Südlicher Teil von Munition beräumt - In der Kyritz-Ruppiner Heide kann man wieder wandern

So 15.01.23 | 14:27 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Bisher konnte die Heide nur auf ausgewiesenen Wegen erkundet werden, nun ist der südliche Teil komplett frei. (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Audio: Antenne Brandenburg | 11.01.2023 | Björn Haase-Wendt | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

Über 40 Jahre lang haben sowjetische Truppen Bomben über der Kyritz-Ruppiner Heide abgeworfen. Jetzt ist eine größere Fläche im südlichen Teil von Munition beräumt - dort kann man seit Jahresbeginn wieder wandern. Von Björn Haase-Wendt

Mathias Wittmoser zeigt auf einen Erdhaufen in der Kyritz-Ruppiner Heide. "Hier war bis vor kurzem die Sperrschranke", sagt der Leiter des Amtes für öffentliche Sicherheit im Kreis Ostprignitz-Ruppin. Nur auf den festgelegten Wanderwegen durften sich Besucher bewegen, aber nicht abseits davon. Hinweisschilder warnten entlang der Wege vor der Explosionsgefahr.

Doch das ist zumindest im südlichen Teil der Heide jetzt Geschichte. Zum Jahreswechsel konnte ein 1.000 Hektar großes Areal aus dem Sperrgebiet herausgelöst werden, so groß wie etwa 1.300 Fußballfelder.

Keine erhöhte Gefahr

Zuvor gab es umfangreiche Untersuchungen durch ein beauftragtes Prüfbüro und den Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) des Landes Brandenburg. "Der KMBD hat am Ende entschieden, dass man die Fläche freigeben kann", erklärt Wittmoser. Denn im Boden wurden zuletzt nur noch ziviler Schrott und Stacheldraht gefunden, aber keine Bomben. Das jetzt freigegebene Gebiet erstreckt sich entlang der bereits freien Wanderwege zwischen den Ortschaften Rossow, Pfalzheim und Neuglienicke im Süden des einstigen Bombodroms.

"Freie Heide"

Für Ostprignitz-Ruppins Vize-Landrat Werner Nüse ist die Freigabe ein entscheidender Schritt. 40 Jahre lang hatten Sowjettruppen das weitläufige Areal als Luft-Boden-Schießplatz genutzt und Unmengen von Bomben abgeworfen. Nach dem Abzug der Truppen wollte die Bundeswehr das Areal weiternutzen, doch dagegen gab es über Jahre erheblichen zivilen Protest aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

2009 gab das Bundesverteidigungsministerium schließlich das sogenannte Bombodrom auf. "Die Forderung 'Die Heide muss frei sein' haben wir jetzt endlich auf der Fläche erfüllt", sagt der Vize-Landrat. Denn das südliche Areal kann nun wie ein normaler Brandenburger Wald erkundet werden. "Die ersten Rückmeldungen der Besucher sind ausnahmslos positiv, weil jetzt Dinge wie Wandern, Laufen, Pilze suchen wirklich frei auf dem Gebiet sind", sagt Olaf Wolff von der Naturparkverwaltung Stechlin-Ruppiner Land.

Mathias Wittmoser vom Landkreis (rechts) und Forstrevierleiter Christoph Licht erläutern die Verkleinerung des Sperrgebiets. (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)Mathias Wittmoser vom Landkreis (r.) und Forstrevierleiter Christoph Licht (m.) erläutern die Verkleinerung des Sperrgebiets.

Autos sind tabu

In den vergangenen Wochen wurden unter anderem 130 Warnschilder und 16 Sperrschranken abgebaut oder versetzt. Es gibt aber die Sorge, dass nun mit Autos verbotenerweise in die Heide gefahren wird. Landkreis, Naturparkverwaltung und die Forstverwaltungen haben entsprechende Kontrollen angekündigt. Auch sollte trotz Freigabe nicht wild durch die Heidelandschaft gelaufen werden, damit das Heidekraut und der Lebensraum für viele Tiere nicht zerstört werden.

Suche nach Streuwaffen

Ein Großteil der Kyritz-Ruppiner Heide bleibt allerdings absolutes Sperrgebiet. Denn auf gut 11.000 Hektar – nördlich des Sielmannhügels – werden noch Unmengen von Munition und Bomben vermutet. Die Beräumung konzentriert sich nur auf einen kleinen Teilbereich von gut 1.100 Hektar. Dort wird gezielt nach Streuwaffen gesucht, vor allem Kugelbomben, die oftmals als Blindgänger auf dem Areal des einstigen Bombodroms liegen.

