Räumung von Container-Dorf - Wohnwagen-Bewohner in Köpenick befürchten Obdachlosigkeit

So 12.03.23 | 08:11 Uhr | Von Philip Barnstorf
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Verwaltungsgericht verbietet Wohnparks in Berlin-Köpenick. (Quelle: rbb)
rbb
Audio: radioBerlin 88,8 | 03.03.2023 | Nachrichten | Bild: rbb

Treptow-Köpenick will zwei nicht genehmigte Container-Siedlungen räumen lassen. Der Bezirk spricht von unhaltbaren Zuständen. Doch die Bewohner haben Angst, ihr bisschen Zuhause zu verlieren. Von Philip Barnstorf

Wenige Meter vor den Fenstern der Wohncontainer rollen S-Bahnen durch den Regen. Hier am Bahnhof Berlin-Grünau stehen rund 30 Container und einige Wohnwagen direkt neben den Gleisen. Etwa 120 Menschen leben dort nach Angaben des Bezirks Treptow-Köpenick, einige schon seit mehreren Jahren. Aber nun will der Bezirk die Siedlung räumen lassen - gemeinsam mit einer weiteren in der Moosstraße in Niederschöneweide. Was steckt hinter den Plänen? Und wie geht es den Bewohnern der Containerdörfer damit?

"Keene Zeit!", "Lasst mich in Ruhe!": Einige Bewohner reagieren unwirsch auf die Frage des rbb, wie sie die Bezirkspläne finden. Zwei junge Männer, die gerade in Trainingsanzug und Badeschlappen durch den Regen zum Duschcontainer huschen, sprechen weder Deutsch noch Englisch, weshalb kein Interview zustande kommt. "Die beiden kommen aus Rumänien", sagt der Bewohner des Containers nebenan. Er heißt Frank Setter und ist bereit mit dem rbb zu reden.

Mieten ohne Schufa

Vor anderthalb Jahren habe er sich von seiner Frau getrennt und deshalb aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen müssen, schildert Setter seine Lage. "Ich habe mich damals bei diversen Wohnungsbaugesellschaften und privaten Vermietern beworben", so der 50-Jährige. "Aber die wollten alle eine Schufa-Auskunft und wegen einiger unglücklicher Entscheidungen habe ich da leider einen Eintrag."

Dann entdeckte Setter, der derzeit auf Jobsuche ist, auf Ebay-Kleinanzeigen die annoncierten Container in Grünau. Eine Schufa-Auskunft verlangen die Vermieter nicht, wie aus Anzeigen ersichtlich ist. Jetzt lebt Setter auf knapp 20 Quadratmetern im Container. Die gut 500 Euro Miete zahlt das Jobcenter. Dusche und Bad teilt Setter sich nach eigener Aussage mit rund 15 anderen Bewohnern.

Inzwischen hat er sich neben den S-Bahngleisen eingerichtet. Zwei Minipapageien flattern aufgeregt in ihrem Käfig hin und her, als Setter ihren Futtertrog auffüllt. An der Wand hängt ein Bildschirm, auf dem winzigen Schreibtisch steht eine Spielkonsole.

Container haben ihn vor der Obdachlosigkeit bewahrt

Einige der rund 120 Bewohner der Container-Siedlung hätten "absolut ein Rad ab", sagt Setter. Die seien aggressiv und dealten mit Drogen. Mit anderen habe er sich dagegen angefreundet. Und nicht nur das: "Meine Nachbarin, die Issy, und ich kochen oft zusammen und gucken abends fern. Inzwischen haben wir uns als Paar gefunden." Die beiden würden gerne zusammenziehen, sagt Setter, fänden aber bisher keine Wohnung. Bis dahin halten sie es in den Containern am Bahnhof aus. "Ich kann hier die Tür hinter mir zu machen, und man kann hier leben. Aber Wohlfühlen wäre zu viel gesagt", sagt Setter. Dennoch habe ihn das niederschwellige Wohnangebot vor der Obdachlosigkeit bewahrt.

