DDR-Baureihe der S-Bahn Berlin - Nummer 485 lebt - noch etwas länger

Mi 15.02.23 | 16:30 Uhr
  17
ARchivbild:Ein reaktivierter S-Bahn Viertelzug vom Typ 485 fährt am Freitag (04.03.2011) in Berlin-Schöneweide aus einer Werkshalle der S-Bahn Berlin.(Quelle:dpa/R.Schlesinger)
Audio: rbb 88,8 | 14.02.2023 | Juliane Kowollik | Bild: dpa/R.Schlesinger

Teilweise ist sie bereits aus dem Berliner S-Bahn-Netz verschwunden: Die aus der DDR stammende Baureihe 485 wird ausgemustert. Doch nun bleiben ein paar Züge länger als geplant auf der Schiene - und ein Wagen bekommt sogar einen Ehrenplatz.

Die von der S-Bahn Berlin als "Kind des Ostens" bezeichnete Baureihe (BR) 485 rollt nun doch noch etwas länger über die Schienen des Berliner S-Bahn-Netzes. Wie ein Bahnsprecher rbb|24 am Mittwoch bestätigte, sollen die Fahrzeuge planmäßig noch bis Ende des Jahres im Einsatz sein. Zuerst hatte die "Berliner Zeitung" berichtet.

Ursprünglich war der 13. April für die Ausmusterung der alten DDR-Baureihe vorgesehen gewesen. Sie kann nach Bahn-Angaben nicht mit dem sogenannten Zugbeeinflussungssystem (ZBS) ausgestattet werden, das ab Ende 2023 auf allen Strecken des Netzes erforderlich sein soll. Dadurch lässt sich beispielsweise die Geschwindigkeit besser überwachen und ermöglicht notfalls eine Abbremsung.

Archivbild:riebfahrzeugschlosser arbeiteten am Dienstag (30.08.2011) im Bahn-Reparaturwerk Wittenberge (Prignitz) an einem Viertelzug der S-Bahn Berlin.(Quelle:dpa/J.Büttner)
| Bild: dpa/J.Büttner

Zum kommenden Fahrplanwechsel soll Schluss sein

Der Weiterbetrieb der Baureihe 485 sei nun möglich, "weil die bisher für den Sommer geplante Umstellung des 'Nordkreuzes' auf das ZBS auf das Jahr 2024 verschoben wurde", so der Bahnsprecher. Einen neuen festen Termin für die Ausmusterung gebe es nicht, doch "zum nächsten Fahrplanwechsel im Dezember sollen sie endgültig aus dem Verkehr gezogen werden", hieß es.

Aktuell sind noch 30 Viertelzüge der Baureihe im Bestand, wie der Sprecher des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB), Joachim Radünz, auf rbb-Nachfrage mitteilte. Planmäßig sollen sie ausschließlich auf der Linie S85 zum Einsatz kommen. Der Weiterbetrieb sei zwischen VBB und Deutscher Bahn abgestimmt, sagte Radünz. Er habe nichts mit den zuletzt wieder gestiegenen Fahrgastzahlen zu tun, sondern erfolge deshalb, weil mehrere Fahrzeuge der Baureihen 481 und 480 aktuell für den Betrieb in den kommenden Jahren ertüchtigt würden. "Diese Lücke schließen vorübergehend die weiterhin eingesetzten Fahrzeuge der Baureihe 485 auf der S85 bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023", so Radünz.

S46 und S8 schon mit neuen Fahrzeugen ausgestattet

Bereits Mitte der 2000er Jahre sollte für die Baureihe 485 Schluss sein. Zur Unterstützung des Fuhrparks wurde jedoch ein Teil der Züge ab 2010 schrittweise reaktiviert. Die BR-485-Züge waren zuletzt auf den Linien S46, S8 und S85 unterwegs. Seit Mitte des vergangenen Jahres werden sie jedoch nach und nach durch Züge der neuen Baureihe 483/484 ersetzt. Ende Juni wurden zunächst die 485er der S46 ausgemustert, seit Mitte Oktober fahren sie auch nicht mehr auf der S8.

Ein großer Nachteil der älteren Züge gegenüber den neuen ist - neben den deutlich schwächeren Motoren -, dass durch Schlitze der Luftkühlung etwa Schneeflocken eindringen konnten, die an warmen Bauteilen schmolzen und sie so unter Wasser setzen konnten. Bei den neuen S-Bahnen werden die Unterboden-Container der Leistungselektronik weiterhin luftgekühlt - allerdings mit kalter Luft in separaten Kanälen.

