Lesung | Dirk von Lowtzow an der Volksbühne - Von der Poesie des Bügelns

Do 16.03.23 | 11:16 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Archivbild:Dirk von Lowtzow am 20.02.2020 in der Volksbühne.(Quelle:imago images/R.Owsnitzki)
Bild: imago images/R.Owsnitzki

Dirk von Lowtzow ist vor allem als Sänger und Gitarrist der Band Tocotronic bekannt. Aber auch als Autor findet er immer mehr Fans, wie Hendrik Schröder bei der "Lesung mit Musik" zu seinem neuen Buch "Ich tauche auf" beobachten konnte.

Im schwarzen Hemd, schwarzer Jeans und schwarzem Sakko steht Dirk von Lowtzow an diesem Abend vor einer fast ausverkauften Volksbühne und seine Geschichten über abgesagte Konzerte und ewige Spaziergänge wirken ob des prall gefüllten Saals wie aus einer anderen Zeit. Und das sind sie ja gewissermaßen auch. Mit seinem Buch "Aus dem Dachsbau" machte von Lowtzow vor vier Jahren erstmals als Autor auf sich aufmerksam. Nun ist sein zweites Buch erschienen: "Ich tauche auf", in dem es um das Leben als Musiker in der Corona-Zeit geht.

Die traurige Zeit umdefinieren

Strahlend genießt Dirk von Lowtzow den Applaus, streicht sich die silbergrauen Haare aus der Stirn, genießt kurz den Applaus, greift zur Gitarre und spielt erstmal den Song "Sehnsucht nach unten", das Lied zum Buch quasi.

Dann geht er zu einem kleinen Tischchen und fängt an aus seinem neuen Buch zu lesen. "Ich tauche auf" ist quasi ein Tagebuch aus der Corona-Zeit. Er wollte in dem Buch, so schreibt er es an einer Stelle, so tun, als sei diese traurige Zeit die schönste seines Lebens gewesen. Und so berichtet er von Parkpasziergängen, bei denen er wie ein Computerspielmännchen anderen Menschen ausweicht, davon wie ein Mal ein Fan in Friedrichshain laut "Dirk, Dirk, Dirk" rufend hinter ihm hergerannt sei, um ihm die Hand zu schüttteln und er, Dirk, sei wie in Panik vor dieser ausgestreckten Hand zurückgewichen. Das ist witzig und traurig zugleich.

Stoffkissen fliegen aus dem Fenster

Aber lustig sind die Texte nur selten, oft sind sie melancholisch, tiefschürfend, mal gedankenschwer, oft selbstironisch. Seine chronischen Rückenschmerzen, die er mal bei diesem Osteopathen, mal in jener Klinik behandeln lässt, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Manchmal gleiten die Passagen ins Phantastische ab, immer wieder kommt ein Bärchen vor, das ein Kind sein könnte, aber auch eine ganz und gar ausgedachte Figur. Und manchmal erinnert er sich, in diesen Monaten, in denen er nichts tun konnte als aufräumen, putzen, einkaufen, kochen, weil alle Konzerte abgesagt waren und nichts in Sicht, was die Situation ändern könnte, an alte Zeiten, als er mit Tocotronic auf Tour war und sie auch mal wie echte Rockstars etwas aus dem Fenster schmeißen wollten, sich für Sofakissen entschieden und diese aus dem 1. Stock in einen Hinterhof warfen. Die Rechnung zahlten sie später ohne Diskussion.

Kein intimer Abend, aber auch kein "Event"

Dirk von Lowtzow liest, mit seiner tollen, tiefen Stimme, zigarettendunkel ist die, unaufgeregt, dann spielt er wieder ein Lied, liest wieder. Große Erklärungen gibt es nicht dazu, er moderiert den Abend nicht, erzählt keine Hintergründe, schweift nicht ab, er trägt einfach vor. Das ist ein bisschen schade, auch wenn die vielen hundert Fans in der fast ausverkauften Volksbühne zurecht komplett aus dem Häuschen sind, weil Dirk von Lowztow einfach ein großer Künstler ist, einer, der eine ganze eigene Sprache gefunden hat, der über die banalsten Dinge wie bügeln oder den Bioladenbesuch schreiben kann - und es wird Poesie daraus. Aber für eine intime Lesung mit Musik ist der Rahmen etwas zu groß, für ein "Event" passiert ein bisschen zu wenig.

Wenn noch Corona-Geschichten, dann von ihm

Eigentlich will man ja von und über Corona gar nichts mehr hören. Gut, dass diese bleierne Zeit endlich vorüber ist, denken doch die meisten. Aber von Dirk von Lowtzow erfährt man gerne, wie er diese Monate erlebt hat, denn er hat es tatsächlich geschafft, sein Inneres und seine Gedankenwelt während der Pandemie-Zeit so tragikomisch auszuleuchten und aufzuschreiben, dass sie durch seine Brille tatsächlich wirkt wie eine ganz und gar abgefahrene, aufregende Lebenserfahrung, auf die man rückblickend gar nicht mehr verzichten will. Muss man erst mal schaffen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.03.2023, 9:55 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

1 Kommentar

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  1. 1.

    Danke für den amüsanten detaiLreichen Bericht, Hendrik! Mensch, Du kommst ja rum ;-) ....

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