So geht es auch Filimon Dwen. Er wohnt einige Container weiter und kam nach eigener Aussage vor acht Jahren aus Sierra Leone nach Deutschland. Bis vor einem Jahr lebte der 34-Jährige auf der Straße. Ein Freund wohnte damals schon in einem der Container in Grünau und machte Dwen auf die Siedlung aufmerksam. Dwen zog dann ebenfalls in eine der Wohnboxen. "Das Leben hier ist okay", sagt er.

Seine Tochter und deren Mutter lebten in der Nähe. "Von hier kann ich sie jedes Wochenende besuchen", sagt Dwen, während im Hintergrund nigerianisches Radio über die dortigen Wahlen berichtet. Richtig wohl fühlt sich Dwen aber ebenfalls nicht. "Ich hätte gerne eine richtige Wohnung", sagt er. Auch arbeiten würde er gerne, "zum Beispiel als Putzkraft".

Bezirk will das Areal räumen

Von der möglichen Räumung durch den Bezirk hat Dwen noch nichts gehört. Sein Nachbar Frank Setter schon: Er nennt sie eine "eine bodenlose Gemeinheit. Einige Leute hier haben Angst, alles zu verlieren", sagt Setter.

Dem Bezirk Treptow-Köpenick ist laut Sprecherin Sabrina Kirmse bekannt, "dass in den betroffenen Siedlungen auch Menschen leben, die auf dem regulären Mietwohnungsmarkt keine Wohnung bekommen konnten". Die Räumung wolle man dennoch vorantreiben, unter anderem weil es in den Containersiedlungen in Grünau und in der Moosstraße an Brandschutzvorkehrungen fehle, sagt Kirmse. Der Bezirk bemängelt außerdem eine "Rattenplage" und "mangelhafte" Sanitäranlagen. Es bestehe "Gefahr für Leib und Leben der Bewohner", heißt es in einer Mitteilung [berlin.de]. Eine Räumungsanordnung des Bezirks hatte das Berliner Verwaltungsgericht kürzlich bestätigt.

Bezirkssprecherin Kirmse verspricht allen rund 150 Bewohnerinnen und Bewohnern aber auch, "dass für sie eine alternative Unterkunft gefunden und weitere Unterstützung angeboten werden wird". Ein solches Angebot haben nach eigenen Angaben weder Setter noch Dwen bisher erhalten. Das werde auch erst kurz vor der Räumung passieren, heißt es vom Bezirk.

Unklar, wann geräumt wird

Wann geräumt werden könnte, ist derweil unklar. Zuletzt hatte zwar das Berliner Verwaltungsgericht dem Bezirk grundsätzlich Recht gegeben, aber noch sind nicht alle Verfahren in der Sache abgeschlossen. So hat der Besitzer der Grundstücke am S-Bahnhof und in der Moosstraße, Ulrich Wolfgang Ziegler, nach eigener Aussage Beschwerde gegen den Gerichtsentscheid eingelegt.

Der Bezirk Treptow-Köpenick wirft Ziegler vor, es sei sein Geschäftsmodell, ungenehmigte Baucontainer vor allem Beziehern von Sozialleistungen anzubieten. Die Miete streiche der Betreiber dann direkt oder über ein Firmengeflecht vom Jobcenter ein.

Ziegler stellt die Sache anders da. "Natürlich will ich Geld verdienen", sagt er im Gespräch mit dem rbb. Es sei aber "Blödsinn", wenn man ihm Ausbeutung vorwerfe. Die Miete sei fair, weil die Mieter etwa Möbel, Waschmaschinen und Trockner gestellt bekämen. Und: "Außerdem: Was ist zu teuer, wenn die Leute aus der Obdachlosigkeit gerettet werden?"

Doch es bleibt die Frage, warum der 34-Jährige ohne Genehmigung vermietet - denn, dass er keine hat, gibt er gegenüber dem rbb zu - und warum er vom Bezirk stattdessen verlangt, die Nutzung "zu dulden oder nachzugenehmigen". Und vor allem: Warum die Bewohner beziehungsweise die Sozialbehörden für die Container direkt an den Gleisen 30 bis 40 Euro Miete pro Quadratmeter zahlen müssen - ein Wert deutlich über dem Preisdurchschnitt von Treptow-Köpenick.

