Suche nach Alternativen - Bahn will mehrere Reisezentren in Brandenburger Bahnhöfen schließen

Do 25.08.22 | 12:54 Uhr
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Symbolbild: Reisende stehen am 07.06.2022 am Berliner Bahnhof Gesundbrunnen vor dem Reisezentrum. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 24.08.2022 | Thomas Bittner | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Bahn-Tickets können inzwischen auch an Automaten oder digital erworben werden, vor allem ältere Kunden kaufen aber gerne weiter am Schalter. Dennoch will die Bahn jetzt in Brandenburg Reisezentren schließen. Kommunalvertreter sind verärgert. Von Thomas Bittner

Wittenberge hat eine lange Tradition als Eisenbahnknoten. Das 175 Jahre alte klassizistische Bahnhofsgebäude kündet noch heute davon. Aber Fahrkarten kann man hier schon lange nicht mehr kaufen. Ein kleiner Container vor dem leer stehenden Haus dient als Reisezentrum der Deutschen Bahn. Doch selbst dieses Provisorium steht vor dem Aus.

Wenn im Dezember der Fahrplanwechsel ansteht, gibt es auf einigen Regionalstrecken neue Betreiber. Die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) hat für zwei ehemalige Linien der DB Regio den Zuschlag bekommen. So wird der viel genutzte Regional-Express RE 1 von Brandenburg und Potsdam nach Berlin und weiter nach Frankfurt (Oder) in der Hauptverkehrszeit alle 20 Minuten fahren. Mit dem RE 8 kommen ODEG-Fahrgäste vom Flughafen BER über Berlin auch nach Wittenberge.

Der Betreiberwechsel hat allerdings Auswirkungen nicht nur auf den Zugverkehr, sondern auch auf die dazugehörige Infrastruktur. Zurzeit betreibt die Deutsche Bahn in Brandenburg fünf Reisezentren: in Cottbus, Frankfurt (Oder), Brandenburg/Havel, Rathenow und Wittenberge. Doch diese will die Bahn nun nicht mehr alle weiterbetreiben.

Nach derzeitigen Plänen sollen von den fünf DB-Reisezentren mit insgesamt 20 Mitarbeitenden nur die in Cottbus und Rathenow erhalten bleiben, die Ticketzentralen in Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder) und Wittenberge werden geschlossen. Die Beschäftigten wechseln in andere Reisezentren in Berlin, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern.

Wittenberge akzeptiert den Verlust des Reisezentrums nicht

Für Oliver Hermann, den Bürgermeister von Wittenberge, ist der Verlust des Reisezentrums in seiner Stadt nicht akzeptabel. "Einerseits gibt es den angekündigten Deutschland-Takt, also eine Frequenzerweiterung. Es soll ein Bahnsteig hier gebaut werden, 2027 wird die Landesgartenschau hier stattfinden. Und dann soll's hier kein Ticketing mehr für den Fernverkehr geben? Ich glaub, das passt nicht richtig zusammen."

Am Gleis des Bahnhofes Wittenberge steht ein ICE. (Quelle: dpa/Oliver Gierens)
Bild: dpa/Oliver Gierens

Ausgerechnet Wittenberge. Hier halten die Züge der ICE-Flotte, aber auch IC- und EC-Verbindungen gibt es. Selbst nach Westerland auf Sylt kann man ohne Umsteigen mit der Bahn reisen. Einen Ticketschalter für diese Züge aber wird es ab Dezember nicht mehr geben, wenn es bei den Plänen bleibt.

Die Deutsche Bahn verweist darauf, dass viele Kunden Online-Tickets kaufen oder die Bahn-App nutzen. Außerdem gibt es noch die Fahrkartenautomaten am Gleis. Und dennoch: Vor allem ältere Bahnkunden wünschen sich auch zukünftig Beratung und Hilfe direkt am Ticketschalter.

