Berliner Staatsanwaltschaft - Zwei Ärzte wegen mehr als 1.000 vorgetäuschter Operationen angeklagt

Di 18.04.23 | 14:10 Uhr
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Symbolbild: Operation in einem Berliner Krankenhaus. (Quelle: dpa/A. Riedl)
Audio: rbb24 Inforadio | 18.04.2023 | Bild: dpa/A. Riedl

Sie hätten das "Barret-Syndrom" und bräuchten eine Operation, soll ein Schöneberger Arzt mehr als 1.000 Privatpatienten nahegelegt haben. Bei dem Eingriff wurden die Betroffenen dann aber nur betäubt - und abgerechnet wurde die komplette OP.

Zwei Ärzte aus Berlin sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren mehr als 1.000 Patienten von medizinisch nicht erforderlichen Operationen überzeugt haben. Bei den dann vorgenommenen Eingriffen sollen die Patienten nur betäubt worden sein, die Operationen selbst wurden wohl nicht durchgeführt.

Abgerechnet worden seien die Operationen gegenüber den Patienten jedoch. Dies soll, so die Berliner Staatsanwaltschaft in einem Schreiben vom Dienstag, das eigentliche Ziel der beiden Ärzte und einer 55 Jahre alten Arzthelferin gewesen sein. Gegen die drei Beschuldigten hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in 1.052 Fällen und des banden- und gewerbsmäßigen Betruges in 1.764 Fällen erhoben.

"Barrett-Syndrom" wider besseren Wissens diagnostiziert

Zwischen Januar 2013 und Juni 2018 soll der inzwischen 72-jährige angeklagte Internist in seiner Praxis in Schöneberg bei Privatpatienten, die ihn wegen Speiseröhrenbeschwerden, insbesondere Sodbrennen, aufsuchten, wider besseres Wissen ein "Barrett-Syndrom" diagnostiziert haben. Dieses mache - als mögliche Vorstufe einer Krebserkrankung - eine ambulante Operation unter Vollnarkose erforderlich. Ein nun ebenfalls angeklagter 67 Jahre alter Anästhesist soll dann die Betäubungen übernommen haben, ohne dass die Operationen durchgeführt worden seien.

Da vor diesem Hintergrund auch die Einwilligung der Patienten in Operationen unwirksam war, wertet die Staatsanwaltschaft diese 1.052 Fälle jeweils als gefährliche Körperverletzung.

Rechnungen für nicht erfolgte OPs für über 1.000.000 Euro

Der Anästhesist soll im Anschluss an die Behandlungen insgesamt Rechnungen mit einem Gesamtwert von 137.623 Euro für die nicht indizierten Narkoseleistungen gestellt haben. Der Internist unter Mithilfe der Arzthelferin, die auch seine Lebensgefährtin ist, schrieb Rechnungen für die nicht erfolgten Operationen über rund 1.051.100 Euro.

Beim "Barrett-Syndrom" handelt es sich um eine krankhafte Gewebeveränderung infolge einer chronischen Refluxerkrankung, die als Krebsvorstufe angesehen wird. Sie wird von Magensäure verursacht, die wiederholt zurück in die Speiseröhre fließt. Geschieht dies über einen längeren Zeitraum hinweg, kann sich das Gewebe im unteren Bereich der Speiseröhre verändern.

26 Kommentare

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  1. 26.

    Gerade Berufsstände, die in gewisser Weise uniformiert sind u./o. ein hohes Ansehen aus ihrer Tätigkeit ziehen, scheinen geneigt, ihr Betätigungsfeld recht lukrativ in weitere Bereiche auszudehnen:

    Nils Höger als Fachpfleger, der künstlich Notfälle provozierte, um dann ansehen-heischend Menschen retten zu können, was dann mehr als ein Dutzend mal allerdings schief ging; Menschen bei der Feuerwehr, die im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung eine überdurchschnittl. Zahl an Bränden legen, um sie dann spektakulär löschen zu können; hier also das Vortäuschen von Operationen, obwohl tatsächlich keine erfolgt sind; Axel Hilpert schließlich als systemübergreifend aktiver Mensch, der mit Geld befasst war: Das überhöhte Einkassieren von Fördermitteln für Leistungen, die in dieser Höhe so garnicht erbracht worden sind.

    Einfach achselzuckend zur Tagesordnung übergehen?
    Oder endlich mal die völlig falsche Ehrfurcht vor derlei Menschen verlieren, bei sonstiger Anerkennung ihres Tuns?



  2. 25.

    Ich frage mich ernsthaft, das man das als Patient hinterher nicht bemerkt?

  3. 24.

    Hier geht es nicht um "überflüssige" Op's, sondern um "keine" ausgeführte. Dieses ist zu unterscheiden. Dieser Betrug sollte mit Höchststrafe geahndet werden.

  4. 22.

