Festival "Time to Listen" | Akademie der Künste - Die Erde ächzt - und das hört man

Sa 19.08.23 | 11:35 Uhr
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Archivbild: Akademie der Kuenste am Pariser Platz. (Quelle: dpa/C. Behring)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.08.2023 | Corinne Orlowski | Bild: dpa/C. Behring

Die Akademie der Künste beschäftigt sich in einem Festival mit dem Klimawandel. Internationale Künstler übersetzen dort die ökologische Krise in Klänge. Mit "Time to Listen" geben sie der Natur eine Stimme. Von Corinne Orlowski

Klimawandel - das bedeutet Artensterben, schmelzende Gletscher, Extremwetter und Brände. Eigentlich muss man im Moment nur nach draußen schauen, um ihn sehen und hören zu können. Deutschland erlebt die Folgen der Erderwärmung. Schon lange weiß man davon. Trotzdem reagiert die Politik zögerlich. Deshalb hat die Akademie der Künste ein Klangfestival entwickelt, um ein Umdenken beim drängenden Thema Klima anzustoßen – es gibt Konzerte, Workshops für Kinder, ein Symposium und eine Ausstellung, bei der man sich Zeit zum Hören nehmen soll: "Time to Listen".

Mitwelt statt Umwelt

Am Eröffnungsabend unterstreichen alle Klänge, Vorträge und Reden die grundlegende Besorgnis der Beteiligten angesichts der wahrnehmbaren Veränderungen durch den Klimawandel. "Wir müssen handeln", sagt Kathrin Röggla, Schriftstellerin und Vizepräsidentin der Akademie. "Wir haben eigentlich keine Zeit mehr in ein Konzert zu gehen oder gar Kunst zu produzieren. Aber ist künstlerisches Handeln etwa kein Handeln?" Aber was wenn wir schon zu lange an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen?

"Wir haben vielleicht zu lange über Umwelt nachgedacht und nicht über Mitwelt", ergänzt Röggla. "Wir wissen ja gar nicht, was wir derzeit alles verlieren, weil wir die meisten Arten noch nicht kennen." In der Ausstellung hat man deshalb verschiedene Formen "ökologischer Trauer" entwickelt. Dabei stellen sich die Macher die Frage, ob nachhaltige Kunst überhaupt noch vorstellbar ist.

Es knistert, knackt und knarzt

Vorstellbar ja, das macht die Ausstellung deutlich. Aber kann man sie auch vermitteln? Genau dafür hat sich die Akademie eine neue Strategie ausgedacht. Es knistert, knackt und knarzt, quietscht, prasselt und blubbert auf dem ganzen Gelände und in zwei dunklen Hallen. In erster Linie wirkt das ziemlich beunruhigend. Zumal man die künstlerischen Arbeiten mit dem ganzen Körper erfahren kann. Zum Beispiel in einem Vibrationsprojekt aus rostendem Schiffsstahl, bei dem man eine Partitur erfühlen kann. Oder man hört aus den acht im Kreis angebrachten Lautsprechern dröhnende Landmaschinen oder Rhythmen aus Abfallanlangen und vom Schlachthof.

Der dumpfe Puls der Lebensmittelindustrie. Man kann aber auch in die Pedalen eines alten Hometrainers treten, mit dem man eine Aufnahme von Vogelstimmen entfacht. Unter der alten Buche im Hof zwitschern plötzlich Vögel aus Ballona, einem schrumpfenden Feuchtgebiet von Los Angeles. Je schneller man tritt, desto stärker verändern sich die Klänge. So kann man bei der spielerischen Installation eine wissenschaftliche Beobachtung machen: Sind Zeit und Tonhöhe verzerrt, so ist es auch unser Wissen. - Allerdings steht das Rad die meiste Zeit still. Die Besucher sind zu sehr in ihre Gespräche vertieft und nippen an ihren Getränken.

Es fehlt die Vermittlung

So berührend und eindringlich die Klänge auch sind, leider bleiben sie allzu oft abstrakt und verhallen schnell im Raum. Mitunter hat man das Gefühl in verschiedenen Konzerten für Neue Musik zu sitzen. Die Besucher ziehen teilweise ungerührt von einer Station zur nächsten. Es fehlt die Vermittlung, obwohl an den Wänden kleine Schilder mit QR-Codes Auskunft geben. Doch die nutzt kaum jemand. Aus Nachhaltigkeitsgründen gibt es kein ausgedrucktes Programm.

Auch wenn hier alles nach Science-Fiction klingt, der Klimawandel ist real. Die Erde ächzt. Leider fehlt der Übersetzung in Klang noch die gewünschte Übersetzung in Handlungsimpulse. Soll man doch Wege finden, mit ethischen Fragen, die die Künstler stellen, emotional und handelnd umzugehen – so heißt es im Programm. Die vielfältigen Klänge sprechen einen an, das schon, aber nicht mit einem.

10 Kommentare

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  1. 10.