Der erste Zug der neuen Baureihe hatte am 1. Januar 2021 den Betrieb aufgenommen. Insgesamt hat die Berliner S-Bahn bei den Herstellern Stadler und Siemens 106 dieser neuen Züge bestellt, von denen Ende 2023 der letzte ausgeliefert werden soll.

Archivbild:Ein S-Bahnzug der Baureihe 485 kurz vor Einfahrt in den Nordring-Bahnhof Schoenhauser Allee am 14.06.1999.(Quelle:imago images/J.Heinrich).Im Jahr 1999 war die BR 485 noch als "Cola-Dose" in Berlin unterwegs, so wie hier kurz vor der Einfahrt in den Nordring-Bahnhof Schönhauser Allee.

Früher "Cola-Dose" - bald im Technikmuseum

Die DDR-S-Bahnen wurden Ende der 1970er Jahre vom VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke "Hans Beimler" in Hennigsdorf (Oberhavel) entwickelt. Das Werk ging nach der Wende unter anderem durch die Hände von AEG, wurde von der früheren Daimler-Benz-Bahnsparte Adtranz übernommen und gehört heute dem kanadischen Verkehrskonzern Bombardier.

Die Züge lösten ab 1988 schrittweise die ersten elektrischen S-Bahnen der Baujahre ab 1927 ab. Die dann nach der Wende gebauten, heute rund 30 Jahre alten S-Bahnen aus Hennigsdorf wurden speziell auf das Berliner S-Bahn-Netz zugeschnitten, dessen Standards vor gut 100 Jahren entwickelt wurden. Lange fuhren diese mit roter Lackierung durch die Stadt, was ihr auch den Spitznamen "Cola-Dose" einbrachte. Ab 2002 erfolgte dann schrittweise die Umlackierung.

Offiziell trug die Baureihe bei der Deutschen Reichsbahn (Staatsbahn der DDR) die Bezeichnung 270, die Deutsche Bahn taufte sie später nach der Übernahme in Baureihe 485 um. Und auch wenn sie bald nicht mehr auf der Schiene unterwegs sein wird, verewigt wird sie trotzdem: Ein Wagen der Baureihe soll im Frühjahr als Ausstellungsstück an das Deutsche Technikmuseum übergeben werden.

Sendung: rbb 88,8, 14.02.2023, 10:30 Uhr

17 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 16.

    Die Ähnlichkeit zur BR 480 entspringt vermutlich dem Zeitgeist und damaligem Designempfinden

  2. 15.

    Ist heute relativ unwahrscheinlich. Dazu wird heute so viel Technik verbaut, die nun mal störanfällig ist. Wo nichts ist kann nichts kaputtgehen - oder glaubt jemand, dass ein heute gebauter VW in 40 Jahren noch fährt - wie Trabbi, Simson und Co. ?

  3. 14.

    Da die Zugsparte von Bombardier übernommen wurde, gehört das Werk seit bereits 2 Jahren Alstom.

  4. 13.

    Tja, die haben damals im Osten noch S Bahnen gebaut, die wenigstens 30 Jahre halten! Klappt das heutzutage!?

  5. 12.

    Es ist nicht geplant, dass da ein theoretisch fahrtüchtiges Fahrzeug erhalten bleibt. Also nix mit Halbzug.

  6. 11.

    @karpfen
    >dich stören die optischen und akustischen signale. hör- und
    >sehbehinderte sind genau auf solche signale angewiesen. diese ermöglichen teilhabe!
    Ja natürlich ist das sinnvoll. Es kann aber nicht sein, das die Warnsignale derartig nervtötend sind, dass sich wohl Anwohner in bahnhofsnähe beschweren. Derartig Hörbehinderte tragen in der Regel ein Hörgerät und da gibt es andere Möglichkeiten akustisch zu informieren/warnen (bspw. durch die gute alte Induktionsschleife ...)

  7. 10.

    Ich denke einfach, dass die Teilhabe von Seh- und Höreingeschränkten durch die Abfertigungspraxis der Züge schlichtweg unterlaufen wird: Da haben schon Menschen fast ohne Beeinträchtigungen zuweilen ihre argen Schwierigkeiten, wenn ohne Vorwarnung urplötzlich der Zug abgefertigt wird und die Türen schließen.

    In meinen Augen ist das kontraproduktiv - kontraproduktiv im Sinne WIRKLICHER Teilhabe wie auch kontraproduktiv bei demjenigen Umstand, dass Türen wieder aufgedrückt werden - weil Menschen schlichtweg überrascht werden. Allerdings gibt es zugegebenermaßen harte Naturelle, die extra noch dareinspringen, wo vorher das genuschelte "Zückbleim" kaum zu verstehen war, jetzt aber das bez. Warnsignal faktisch zum Animationssignal verkommen ist.

