Nach drei Jahren Pandemie-Schonfrist - Händler im Berliner Großmarkt fürchten Mieterhöhungen

Do 08.12.22 | 19:47 Uhr
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Archivbild: Morgendlicher Betrieb am Berliner Großmarkt
Video: rbb24 Abendschau | 08.12.2022 | Vanessa Materla | Bild: dpa/Paul Zinken

Der Berliner Großmarkt in Moabit ist ein wichtiger Handelsplatz für die Hauptstadt. Nach mehreren Jahren Corona-Schonfrist möchte der Senat dort nun die Mieten für die Händler anheben - das löst an der Beusselstraße Zukunftsängste aus.

Etwa 330.000 Quadratmeter Fläche, 2.500 Beschäftigte und 580.000 Tonnen bewegte Ware pro Jahr - der Berliner Großmarkt an der Beusselstraße in Moabit gilt als "Bauch Berlins". Und in dem grummelt es zurzeit. Denn der Senat möchte nach drei Jahren Corona-Pause die Miete für die Händlerinnen und Händler erhöhen.

"Aktuell zahlen wir knapp zwei Millionen Euro im Jahr", sagt Nils Doerwald, Vorstand des Berliner Fruchthofs. Er ist der größter Mieter in den Hallen und vertritt zugleich die Interessen der anderen Mieter. "Sollten die Mieten wie angekündigt in Gänze erhöht werden, so wie es vertraglich möglich ist, dann reden wir über Erhöhungen von knapp 18,7 Prozent - mindestens", so Doerwald.

Preiserhöhungen landen bei Verbrauchern

Die jüngsten Krisen haben auch den Großmarkt getroffen: erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine. Zuletzt wurden laut Doerwald schon die Betriebskosten im Markt um 37 Prozent erhöht. "Weitere Kostenerhöhungen führen letztendlich auch zu weiteren Preissteigerungen für die Verbraucher. Wir haben die Sorge, dass frische und gesunde Nahrungsmittel immer mehr zum Luxusgut werden", sagt der Interessensverteter. Viele Händler hätten zudem schlicht Existenzängste.

Hoffnung auf Entlastungen

Der Großmarkt gilt als Teil der Daseinsvorsorge und befindet sich deshalb in öffentlicher Hand - Eigentümerin ist die landeseigene Berliner Großmarkt GmbH (BGM). Ende Oktober verbreitete sich im Markt die Nachricht, dass die BGM vom Senat dazu angehalten wurde, die Mieten an der Beusselstraße vertraglich zu erhöhen.

Die Händlerinnen und Händler hofften dagegen auf eine weitere Verschonung - ähnlich, wie es kurz zuvor für die landeseigenen Wohnungsgesellschaften für private Mieterinnen und Mieter beschlossen wurde. Stand jetzt: vergeblich. "Hier sehen wir Finanzsenator Wesener und Wirtschaftssenator Schwarz in der Pflicht, ihre Gesellschaft mit Entlastungsgeldern so finanziell zu unterstützen, dass von Mieterhöhungen abgesehen werden kann", sagt Nils Doerwald.

Der Senat wollte sich auf Anfrage nicht zu Details äußern.

Das Alter hinterlässt Spuren

Seit 1965 befindet sich der Großmarkt schon an der Beusselstraße. Früher versorgte er alle Berliner Supermärkte und Einzelhändler mit Waren. Seitdem große Ketten auf eigene Lager und Versorgungsstrukturen setzen, sind die Kunden heute vor allem Krankenhäuser, Schulen, Kantinen, Restaurants, Obst- und Gemüsehändler. Die Bedeutung des Marktes ist noch immer groß - auch wenn die Händler klagen, dass er längst nicht mehr genug besucht werde.

Dass der Großmarkt schon bessere Zeiten hatte, zeigt sich auch vor Ort: Zwischen den vielen Kisten und Paletten sieht man dem Gebäude sein Alter an vielen Stellen an. Die Heizanlage ist fast 60 Jahre alt, marode und frisst viel Geld, weil die Gebäudestruktur die Wärme nicht halten kann. Dämmung: Fehlanzeige. Auch der Brandschutz ist nicht auf dem Stand der technischen Möglichkeiten, die Statik der Dächer macht beispielsweise eine Sprinkleranlage unmöglich. Sollte ein großes Feuer ausbrechen, müsste man die Hallen wohl kontrolliert herunterbrennen lassen.

"Gebäude ist nicht besser geworden"

Der Investitionsbedarf macht die drohende Mieterhöhung für die Händler noch schwerer nachvollziehbar. Das findet auch Björn Weihe, Geschäftsführer der Keuthmann GmbH, die Obst und Gemüse verkauft. "Wir sind schon länger mit dem Eigentümer der Gebäude in Gesprächen darüber zu modernisieren und sind auch bereit, Investitionen für die Zukunft mitzutätigen", sagt Weihe. In Sachen Miete seien die Händler in der Pandemie nicht entlastet worden - umso schwieriger zu akzeptieren sei jetzt die mögliche Erhöhung.

"Es ist nicht so, dass dieses Gebäude in den letzten fünf Jahren 20 Prozent besser geworden ist", sagt auch Nils Doerwald, "deshalb ist dieser Mietenanstieg schon unverhältnismäßig". Klar sei, dass Gewerbemieten steigen müssen - "wir wünschen uns hier aber eine gewisse Flexibilisierung".

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.12.2022, 19:30 Uhr

3 Kommentare

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  1. 3.

    Das Gebäude ist nicht besser geworden, aber das Geld ist weniger wert geworden. Für das Geld kann sich der Vermieter(passt in dem Beispiel jetzt natürlich weniger weil staatlich) weniger Waren bei den Händlern leisten, als noch vor 5 Jahren.

  2. 2.

    Das Land Berlin mal wieder als Kostentreiber, der dann auch noch als Vermieter seinen Pflichten bei der Unterhaltung der Immobilie spart. Wer leidet drunter, Gewerbetreibende, Konsumenten und Umwelt. Aber die breite Öffentlichkeit soll gefälligst sparen, kalt duschen und ÖPNV fahren. Ist man in der Landesregierung klar, was man da alles falsch macht? Wohl egal, Hauptsache die Einnahmen fließen ständig, und die Ausgaben bleiben niedrig. Es gibt ja genug Zahler.

  3. 1.

    "Es ist nicht so, dass dieses Gebäude in den letzten fünf Jahren 20 Prozent besser geworden ist", sagt auch Nils Doerwald, „

    Die verkaufte Ware aber auch nicht.

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