Sendung: radioBerlin 88,8, 03.03.2023, 7:20 Uhr

Beitrag von Philip Barnstorf

140 Kommentare

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  1. 140.

    Zwingen kann man einen Vermieter kaum.

    Wie viele andere Vermieter vermiete auch ich nur noch per Indexmietvertrag

    Anders ist es nicht möglich, meine Kosten höchstmöglich zu decken

    Das Wohnungsproblem Word noch sehr viel größer werden

  2. 139.

    Teile von Galeria Kaufhof schließen. Das haben wir alle mit verursacht, weil wir weniger „EINKAUFEN GEHEN“
    Was hat das mit den Wohncontainern zu tun?
    Man könnte Kaufhof Wilmersdorf zu einer cleveren „Wohnmaschine“ umbauen.
    Da passen 400 Menschen rein. Schön warm, schön zentral und schön bezahlbar.
    Beim Wiener sozialen Wohnungsbau kann man nachlesen, wie das geht!

  3. 138.

    Also wird es auch in Zukunft keine bezahlbaren Wohnungen geben.

    Im Vergleich zu anderen Großstädten ist Berlin human

    Ich als Vermieter von 4 Wohnungen kann mich nicht beklagen

  4. 137.

    "Das Angebot zu steigern behebt das Problem eher als jeden Eigentümer zu zwingen zu vermieten. Es bringt auch mehr Dynamik in den Wohnungsmarkt."

    Weil der neoliberale Unsinn die letzten 40 Jahre so gut geklappt hat oder wie?

  5. 136.

    "Woher entnehmen Sie, dass die Rumänen mit Drogen handeln?" Und über gründliches lesen geht auch nix: getrennt mit Kommas; ich habe nicht geschrieben, dass die Rumänen mit Drogen handeln! Ist ja nicht so schlimm, wenn die, wie Sie mutmaßen, Wohnungen bauen.

  6. 135.

    Die Inbezugnahme der Wohncontainer ist ein Zeichen des Wohnungsmangels und der Tatsache, dass für viele Menschen der reguläre Wohnungsmarkt verwehrt ist.
    Es ist besser, das zu akzeptieren als zu agieren und die Menschen zu zwingen: Sie sollen mit dem Besen ausgekehrt werden aus ihrem Zuhause
    Gibt es eigentlich wirklich Einfühlung bei den verantwortlichen im Bezirksamt Köpenick?

  7. 134.

    Es geht doch nichts über ein verfälschendes Scheinzitat. Woher entnehmen Sie, dass die Rumänen mit Drogen handeln? Vielleicht sind das ja vielmehr welche von jenen Menschen, die für Niedriglöhne weit weg von ihren Lieben in 80-Stunden-Wochen die hier permanent geforderten Wohnungen hochziehen? Jedenfalls muss ich Ihre Nächstenliebe enttäuschen: Rumänien ist seit 16 Jahren Mitglied der EU. Diese Menschen können hier weder Asyl gewährt noch entzogen bekommen.

  8. 133.

    Wir werden m.E. in Berlin nicht um stapelbare Container herumkommen, weder bei Wohnungen noch bei Schulplätzen.
    Neu-/Ausbau dauert nun mal.

  9. 132.

    "Man könnte auch den jetzigen Grundbesitzer gegen Entschädigungszahlung als Land Berlin enteignen" warum denn? Man könnte mit ihm eine Einigung anstreben, dass er eine Genehmigung bekommt und die Auflagen erfüllt (intakte Sanitärräume und genügend Abstand um den Brandschutz zu gewahleisten und ausreichend Müllcontainer (die auf einem genehmigten Platz auch von der BSR abgeholt würden) aufstellen. Wenn er die Bewohner ordentlich anmelden würde, könnte man auch die, die hier keinen Anspruch auf Asyl haben, abweisen (s. Text: "Rumänen, kein deutsch, Drogenhandel....)

  10. 131.

    "Ja, was ist den so unmenschlich am umziehen ?" Dass die Menschen, um die es hier geht, weder über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen, noch sich eine Wohnung leisten könnten. Ihre Vita liest sich gut, geht aber hier leider am Thema vorbei...

  11. 130.

