Erdbeben-Katastrophe in Türkei und Syrien - "Mein Cousin ist unter den Trümmern gestorben"

Di 07.02.23 | 13:25 Uhr
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Kahramanmaras in der Türkei am 7.02.2023, nach dem schweren Erdbeben. (Quelle: dpa/Evrim Aydin)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 06.02.2023 | T. Majerowitsch | Bild: dpa/Evrim Aydin

Schwere Erdbeben haben in der Türkei und in Syrien massive Zerstörungen angerichtet. Mehr als 5.000 Menschen verloren ihr Leben. Auch in Berlin und Brandenburg sorgen sich Menschen um Verwandte in der Region - oder trauern bereits um sie.

  • Nach zwei schweren Erdbeben am Montag in der Türkei und Syrien steigen die Opferzahlen
  • Hilfe vor Ort wird durch extremes Wetter und Schneefall stark beeinträchtigt
  • Türkische und syrische Communities in Berlin und Brandenburg sammeln Spenden
  • Auch viele Hilfsorganisationen stellen Sachspenden und Soforthilfen bereit

Nach zwei schweren Erdbeben an der türkisch-syrischen Grenze ist die Zahl der Toten bis Dienstagfrüh auf mehr als 5.000 gestiegen. Aus beiden Staaten liefen bereits nach dem ersten Beben der Stärke 7,9 in der Nacht Berichte über eingestürzte Häuser ein.

Am frühen Nachmittag folgte eine zweite Erschütterung mit einer Stärke von 7,7, die weitere Gebäude zum Einsturz brachte. Zerstörte Straßen und unterbrochene Internet-Verbindungen machten es auch Stunden später schwer, das ganze Ausmaß der Katastrophe zu überblicken.

Archivbild: Nihat Sorgec in Berlin im Gespräch. (Quelle: dpa/J. Carstensen)
Nihat Sorgec, Bildungswerk Kreuzberg | Bild: dpa/J. Carstensen

"Wir konnten niemanden erreichen"

Für Menschen mit türkischen oder syrischen Wurzeln sind die Bilder aus der Region erschütternd. Der Berliner Nihat Sorgec ist in in Antakya geboren und aufgewachsen, nicht weit vom Erdbeben-Gebiet im Süden der Türkei. "Ich habe Verwandte dort. Mein Cousin ist unter den Trümmern gestorben und wir wissen noch nicht, was mit den anderen passiert ist", sagt der Geschäftsführer des Bildungswerks in Berlin-Kreuzberg im Gespräch mit dem rbb.

"Wir konnten niemanden erreichen. Ich habe überall Nachrichten verschickt." Wenig später habe Sorgec von seiner Schwester erfahren, dass Verwandte bei dem Erdbeben ums Leben gekommen sind. "Das ist schrecklich für uns und wir müssen das noch verarbeiten", sagt Sorgec der rbb24 Abendschau.

Mehmet Topcu aus Babelsberg, der mit seinem Vater im Erdbebengebiet telefoniert. (Quelle: rbb)
Mehmet Topcu aus Potsdam-Babelsberg | Bild: rbb

Schneefall behindert Rettungseinsätze

Mehmet Topcu aus Potsdam-Babelsberg hat ebenfalls besorgt mehrmals seine Familie angerufen. Seine Eltern seien draußen in der Kälte und im Schnee. "Keiner soll zurück in die Wohnungen, weil man Angst vor Nachbeben hat", sagt der Imbiss-Besitzer dem rbb.

Ein drohender Schneesturm könnte die Situation in den Erdbebengebieten in der Türkei und Syrien nach Einschätzung der Hilfsorganisation Care deutlich verschärfen. Aktuell befinden sich unzählige Menschen aufgrund von Warnungen vor Nachbeben oder, weil ihre Häuser und Unterkünfte eingestürzt sind, im Freien - trotz eisiger Kälte.

Die Hilfsarbeit werde durch das extreme Wetter und den Schneefall stark beeinträchtigt, weil viele Straßen nicht passierbar seien und man zahlreiche Lagerhäuser und Vorräte nicht erreichen könne.