Sie haben eine verheerende Durchschlagkraft und sind international geächtet. Mit dem Oslo-Abkommen hat sich auch Deutschland verpflichtet, solche Waffen nicht zu besitzen. Bis 2020 hätten die Streuwaffen in der Heide vernichtet werden müssen, doch der Termin war nicht zu halten. Die Bundesrepublik beantragte deshalb eine Verlängerung der Frist bis 2025.

Mehr als 200 Experten im Einsatz

5.500 Streuwaffen wurden bisher in der Kyritz-Ruppiner Heide gefunden. Wie viele es noch sein werden, kann Rainer Entrup, Leiter des Bundesforstbetriebes Westbrandenburg, nicht abschätzen. Er ist im Auftrag des Flächeneigentümers, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben für die Beräumung zuständig. Rund 150 Millionen Euro kostet das Vorhaben nach bisherigem Stand.

Derzeit ist unklar, ob die neue Frist eingehalten werden kann. "Es gibt die Gefahr, dass es länger dauern könnte. Wir räumen mittlerweile in Bereichen, wo 40 Jahre lang mit Bomben, Granaten, Raketen und Streuwaffen scharf hineingeschossen wurde, damit haben wir da eine große Gemengelage", erklärt der Betriebsleiter. Mehr als 200 Mitarbeiter von zwei Kampfmittelräumfirmen sind derzeit auf der Fläche unterwegs, um die Streuwaffen zu finden. Dabei wird der Boden bis zu einer Tiefe von 30 Zentimetern durchsucht.

Auf gut 11.000 Hektar der Kyritz-Ruppiner Heide besteht weiterhin Lebensgefahr. Das Gebiet darf nicht betreten werden. (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

Keine weitere Öffnungsperspektive

So intensiv wird allerdings nur auf dieser "Verfachtsfläche". Das restliche Areal des früheren Bombodroms von gut 10.000 Hektar wird nicht komplett beräumt. "Dafür haben wir keinen Auftrag", sagt Rainer Entrup – auch weil es zu teuer und aufwändig wäre. Für Mathias Wittmoser vom Amt für öffentliche Sicherheit des Landkreises gibt es damit auf Jahre keine weitere Öffnungsperspektive, weil die Gefahr für die Besucher zu groß wäre.

Der Landkreis hofft, dass die südliche Freigabe der Heide jetzt mehr Besucher anlockt. Die Kyritz-Ruppiner Heide ist eine der größten zusammenhängenden Heideflächen Europas und Lebensraum für zahlreiche bedrohte Tier- und Pflanzenarten, wie den Wiedehopf. Besonders die Heideblüte im Spätsommer zieht mit der violett-leuchtenden Landschaft die Besucher an.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.01.2023, 18:25 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

5 Kommentare

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  1. 5.

    Karten gibts z.B. hier: https://www.kyritz-ruppiner-heide.de/home.html

  2. 4.

    Lieber RBB, da hätten Sie den Beitrag aber auch noch mit einer schönen Karte schmücken können, dass man mal sieht, was da jetzt freigegeben ist.

  3. 3.

    Danke an alle, die sich für die Freie Heide eingesetzt haben. Erinnere mich an nette Begegnungen und Gespräche bei den Osterspaziergängen dort, muss in den 90er Jahren gewesen sein :)
    Als nächstes nehmen wir uns den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag vor. Freue mich schon auf die diesjährigen Osterspaziergänge und bin gespannt darauf, wen ich da kennenlerne oder wiedersehe.

  4. 2.

    Um sich einen Überblick - im wahrsten Sinne des Wortes - bietet sich zum "mal gucken" der Heideturm auf dem Sielmannhügel an. Rd. 15 Meter hoch - inkl. Hügel runde 20 Meter. Vom Parkplatz "Sielmanns Kulturlandschaft" (bei Pfalzheim / Temnitzquell)sind es rd. 1,5 Km Fußweg in nördl. Richtung und in Pfalzheim selbst gibt es auch einen Fahrradverleih.
    Online gehts hier lang: https://360.kyritz-ruppiner-heide.de/index.html

    Schöne Ecke - lohnt sich.


  5. 1.

    Klasse, wieder ein Stück Natur der Natur und dem Menschen zurück gegeben.
    Hoffentlich wird alles geräumt.

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