Spezialeinheit in Strausberg - Neues Bundeswehr-Regiment gegen ABC-Kampfstoffe nimmt Dienst auf

Do 07.04.22 | 16:21 Uhr | Von Christoph Hölscher
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Oberst Stephan Saalow (l-r), Kommandeur des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr, Dietmar Woidke (SPD), Siemtje Möller, Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung und Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis nehmen am feierlichen Appell zur Indienststellung des ABC-Abwehrregiments 1 in der Barnim-Kaserne teil. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 06.04.2022 | Christoph Hölscher | Bild: dpa/Patrick Pleul

Wenige Wochen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat die Bundeswehr ein Sonderregiment in Strausberg in Dienst gestellt. Die Einheit ist spezialisiert auf die Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Kampfstoffe. Voll einsatzfähig ist sie noch nicht. Von Christoph Hölscher

Es ist ein düsteres Bild, das sich den eingeladenen Journalisten in der Strausberger Barnim-Kaserne bietet: schwerbewaffnete Soldaten mit Gasmasken und Schutzanzügen, Warnschilder mit der Aufschrift "Atom", spezielle Dekontaminationsfahrzeuge zur Reinigung von ABC-Kampfstoffen. Die im Kasernenhof für die Presse aufgebaute Spezialtechnik nebst Personal soll einen Eindruck von den Aufgaben und Fähigkeiten des neuen Regiments vermitteln.

So sei man im Falle einer Verseuchung mit Schadstoffen innerhalb von 30 bis 45 Minuten für die Dekontamination einsatzbereit, so der Kommandeur des ABC-Abwehrkommandos, Stephan Saalow: "Dabei haben wir einen Durchsatz von vier bis sechs großen Fahrzeugen und bis zu 30 Personen pro Stunde, abhängig davon, ob sie atomar verstrahlt oder durch chemische Kampfstoffe kontaminiert sind." Das sei nicht nur im militärischen Ernstfall wichtig, sondern könne auch im Zivilschutz Leben retten – etwa bei Unfällen in Atomkraftwerken, Chemiefabriken oder Laboren.

Reaktion auf Bedrohung durch Russland

Das neue Regiment ergänzt bestehende ABC-Kommandos in Bruchsal (Baden-Württemberg) und Höxter (Nordrhein-Westfalen). Die Entscheidung, im berlinnahen Raum eine weitere solche Spezialtruppe aufzustellen, fiel zwar schon vor gut zwei Jahren. Sie war aber bereits Folge der veränderten Weltlage nach der russischen Annexion der Krim 2014.

"Über Jahrzehnte haben wir unsere Fähigkeiten zur Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Gefahren immer weiter zurückgeschnitten, und nun bauen wir diese Fähigkeiten Schritt für Schritt wieder auf", so Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis, am Rande der Indienststellung des Regiments.

Dass diese nun in eine derart zugespitzte Weltlage fällt, sei zwar Zufall. Aber der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zeige, wie dringend notwendig der Ausbau der spezialisierten ABC-Abwehrkräfte sei, so die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium, Siemtje Möller (SPD): "Russland ist ein Staat, der schon ABC-Kampfstoffe in den Einsatz gebracht hat und darüber verfügt. Dementsprechend wichtig ist es, über die Fähigkeit zur Abwehr dieser Kampfstoffe zu verfügen."

ABC-Regiment bis 2027 voll einsatzbereit

Bis das neue Regiment in Strausberg voll einsatzfähig ist, werden aber wohl noch bis zu fünf Jahre vergehen. Momentan besteht es aus 180 Soldaten, bis 2027 sollen es 1.400 sein, die Hälfte davon Reservisten. Außerdem sind die jetzt schon in Strausberg stationierten Kräfte von den anderen Standorten Bruchsal und Höxter hierher verlegt worden; es gibt also momentan noch keine zusätzlichen ABC-Experten in der Bundeswehr. Die sollen in den kommenden Jahren neu angeworben und ausgebildet werden – die Truppe wirbt hier um entsprechende Fachkräfte mit "querschnittlichen" Fähigkeiten.

Insgesamt sollen sieben Millionen Euro in den Bundeswehrstandort Strausberg investiert werden, der damit weiter aufgewertet werde, so Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD): "Die Bundeswehr ist damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und prägender Teil der Stadt Strausberg." Das sei umso erfreulicher, als die Bundeswehr noch 2019 überlegt habe, sich ganz aus Strausberg zurückzuziehen. Nun sitzt hier eine Truppe mit ganz besonderen Fähigkeiten und Ausstattungen, die sie hoffentlich nie im Ernstfall einsetzen müssen.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 06.04.2022, 19.30 Uhr

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Beitrag von Christoph Hölscher

4 Kommentare

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  1. 4.

    Das Rad wird nicht neu erfunden, es werden zusätzliche angeschafft, da schon vor einiger Zeit der Bundesregierung gedämmert hatte, dass der Frieden in Europa nicht mehr gesichert ist. "Über Jahrzehnte haben wir unsere Fähigkeiten zur Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Gefahren immer weiter zurückgeschnitten, und nun bauen wir diese Fähigkeiten Schritt für Schritt wieder auf", so Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis,

    Dabei hatte die BW ebenfalls ABC-Schutzausrüstungen beginnend bei der persönlichen Maske samt Overgarment bis zu den ABC-Abwehreinheiten, deren Struktur sich im Lauf der Zeit häufig geändert hat. Technologisch führend war dabei auch der Spürfuchs.

  2. 3.

    Das Rad wird nicht neu erfunden, es werden zusätzliche angeschafft, da schon vor einiger Zeit der Bundesregierung gedämmert hatte, dass der Frieden in Europa nicht mehr gesichert ist. "Über Jahrzehnte haben wir unsere Fähigkeiten zur Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Gefahren immer weiter zurückgeschnitten, und nun bauen wir diese Fähigkeiten Schritt für Schritt wieder auf", so Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis,

    Dabei hatte die BW ebenfalls ABC-Schutzausrüstungen beginnend bei der persönlichen Maske samt Overgarment bis zu den ABC-Abwehreinheiten, deren Struktur sich im Lauf der Zeit häufig geändert hat. Technologisch führend war dabei auch der Spürfuchs.

  3. 2.

    Hatte die NVA alles gehabt. Dort spielte das Thema KCB-Schutz eine zentrale Rolle und hat vielen ehemaligen Soldaten/Berufssoldaten in der Coronapandemie sehr geholfen besser mit der Situation klar zu kommen. Bereits den Wehrpflichtigen wurde ein heute nicht mehr übliches Wissen vermittelt. Auch die KCB-Ausrüstung (z.B. der zweiteilige Schutzanzug) ist bis heute unübertroffen. Das BKA hat damals versucht von Brandenburg noch diese Ausrüstung für eigene Kräfte zu übernehmen, allein die angewiesene Vernichtung war schneller.
    Tja, genauso wie der Katastrophenschutz (in Ost und West) wurde alles platt gemacht und jetzt erfinden wir das Fahrrad neu.

  4. 1.

    Leider sind einige Träumer noch immer nicht aufgewacht und in der Realität angekommen. Eine dauerhaften Frieden wird es ohne Waffen nicht geben. Ein solches pazifistisches Denken ist seit der Erfindung der Keule Geschichte. Wir müssen deshalb verteidigungsbereit sein.

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