Karte zeigt das Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien. (Quelle: rbb)
Die Karte zeigt die Erdbebengebiete in der Türkei und Syrien. | Bild: rbb

Deutsch-türkische Community in Berlin mit spontanen Spendenaufrufen

Nach den schweren Erdbeben reagierte die deutsch-türkische Community in Berlin mit spontanen Spendenaufrufen. "Ich fange sofort an zu weinen, wenn mich Bilder aus der Türkei erreichen", sagte Sozialpädagogin Züleyha Kafkas Öztürk am Montag der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Gemeinsam mit dem Konservatorium für türkische Musik in Kreuzberg habe sie eine von mehreren Spendenaktionen in Berlin gestartet.

Decken, Jacken, Mützen: Gesammelt werde alles, was gegen die Kälte schützen kann. Denn das Erdbeben traf die Menschen bei Eiseskälte mitten in der Nacht. "Umso glücklicher bin ich, wenn ich sehe, wie viele Menschen hierher kommen, um zu helfen", sagte Öztürk. Noch am selben Abend sollen mit Hilfe des türkischen Konsulates in Berlin die Spenden in die betroffenen Gebiete versendet werden.

Sie selbst sei Überlebende eines Erdbebens Anfang der 90er Jahre in der Türkei - für Öztürk daher eine Herzenssache. "Ich weiß noch, wie mir damals geholfen wurde. Nachdem ich mein Hab und Gut verloren hatte, waren es auch Spenden anderer, die mich am Leben erhalten hatten", sagte die Sozialpädagogin. Dass so viele hilfsbereite Menschen trotz ihrer Trauer mit Koffern und Kartons voll mit Spenden ankämen, mache sie stolz.

Hilfsorganisation sagen Unterstützung zu

Auch mehrere Hilfsorganisation sagten ihre Unterstützung zu.

Die Johanniter schicken ein Erkundungsteam in die Region. Momentan befinde es sich in der Orientierungsphase, sagte Magdalena Kilwing, Leiterin der Not- und Soforthilfe in der Johanniter-Auslandshilfe, am Dienstagmorgen im rbb. Im Fokus sei vor allem der Bereich Gesundheit. Man könne Medikamente und Equipment liefern, außerdem in Bezug auf die Winterhilfe etwa Schlafsäcke und warme Kleidung, so Kilwing im rbb24 Inforadio. Außerdem konzentriere man sich auf die Zusammenarbeit mit anderen Helferinnen und Helfern: "Ganz viel Arbeit besteht darin, sich zu vernetzen."

Das Bündnis "Aktion Deutschland hilft" kündigte eine Soforthilfe von einer Million Euro an. Neben medizinischer Hilfe würden auch Zelte, Heizstrahler, Decken, Thermokleidung sowie Grundnahrungsmittel für mindestens 5.000 Menschen dringend benötigt, die über Partnerorganisationen bereitgestellt werden sollten.

Die Diakonie Katastrophenhilfe stellte für Nothilfemaßnahmen "in einem ersten Schritt 500.000 Euro" bereit, wie das Hilfswerk der evangelischen Kirche mitteilte. Ein Team eines türkischen Partners sei auf dem Weg in die stark betroffene Region Hatay. Es müsse sichergestellt werden, "dass die Überlebenden bei derzeit einstelligen Temperaturen eine Unterkunft finden". Auch auf der syrischen Seite seien die Zerstörungen enorm. Hier sei gleichfalls eine Partnerorganisation in die Gebiete entsandt worden.

Soforthilfen und Sachspenden

Caritas International stellte 250.000 Euro bereit. "Unsere Partnerorganisationen in beiden betroffenen Ländern arbeiten unter Hochdruck daran, die genauen Bedarfe zu erheben", erklärte das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes. Das gesamte Ausmaß des verheerenden Erdbebens sei unklar. Vor allem die Informationen aus Syrien kämen sehr verzögert.

