Prozessauftakt in Berlin - Kammergericht rollt Entführung durch vietnamesischen Geheimdienst auf

Mi 02.11.22 | 16:19 Uhr
Der Angeklagte sitzt im Fall der Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmanns am 24.04.2018 in einem Berliner Gerichtssaal auf der Anklagebank. (Quelle: dpa)
Audio: rbb24 Inforadio | 02.11.2022 | Peter Klinke | Bild: dpa

Vor fünf Jahren wurde in Berlin ein vietnamesischer Geschäftsmann entführt. Am Mittwoch hat gegen einen mutmaßlichen Täter der Prozess begonnen. Zum Auftakt haben die Anwälte des Vietnamesen eine Beteiligung des Mannes an der Tat bestritten.

Mehr als fünf Jahre nach der spektakulären Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmannes in Berlin hat der Prozess gegen einen 32-Jährigen begonnen. Dem Vietnamesen werden vor dem Berliner Kammergericht Beihilfe zur Freiheitsberaubung und geheimdienstliche Agententätigkeit zur Last gelegt.

Der Angeklagte habe sich unter anderem an der Ausspähung des Opfers im Vorfeld der Entführung beteiligt, heißt es in der zu Prozessbeginn am Mittwoch verlesenen Anklage. Laut Bundesanwaltschaft war für die Operation der vietnamesische Geheimdienst verantwortlich.

Die Verteidiger des Angeklagten kündigten eine Aussage für den zweiten Prozesstag am kommenden Montag an. Der Angeklagte sei an der "eigentlichen Entführung" nicht beteiligt gewesen, sagte einer der Anwälte. Sechs weitere Verhandlungstage bis zum 30. November sind terminiert.

Bundesanwaltschaft: Angeklagter war beteiligt

Das Opfer, der Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh - früherer Chef eines vietnamesischen Staatskonzerns - war am 23. Juli 2017 in Berlin überfallen und mitsamt seiner Freundin in einen Transporter gezerrt worden. In Vietnam wurde er wegen Korruptionsvorwürfen zweimal zu lebenslanger Haft verurteilt. Laut Bundesanwaltschaft war für die Operation der vietnamesische Geheimdienst verantwortlich.

Der 32-jährige Angeklagte sei an der Aktion beteiligt gewesen, so die Bundesanwaltschaft. Er sei während einer ersten Phase des Geschehens in Berlin im Vorfeld der Tat "an der Ausspähung und Observierung der beiden späteren Entführungsopfer eingebunden gewesen", heißt es in der Anklage. So seien die späteren Opfer beobachtet worden, als sie in einem italienischen Restaurant ihr Abendessen einnahmen.

Angeklagter wurde in Prag festgenommen

Die Bundesanwaltschaft geht zudem davon aus, dass der 32-Jährige unmittelbar in das Entführungsgeschehen eingebunden gewesen sei - entweder als einer der Insassen eines Tatfahrzeugs oder zumindest als "Teil der Absicherungs- und Observationseinheit bei der gewaltsamen Bemächtigung der beiden Opfer".

Nur zwei Stunden nach dem Überfall und Verbringung der Entführten in die vietnamesische Botschaft in Berlin sei der 32-Jährige mit einem weiteren Fahrzeug, das der Botschaft gehört habe, zurück nach Prag gefahren, "wo er sich für spätere logistische Aufgaben bereithielt", so die Anklage. Der Mann wurde im April 2022 in Prag festgenommen und Anfang Juni nach Deutschland ausgeliefert. Er soll die Entführungsopfer im Vorfeld ausgespäht und als Fahrer fungiert haben. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Bilaterales Verhältnis ist belastet

Das Berliner Kammergericht hatte bereits 2018 einen anderen Mann wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beihilfe zur Freiheitsberaubung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Thanh, ein früherer Manager, hatte in Deutschland politisches Asyl gesucht. Wegen seiner Entführung hatte die Bundesregierung den offiziellen Vertreter des vietnamesischen Geheimdienstes in Deutschland und einen Diplomaten ausgewiesen. Der Fall belastet seitdem die Beziehungen Deutschlands zur kommunistischen Staatsführung in Vietnam. Zunächst hatte die Bundesregierung Thanhs sofortige Freilassung gefordert. Dies wurde aber abgelehnt. Später gelang es zumindest, die Todesstrafe abzuwenden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.11.2022, 12:00 Uhr

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