den Clou dann doch irgendwann verstanden hat, so sehr der Abend auch dazu einlädt, sich an der Cleverness seiner lustvoll verschachtelten Bauart zu erfreuen.

Nah an Shakespeare - und an Gwyneth Paltrow

Worum es im Stück geht, ist letztlich nebensächlich. Kraft bleibt recht an Shakespeares Original - im Kern eine Liebes- und Fluchtgeschichte um Orlando und Rosalinde. Die verkleidet sich schon bei Shakespeare als Mann, um sich ungehindert bewegen zu können. Kraft nimmt das und die Tatsache, dass zu Shakespeares Zeiten alle Frauenrollen von Männern gespielt wurden, als Ausgangspunkt für eine ungehemmt alberne Erkundung von Geschlechterrollen.

Der Abend kehrt immer wieder zur dieser Ursprungsgeschichte zurück, aber auch immer wieder zu Gwyneth Paltrows Oscar-Gewinn: Die erhielt den Preis 1999 für "Shakespeare in Love", in dem sie eine Frau spielt, die sich in einen Mann verkleidet, um auf der Bühne stehen zu können. "Sie war die Prinzessin, die ich immer sein wollte", sagt Caner Sunar, der vierte Darsteller im Bund, gleich zu Anfang. Immer wieder hält er im Verlauf des Abends hingebungsvoll den Oscar im Arm.

Die non-binäre Socke

Zum Ende hin wird "As you fucking like it" immer stärker zum Empowerment, zu einer Feier des Queeren. Es ist nur schade, dass Queerness hier letztlich auf einen Gegenentwurf zur Heteronormativität verengt wird. Das Hin- und Herspringen zwischen den Männer- und Frauenrollen hätte ja dazu eingeladen, auch eine Abkehr von der Cisnormativität zu feiern. Non-Binarität wird aber als Thema nur kurz gestreift - halbherzig und pflichtschuldig dahingewitzelt. Von der elisabethanischen Vorstellung, "dass ein Penis eine nach außen gestülpte Vagina sei", ist da die Rede, von einer von einer von allen Seiten umstülpbaren und damit non-binären Socke.

Ein großer Abend ist Kraft und seinem Team nicht gelungen, eher ein sympathischer Theaterspaß, der vielleicht gar nicht so clever ist, wie er konstruiert zu sein scheint. Aber im Großen und Ganzen: Doch, I kind of fucking like it.

Sendung: Radioeins, 19.11.2022, 17:00 Uhr

Beitrag von Fabian Wallmeier

1 Kommentar

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  1. 1.

    Ja, damit muß man schon klarkommen im Leben, denn sonst versteht der Mensch nur Bahnhof. Wie gemacht für Berlin. Ein Theaterbesuch steht an bei mir. Einfach ein: Must Go To See It. Wunderbar.

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