Die Hilfsorganisation Misereor sagte vorerst 100.000 Euro Soforthilfe zu, ebenso wie die Welthungerhilfe. Das Beben habe eine Region getroffen, "in der Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien Schutz gesucht haben", teilte die Welthungerhilfe mit. "Es wird damit gerechnet, dass noch viele Opfer unter den Trümmern liegen."

Berliner sammeln tonnenweise Hilfsgüter

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.02.2023, 19:30 Uhr

14 Kommentare

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  1. 14.

    Wie der aktuelle rbb-Artikel 'Herz und Kaos' zeigt, lässt die Bürokratie allerdings so manche Hilfe gar nicht zu: Gebrauchte Kleidung z.B. ist als "unhygienisch" offenbar generell verboten. Daher sollte man das konkrete Helfen in der aktuellen und auch den schon lange währenden Katastrophen am besten jenen überlassen, die darin langfristige Erfahrung haben: "Ärzte ohne Grenzen" bittet z.B. vor allem um regelmäßige Geldspenden - aber auch einmalige sind natürlich sehr hilfreich:
    https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/erdbeben-syrien-tuerkei-ueberwaeltigender-bedarf

  2. 13.

    Ja, das hoffe ich auch. Alle sind unschuldig, schickt denen so viel Hilfe wie ihr könnt. Unterstütz sie alle. Und betet das es so schnell wie möglich aufhört

  3. 12.

    Ganz sicher gibt es andere Themen, zumindest für denjenigen der sich keine Gedanken machen muss wo er die nächste Nacht verbringt.....sprich mit seinem A.... im warmen sitzt und Angst hat das er was abgeben soll.

  4. 11.

    Ganz sicher gibt es andere Themen, zumindest für denjenigen der sich keine Gedanken machen muss wo er die nächste Nacht verbringt.....sprich mit seinem A.... im warmen sitzt und Angst hat das er was abgeben soll.

  5. 9.

    Der abgebrannte KFZ-Meisterbetrieb in der Ahornstr. Potsdam Babelsberg sammelt Sachspenden ( aber nur Windeln, Babynahrung, damenhygiene ). Auf dem Gelände stehen 2 Container dort sind sie heute noch bis 16:00 Uhr.

  6. 7.

    Erhard, ihr Verweis auf die Ukraine ist hier völlig fehl am Platz.
    Mein Mitgefühl an die Opfer dieser fürchterlichen Katastrophe.

  7. 6.

    Mit der deutschen Unterstützung scheint es ja wieder recht fix zu gehen. Rettungsstaffeln mit Hunden, humanitäre Hilfe und wieder Millionenzusagen...wie damals im Ahrtal....toll

  8. 5.

    So schlimm wie das ist, es bleibt ein Naturereignis .
    Wie mag es den Menschen in den Städten der Ukraine gehen? Da ist ein verbrecherischer Staat die Ursache, nicht die Natur.

  9. 4.

    Oh, je die Zeit von der letzten Februardekade 2022 bis jetzt lässt ja scheinbar gar nichts aus! Es ist eine Tragödie, nun noch ein Erdbeben dieser Dimension? Man muss helfen, aber Frau Serap Güler kennt ihren Erdo: Nicht nur auf dem Papier erdbebensicher bauen, auch in der Realität! Mögen wenigstens die Akkus der Smartphones der Verschütteten durchhalten bis die Rettung naht.
    Viel Glück und haltet zusammen! Ich werde an eine seriöse technische Gemeinschaft spenden, damit professionelle Hilfe wirksam wird.

  10. 3.

    Textilien habe ich nicht übrig. Aber welcher Geldspenden-Empfänger ist hier am effektivsten und zuverlässigsten? 'Ärzte ohne Grenzen' z.B. ist ja seit Längerem (auch) in dieser Region aktiv. - Gibt es konkrete Empfehlungen?

  11. 2.

    Eine Katastrophe mit unsäglichem Leid. Mögen alle Länder hier gemeinsam unterstützen und helfen, mit allem, was nötig ist. Allen, die betroffen sind, wünsche ich alles Beste und die Kraft, dies durchzustehen!

  12. 1.

    Schreckliche Katastrophe
    Mehr Worte finde ich dazu nicht

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