    1. Auf Berliner Baustellen arbeiten extrem viele Niedriglohn-Arbeiter u.a. aus Osteuropa mit prekären Lebensbedingungen; weiter runter geht kaum. Gute Arbeit kostet nun mal Geld, sonst funktioniert die ganze Gesellschaft nicht mehr. -- 2. Die Energiekosten steigen nicht nur aufgrund des aktuellen Krieges, sondern weil fossile Ressourcen definitiv bald am Ende sind. => Wer bei Sanierung und Neubau jetzt nicht richtig dämmt, muss für diesen Fehler später 2-, 3-,... vielfach nachzahlen.

  12. 129.

    Stapelbaren Container haben doch für andere Bevölkerungsteile auch ausgereicht. Verstehe diese Anspruchshaltung nicht.

  13. 128.

    Dass Sie die Nichtbebauung für einen Fehler halten, sei Ihnen unbenommen. Das haben in einer demokratischen Abstimmung nur ein paar Hunderttausende anders gesehen. Wollen Sie die auch wegen abweichender Ansichten der Stadt verweisen? -- Als Pankower bin ich kein Anwohner des Tempelhofer Feldes. Unabhängig davon darf aber dennoch jeder eine Meinung dazu haben. Und meine ist u.a., dass wir in Berlin UND in Brandenburg tatsächlich zu wenige wirklich naturnahe Erholungs- und Rückzugsflächen für Menschen und Natur haben. Und ja: Tatsächlich haben wir auch zu wenige günstige Wohnungen. Das sollten wir aber eben nicht lösen, indem wir einfach noch mehr Flächen zubauen, sondern, wie mehrfach gesagt, Leerstand bekämpfen UND bestehende versiegelte Flächen wie Parkplätze und Supermärkte überbauen. Was ist daran falsch?

  14. 127.

    Ja, was ist den so unmenschlich am umziehen ? Bin von Haselhorst nach Niedersachsen und dann nach Bayern gezogen. Seit zwei Jahren lebe ich wieder in Berlin. Grund: Eine Arbeitsstelle. Habe überall schnell Anschluß gefunden. In der Lausitz gibt es genügend leerstehenden Wohnraum zu günstigen Preisen. Auch ohne Schufa Auskunft.

  15. 126.

    Die Nichtbebauung des Tempelhofer Feld ist ein Fehler.

    Wenn Ihnen das Stadtleben nicht passt dann schlage ich Ihnen vor ins Umland zu ziehen. Das Problem in Berlin ist nicht das wir zu wenig Grünflächen haben sondern ein gesundes Verhältnis von günstigem Wohnungsangebot und der Nachfrage. Wenn Sie ein Anwohner des Tempelhofer Feldes sind ist es verständlich weshalb Sie nicht wollen das es bebaut wird aber man muss manchmal aufhören sich ausschließlich selbst zu sehen.

  16. 125.

    Es wird ja gebaut. allerdings kann niemand preiswert bauen! Auch Genossenschaften nicht mehr.

    Daher sind mehr günstige Wohnungen ein Traum und werden auch ein Traum bleiben, wenn die Kosten, Auflagen und Löhne auf dem Bau nicht sinken. Denn diese machen bauen teuer

  17. 124.

    Berlin wird nie günstigen Wohnraum bekommen können, wenn die Löhne für Bauarbeiter nicht sinken, die Produktionskosten für Baumaterialien nicht sinken und die Anforderungen an Wärmedämmung und Brandschutz nicht sehr deutlich gesenkt werden

  18. 123.

    Und warum ist Bauen so teuer? Durch sehr hohe Löhne, ständig steigende Kosten für Baumaterialien, sehr hohe Auflagen an Isolierung und Brandschutz ect

    Schraubt die Löhne runter, senkt die Produktionskosten für Baumaterialien und schafft Auflagen für Wärmeschutz ab - dann wird bauen billiger

  19. 122.

    Eine Entschädigung muss mindestens dem Marktwert entsprechen.

  20. 121.

    Die Energie die da investiert wurden um Menschen auf die Straße zusetzen, hätte man auch für neuen Wohnraum einsetzen können.
    Die Situation wird ja nicht besser sondern schlimmer, Berlin braucht unbedingt neuen bezahlbaren Wohnraum.

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