    Es gibt diesbezüglich längst gute Recherchen u. Sachbücher zum Thema überflüssiger OPs. Ich hole mir z.B. eine 2. oder gar 3. Meinung von anderen Ärzten/Ärztinnen ein. Erst letztes Jahr wollte ich freiwillig einen Katheder Eingriff a. rechten Bein vornehmen lassen, denn es wurde eine Stenose festgestellt u.geraten zu Operieren. Am Ende einer 5 stündigen Untersuchung im Krankenhaus schimpfte der Oberarzt mit mir: Der schlechte Colesterin Wert sei schuld an all die Verstopfungen in den Blutadern. Dann schickte er mich nachhause u. fügte zuletzt hinzu: ich will sie hier die nächsten 3 Jahre nicht wiedersehen. Und achten sie immer auf den Colesterin Wert.
    Nun tue ich beides. Achte auf meine Ernährung und bewege mich. Laufen ist wichtig.

  5. 21.

    Aber ich gehe doch davon aus, dass hier eine lebenslange Freiheitsstrafe erfolgt.
    Dazu Gefängnis-Programm auf Mindestniveau.
    Mit Vortäuschung von Mahlzeiten.
    Oder hören wir bald von 2 Jahren auf Bewährung, weil sie ja sooo krank waren?

  6. 20.

    Au ja, das fände ich interessant.
    Gute Idee!
    Nur leider haben wir schon zu viel Bürokratie in den Krankenhäusern.

  7. 19.

    schon richtig, aber ob beiden Medizinern die Approbation entzogen wird, bleibt mal abzuwarten. Es gibt im Beitrag sehr viel > soll und sollen <

  8. 18.

    Der Entzug der Approbation ist das schlimmste, was einem Mediziner passieren kann. Als Arzt kann man bis ins hohe Alter, dann meist privatärztlich tätig sein, was viele noch machen. Auch das Alter zum Führen einer Kassenpraxis wurde hochgesetzt.

  9. 17.

    " Zwei Ärzte aus Berlin sollen... "

    interessant wäre noch zu erfahren wie dieses Verhalten aufgedeckt wurde, so dass die Staatsanwaltschaft tätig wird .

  10. 16.

    " nur einer Versicherung auffallen "

    vermutlich sind die " Operierten" bei unterschiedlichen Versicherungen , diesen Gedanken wird der Medicus auch berücksichtigt haben

  11. 15.

    das entfernte Gewebe muß histologisch untersucht werden und gehört mit zur Rechnung. Da offensichtlich nichts entfernt wurde
    fehlt dieser Nachweis

  12. 14.

    " den beiden Medizinern die Approbation entzogen "

    das wird die, bei dem genannten Lebensalter, nicht tangieren

  13. 13.

    „Kriminelle Energie des medizinischen Personals“……..diese Verallgemeinerung ist schon heftig. ……“dieses betreffende Personal“…..hört sich anders an und unterstellt nicht jedem in der Medizin Arbeitende üble Absichten. Mal davon abgesehen, dass ich solche Machenschaften einfach widerwärtig finde.

  14. 12.

    Aber Lesen können Sie schon ? Dann einfach noch mal gründlich durchlesen, dann erübrigt sich Ihr Kommentar

  15. 11.

    Eine befreundete Ärztin erzählte mir mal, dass auch unnötige Operationen durchgeführt werden.

  16. 10.

    So „fiktiv“ sind die Operationen aber nicht gewesen, wenn die Patienten grundlos sediert wurden. Daher müssten die Ärzte wegen gefährlicher Körperverletzung ebenfalls angeklagt werden

  17. 9.

    Aus Beweisgründen sollte jeder narkotisierte Patient einen vollständigen Video-Mitschnitt seiner OP sofort nach der OP erhalten. Technisch ist das sicher kein großes Problem. Aber es ist aufgrund des Datenschutzes (Persönlichkeitsrechte der handelnden Personen) in Deutschland nicht möglich.

  18. 8.

    Wo sehen Sie hier ein deutliches Systemversagen? Ich sehe hin diesen Fällen sehr dreiste kriminelle Handlungen des medizinischen Personals am Menschen. Es bleibt zu hoffen, dass hier eine ordentliche Bestrafung erfolgt und den beiden Medizinern die Approbation entzogen wird, die Ärztekammer in der in diesem Fall bestimmt nicht nachgiebig.

  19. 7.

    Lesen Sie doch bitte den Artikel: es handelte sich um Privatpatienten - die bekommen eine Rechnung. Da die Patienten aber in Narkose waren und dachten, sie wären tatsächlich operiert worden, konnten sie den Schwindel kaum selbst bemerken. So etwas kann bspw. nur einer Versicherung auffallen, wenn sie plötzlich von einem Arzt viele Rechnung für einen sonst nur selten vorgenommenen Eingriff bekommt. Gesetzliche Krankenkassen haben bei der Kontrolle solcher Dinge u.a. wegen des Datenschutzes leider mehr Schwierigkeiten.

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