    Panik? Unsere Jugend ist sehr anfällig. Ihnen wird oft von unprofessionelle Klimaschützer eingetrichtert" die Welt geht bald unter" . Ich finde, so eine Behauptung verkündet auf einer Friday for Future -Bühne bei Demos, ist kein guter Balsam für ganz junge Menschen. Denen fehlt verständlicherweise noch die Einsicht, dass auch sie ihre alte Lebensweise die sie mit Unterstützung der Eltern noch haben, in Zukunft ändern müssen. Die Zukunft beginnt bei jeden nächsten Tag.

  2. 9.

    "[...] Man sollte dabei die Menschen aber nicht panisch verrückt machen."

    Das macht auch niemand. Aber Menschen, denen die Einsicht fehlt, dass wir unsere Lebensweise ändern müssen, geraten vielleicht in Panik...

  3. 8.

    Es knistert, knackt und knarzt, quietscht, prasselt und blubbert auf dem Festival. Es fehlt aber wohl der Lärm der Flugzeuge. Ein Verkehrsflugzeug verbraucht bis zu 10.000 Liter Kerosin pro Stunde. Der CO2-Ausstoß aller Fluggesellschaften beträgt 1 Milliarde Tonnen pro Jahr.

  4. 7.

    Ich habe zu dieser Installation o. soll man sagen wildem/gedanklich 'tiefen' Arrangement schon mehrere Einschätzungen gehört. Und auch schon gesucht, wo - hinzugucken ist(AdK Hanseatenweg).Der Eintritt ist frei, dass ist viell. das Beste, um s.überh. darauf einzulassen. Und doch ist der Grat klein, auf dem sich Ganze bewegt. Es ist wie eine Pfichtveranstaltung, die da abgehakt wird. Denn dass die Erde von uns kaum bemerkt, weil sich im Nano-Bereich der Veränderungen abspielend, begriffen ist, sollte doch längstAllgemeinwissen sein? Ich glaube, statt mir das Gequälte "in den dunklen Hallen" anzuhören oder zu erleben, gehe ich hinaus an die Havel o. warte das nächste Frühjahr ab. @1 hat Recht, die Vogelwelt ist dann das Schönste, was von "Kunst" schwerlich übertroffen werden kann. Kunst muss auch einmal anerkennen, dass mit der klassischen- impressionist. 'In-Szene-Setzung' der Welt ein Höhepunkt erreicht wurde. Auch wenn ein roter Streifen ü15 m lang gekunstelt ist -?

  5. 6.

    Sicher gut gemeint. Was fehlt, sind nach wie vor tragfähige, bezahlbare Konzepte zum Weiterleben. Das es ein Problem gibt, glaube ich schon. Das braucht man nun nicht täglich viermal erklären.

  6. 5.

    Nur das es „ kleine“ Unterschiede in den Zeitskalen und Folgen zwischen den natürlichen Klimaschwankungen und dem Antropozän

  7. 4.

    Nur das es „ kleine“ Unterschiede in den Zeitskalen und Folgen zwischen den natürlichen Klimaschwankungen und dem Anthropozän gibt.

  8. 3.

    Die Menschheit will den Klimawandel retten, dass wird ihr nicht gelingen. Sie kann nur mit Vernunft das Klima besser schützen. Woher stammen die Alpen im Süden von Deutschland? Sind da ein paar Millionen mehr Menschen daran schuld? Die Berge die sich aus einem Meer erhoben haben vor Millionen von Jahren, daran denken viele Menschen nicht daran. Erdplatten verschoben sich, neue Kontinente entstanden. Irgendwann nagt der Zahn der Zeit auch beim Gebirge. Wer glaubt den natürlichen Klimawandel könne man stoppen- der irrt sich. In unserer Zeit verändert sich die Erde ebenfalls. Wir merken es nicht jeden Tag, der Klimawandel wird jedoch die nächsten Generationen auch beschäftigen. Die Wissenschaft kann messen, schätzen, beobachten und den dringenden Klimaschutz anraten. Man sollte dabei die Menschen aber nicht panisch verrückt machen.

  9. 2.

    Ja, die Erde ächzt unter der Last von 8 Mrd. Menschen. Die pure Zahl und natürlich deren Anspruch auf ein gutes Leben, müssen zwangsläufig den Planeten für uns verändern und zwar sehr zum Negativen. Und niemand komme damit, dass wir in den Industrieländern die Hauptverursacher sind und unsere Ansprüche runterschrauben sollen. Das führt nur zu weiterem Bevölkerungswachstum über Ressourcenfreigabe und weiter Richtung ökologischem Zusammenbruch. Die Mutter der großen Probleme unserer Zeit ist die Überbevölkerung. Aber genau wie bei anderen Problemen will man die Wahrheit nicht sehen und wird so das Problem nicht lösen können. Die Natur ist längst dabei, die Lösung zu übernehmen. Will man das? Die Natur ist dabei gnadenlos und brutal.

  10. 1.

    Ich hatte eine Amsel von April bis August 2022 im Garten. Die trillerte den ganzen Sommer jeden Tag von morgens bis abends ununterbrochen: Da ta ta düü ( wie ein Polizeiauto im Not-Einsatz). Nicht nur die Erde ächzt und stöhnt, auch gewohnte Vögel die den Lärm der Menschen und deren Autogeräusche schon nachmachen.
    Das Festival " Time to Listen" kann ich mir sparen., wenn Vögel im Freien schon verschiedene Töne imitieren die nerven.

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