Hoher Aufwand für Fernverkehr-Tickets

Die ODEG wird Nahverkehrs-Tickets entlang ihrer neuen Strecken auch an Schaltern verkaufen. Fahrkarten für Fernzüge wird es dort aber nicht mehr geben, weil das in der Ausschreibung nicht verlangt war. "Der Verkauf von Fernverkehrstickets zieht einen erhöhten Personalbedarf für die Beratungsgespräche sowie zusätzlichen Aufwand für die Schulung der Mitarbeiter in den Fernverkehrstarifen nach sich", schreibt die ODEG auf rbb-Anfrage. Dieser Aufwand sei nicht kalkuliert.

Brandenburgs Infrastrukturministerium verteidigt die fehlende Verpflichtung der neuen Betreiber zum Ticketverkauf. Das Land sei nur für den Nahverkehr auf der Schiene zuständig, um den Fernverkehr müsse sich der Bund kümmern. Aus rechtlichen Gründen sei es nicht möglich, bei der Vergabe auch diesen Vertrieb auszuschreiben.

Ticketverkauf über Konkurrenz?

Das Ticket-Dilemma entsteht auch durch das Hin- und Herschieben von Verantwortung zwischen Bund und Ländern. Jetzt will man in Brandenburg die Bahnkonkurrenten wenigstens für pragmatische Lösungen gewinnen. Minister Guido Beermann, CDU, sagte im rbb: "Das Land ist auf die Beteiligten zugegangen." Die Deutsche Bahn müsse mit der ODEG sprechen, ob man nicht gemeinsam auch Ferntickets verkaufen könne.

Das scheitert allerdings nicht selten an den Konditionen der Deutschen Bahn. Die Provisionen des Staatskonzerns für Kartenverkäufe, etwa bei Reisebüros oder Agenturen, sind in den letzten Jahren immer weiter zusammengestrichen worden. Jeder beratungsintensive Schalter-Kunde, der nach langem Hin und Her eine Fahrkarte nach Garmisch-Partenkirchen oder Flensburg kauft, wäre Kassengift für die ODEG-Ticketzentralen.

Neues Kundenzentrum im Frankfurter Bahnhof

Und dennoch ist Bewegung in die Sache gekommen. Landtagsabgeordnete, Stadtverordnete und Bürgermeister haben nachgefragt und Vorschläge gemacht.

Nach Beermanns Worten wird gemeinsam mit DB Region und der ODEG nach Lösungen gesucht. "Soweit ich weiß, klappt das für Frankfurt und Brandenburg, aber man ist auch insgesamt im Gespräch", sagte der Politiker.

In Frankfurt (Oder) wird die kommunale Stadtverkehrsgesellschaft SVF die Räume der DB übernehmen und zusammen mit der ODEG ein Kundenzentrum betreiben. "Es wird sich optisch etwas ändern, die Öffnungszeiten werden erweitert", sagt Magdalena Warchol, die Leiterin der Unternehmenssteuerung der SVF im rbb. "Wir hoffen, dass wir das in Richtung eines Mobilitätspunktes ausbauen können." Noch werden Service-Mitarbeiter gesucht, man könne sich bewerben.

Für Wittenberge ist eine solche Lösung noch nicht gefunden worden. Und die Zeit läuft. In weniger als vier Monaten ist Fahrplanwechsel.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 24.08.2022, 19:30 Uhr

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82 Kommentare

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  1. 82.

    Ich buche wegen meiner Behinderung seit Jahren meine Tickets per Telefon und hole sie mit einem Zahlencode am Automaten ab.

    Klappte seit Beginn super.

    Vielleicht stellen Sie sich ungeschickt an?

  2. 81.

    "Je weniger Services die Bahn anbietet umso weniger Menschen werde die Bahn nutzen" Steile These! Woran machen Sie die fest?