  8. 9.

    Die Baureihe 485 war schon bei Ihrer Serienlieferung 1990 mit dem Gleichstromantrieb veraltet, weil sie nicht dem damaligen Stand der technischen Entwicklung entsprach. Seit den 80er Jahren ging die Innovation zum Drehstromantrieb, auch im Westnetz der S-Bahn und U-Bahn. Die Ostzüge wurden erst 10 Jahre nach Entwicklung in Serie gebaut. Wegen solcher Defizite verschwinden sie früher von den Gleisen, selbst wenn sie jünger sind. Technisch spiegeln sie nur den Stand der Siebziger Jahre.

  9. 8.

    Ach niedlich... Gnadenfrist für die Coladosen... Da kommen Eisenbahnromantiker noch auf ihre Kosten.
    Wenn ein Halbzug betriebsbereit im Museum bleibt möglichst wieder im Originalzustand innen und außen, wärs dann aber ab 2024 auch gut mit den alten Wägelchens.

  10. 7.

    Nun ja, wenn man die Lebensdauer betrachtet,erstaunt es allerdings , daß ehm.70er Jahre Lokomotiven immer noch im Einsatz sind und die 485er sollen ihre Lebensdauer erreicht haben. Auch der Platz für die ZBS-Ausrüstung wäre da, weil schon in der Entwicklung PZB zur Debatte stand. Hauptproblem ist die verbaute Technik. Da gibt es Probleme mit der Versorgung/Verfügbarkeit von Ersatzteilen bzw.sind aufwendige Nachfertigungen für spezielle Bauteile notwendig.
    Ich werde die BR vermissen.

  11. 6.

    Ähnliche Gedanken habe ich auch immer bei den Ankündigungen "Neuer" U- und S-Bahn-Züge.
    Gerade bzgl. Energiebedarf (-verbrauch) hätte ich gerne mal ne unabhängige Übersicht bzw. ne Vergleichstabelle.
    Ich kann mir echt nicht vorstellen, das die alten/älteren Züge wahrlich so viel mehr Strom verbrauchen als die Aktuellen/Neuen.
    Wieviel neu Zug-Reihen gab es bei U- und S-Bahn seit der Wende?
    Auch in Anbetracht der Zuverlässigkeit habe ich die alten/älteren Züge unanfälliger in Erinnerung (wohl wegen dem ganzen fehlenden Digitalisierungs-Piss-Mist).

  12. 5.

    Die "Cola-Dose" auf dem Bild von 1999 ist ganz offensichtlich gerade aus dem Bahnhof Schönhauser Allee ausgefahren (und befindet sich auf dem Bild auf dem Weg Richtung Bornholmer Straße), also der Gegensatz des Behaupteten.

  13. 4.

    Was mir bei den Berichten über neue Bahnfahrzeuge etwas untergeht ist der spezifische Energieverbrauch.
    Gibt es da noch signifikante Sprünge im Energiebedarf/Personenkilometer durch neue Antriebe, Leistungselektronik etc.?
    Klimatisierung/Beleuchtung ist ja sicher auch nicht als Energieverbraucher zu unterschätzen bei solchen Fahrzeugen.

  14. 3.

    dich stören die optischen und akustischen signale. hör- und sehbehinderte sind genau auf solche signale angewiesen. diese ermöglichen teilhabe!

  15. 2.

    Muss es so plump sein? Diese Züge haben einfach das Ende ihrer Lebensdauer erreicht aber natürlich ist es simpler wie im ersten Kommentar von der Abschaffung aller toller Ost-Errungenschaften zu erzählen als korrekt zu sagen das sich die Nachrüstung für das neue Signalsystem für die alten Züge nicht mehr lohnt. Es ist zudem auch kein Platz für diese Nachrüstung vorhandenen, es müsste das Führerabteil vergrößert werden. Jammern ist aber für manche Zeitgenossen existenziell.

  16. 1.

    Als verstärker Züge könnten sie noch laufen oder z.b.auf der s85 mit 8 Wagen statt 6 wg. ,ausserdem waren sie schöner zu belüftet durch die vielen klappfenster und im Winter wärmer durch die Heizkörper unter den Sitzen und nicht so nervend wie 484/485 mit den ganzen elektronischen Gepiepse beim öffnen und schließen der Türen.Ich fand das das noch richtig gute Züge waren ,robust und nicht so störanfällig wie die ganze Elektronik. Aber mann kennt das ja alles aus dem Osten war schlecht u.muß weg

Nächster Artikel