  3. 80.
    Antwort auf [Ich] vom 26.08.2022 um 11:24

    Wer ist denn pauschal der genannte Bund genau ? Das ist alles immer so wischiwaschi. Da muss es doch auch Gesichter dahinter geben. Wahrscheinlich nicht nur eins, sondern hunderte oder sogar noch mehr.
    Warum werden diese nicht zur Rechenschaft gezogen, und ist der Bund nicht, grob vereinfacht, eigentlich der Steuerzahler selbst, vertreten durch die "Sparer " ?

  4. 79.

    Was ist eigentlich anders in Cottbus und in Rathenow, dass dort eine DB Beratung und Verkauf möglich ist ? Die Politische Lobby etwa ?

  5. 78.

    Haben Sie schon mal versucht, ein Ticket am Telefon zu buchen, besonders, wenn sie sich erst mal über Möglichkeiten informieren wollen? Viel Spaß dabei!

  6. 77.

    Versuchen Sie einen Übergangsfahrschein zum Monatsticket VBB zur ersten Klasse am Automaten zu kaufen. Viel Glück!

  7. 76.

    Nun weiß ich immer noch nicht, warum es früher reibungslos ging ! Zudem stellt sich zuerst die Frage, warum Bahnfahren immer noch so teuer ist, obwohl schon vieles kaputt gespart wurde. Im Prinzip hat sich die Bahn selbst an die Wand gefahren.
    Ähnliches gilt für die ganze Republik.
    Warum geht es in anderen Ländern anscheinend pragmatisch und warum können keine Arbeitsuchenden eingesetzt werden? Verstößt der Kartenverkauf womöglich gegen Menschenrechte oder was spricht dagegen.

  8. 75.

    >"Je weniger Services die Bahn anbietet umso weniger Menschen werde die Bahn nutzen."
    Beschweren Sie sich bitte beim Land. Die hat den wohl preiswerteren Anbieter ODEG genommen und die DB auf diesen Strecken quasi geschasst. Damit funktioniert auch die Mischfinanzierung dieser Auskunfts-Zentren nicht mehr. Keine DB auf der Regionalstrecke = kein Reisezentrum. So einfach ist die Rechnung. Die DB ist nicht verpflichtet, Auskunftsbüros vor Ort zu betreiben. Das macht die nur, wenn genügend Kunden für Ihre Züge da sind.
    Also wenn jemand hier auf die Barikaden geht, dann gleich mal beim zuständigen Ministerium vorsprechen.

  9. 74.

    Das mit der Ap ,haben Sie nicht verstanden . Es ist für ältere Menschen diskriminierend davon auszugehen dass jeder ein Smartphone hat!
    Als Beispiel war ,nicht nur zum Bahnfahren brauche die sondern jetzt auch schon um eine Speisekarte zu lesen.

  10. 73.

    In meinem Wohnortort gibt es seit 30 Jahren keinen Fahrkartenschalter. Dafür fährt der Zug noch immer im 30 Minuten Takt. Da werden Sie als verwöhnte Berlinerin auch jammern - aber ich find es gut. Und da ist mir sowas von egal das das ja nur Regionalverkehr ist, die Gaststätte nur abends offen hat, der Döner vom Bahnhof 50m entfernt ist und die Toiletten ohne Musik auskommen müssen. Ich hab es überlebt.

  11. 72.

    "Wie soll denn das Bahnfahren jemals billiger werden?"
    Muss es nicht, wenn es gut funktioniert. Wenn das so ist, finde ich die Preise angemessen dafür, dass man schnell, sicher und doch eher komfortabel über eine lange Strecke (gilt natürlich für den Fernverkehr) chauffiert wird.
    Das sage ich auch für die dreiköpfige Familie, die wir sind. Bei fünf Köpfen rechnen viele schon anders zugunsten des Autos, und das kann ich auch gut verstehen...
    Fliegen allerdings schenke ich mir absolut - Frankreich, Polen, Dänemark, Schweden, alles mit der Bahn gut erreichbar. die Osterinsel dann eben nicht. Und zu dritt mit Urlaubsgepäck zur Ferienzeit schlackern Sie aber auch mit den Ohren, was Easyjet von Ihnen bezahlt haben will. :-))

  12. 70.

    In anderen Ländern ist der Service besser UND die Fahrt kostet weniger. Es geht, wenn man will, aber in Deutschland will man auch mit der Bahn nur Geld scheffeln!!

  13. 69.

    Sie können zu Hause schon planen, dass ein Zug ausfällt oder die Strecke wegen irgendwelcher Vorfälle geändert wird? Sie müssen Hellseher oder Hellseherin sein. Ich kann das nicht. Wenn man schon im Zug sitzt und der Anschlusszug ausfällt oder nicht erreicht wird, kann man erstmal nicht viel tun. Dann kommt man aber auf einem verwaisten Bahnhof an und irrt gemeinsam mit anderen Reisenden rum. Ich finde es absurd. Hauptsache man zahlt möglichst schon vorher und dann bleibt man sich selbst überlassen. Kohle her und Fresse halten sozusagen. Wer das gut findet, muss irgendwie masochistisch veranlagt sein.

  14. 68.

    Vielleicht sollte beim Kauf von Tickets im Reisezentrum ein Serviceaufschlag genommen werden. Ist ja in vielen Reisebüros auch so.

    Wie soll denn das Bahnfahren jemals billiger werden? Letztlich geht's nur über Service oder Löhne

  15. 67.

    "Sie verweigern sich der moderne?"
    Wie kommen Sie denn zu dieser Schlussfolgerung?
    Für den Fall das Sie nicht gelesen haben sollten, was ich geschrieben habe, holen Sie es nach.

  16. 66.

    Stückeln ist für die ganz Mutigen bestimmt eine Option, für uns als Gelegenheitsfahrer war es das nicht, weil wir gerne nur einen Ansprechpartner wollten und unsere Reservierungen durchgängig, und nicht mit evtl. Platzwechsel an der Grenze bzw. Ausstieg und warten auf einen anderen Zug, weil in Deutschland zwar noch Plätze frei, aber im Ausland noch nicht buchbar und bei Freischaltung des Datums dann vielleicht schon voll. Alles Theorie, die wir auch nicht austesten wollten.

    Den 'Troll' gab es für den alternativen Fakt, bei der DB wären Fahrradreservierungen grenzüberschreitend online gebucht worden.

  17. 65.

    Doch kann man. Reisezentren funktionieren während der Fahrt im Zug auch nicht!

  18. 64.

    Je weniger Services die Bahn anbietet umso weniger Menschen werde die Bahn nutzen. Als Kunde muss ich auch ohne Smartphone an Fahrkarten und eine Auskunft kommen können. Jedenfalls ohne lange zu suchen.
    Ansonsten wird das Auto die Nummer eins bleiben.

  19. 63.

    Selbst wenn wir mal davon ausgingen, dass alle ein Smartphone haben und es auch benutzen, müssen die Apps erstmal störungsfrei funktionieren und der sichere Zugang zum Internet gewährleistet werden. Die ODEG hat auf der Regionalbahnlinie nach Wittenberge WLAN an Bord. Ich bin in den letzten Wochen dreimal von Berlin in die Richtung und zurückgefahren. Ins WLAN einloggen konnte ich mich, aber das Signal war so schwach, dass ich gar nichts abrufen konnte. Datenempfang über meinen Provider war im Zug nicht möglich. Die DB hat in dem Zug nach Schwedt gar kein WLAN angeboten. Das gleiche letztens im RE 1 zwischen Fürstenwalde und Berlin-Friedrichstraße, wo es durch einen Zwischenfall zu einer Umleitung der Bahn nach Gesundbrunnen kam. Keine Chance für Leute, nach eventuellen Anschlüssen zu googeln. Man kann nicht einen Service abschaffen, wenn der andere nicht funktioniert. Man kann alles schön zu Hause planen, aber nur, wenn dann auch alles nach Plan läuft.

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