Amtsgericht Tiergarten - 84-jährige Berlinerin nach tödlichem Unfall zu Geldstrafe verurteilt

Mo 14.08.23 | 18:33 Uhr
  28
Justitia am Kriminalgericht in Moabit. (Foto: picture alliance / Schoening )
Bild: picture alliance / Schoening

Eine 84-jährige Berlinerin ist rund ein Jahr nach einem tödlichen Verkehrsunfall zu einer Geldstrafe von 1.600 Euro verurteilt worden.

Das Amtsgericht Tiergarten sprach die damalige Autofahrerin am Montag der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig. Die Seniorin hatte in Berlin-Hermsdorf an einem Bahnhofsvorplatz eine Parkbank mitgerissen, auf der zwei Frauen saßen. Eine 73-Jährige starb wenige Tage später in einem Krankenhaus. Die Angeklagte habe es auf einer Strecke von 70 Metern nicht geschafft zu bremsen, hieß es im Urteil. Das Geschehen sei als ein Augenblicksversagen zu werten.

"Beim Starten schoss das Auto plötzlich wie verrückt los"

Die damals 83-Jährige war am 8. Juli vorigen Jahres gegen 13:45 Uhr in ihr Auto gestiegen. "Ich hatte Einkäufe erledigt", erklärte die Angeklagte im Prozess. "Beim Starten schoss das Auto plötzlich wie verrückt los." Sie habe dafür keine Erklärung. Den Unfall bedauere sie zutiefst. "Nach dem Unfall bin ich nie wieder Auto gefahren", so die Angeklagte. Auf ihre Fahrerlaubnis verzichte sie freiwillig.

Ein von der Verteidigung beauftragter Gutachter hatte erklärt, eintechnischer Defekt könnte zu der Beschleunigung geführt haben. Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Unfallsachverständiger hatte dagegen erklärt, er habe keine solche technischen Fehler feststellen können. "Durch einen Tritt auf die Bremse wäre eine Kollision zuvermeiden gewesen", so der Gutachter. Von acht bis neun Sekunden füreine Reaktion sei auszugehen bei dem vermutlichen Tempo von etwa 40 Stundenkilometern, mit dem der Kleinwagen unterwegs gewesen sei.

Richter folgt Staatsanwaltschaft

Mit der verhängten Strafe von 80 Tagessätzen zu je 20 Euro folgte der Richter im Wesentlichen dem Antrag des Staatsanwalts. "Unabhängig vom Alter - es reicht, eine Sekunde nicht Acht zu geben. Hier waren es acht bis neun Sekunden der Fahrt, in denen die Angeklagte nicht optimal reagiert hat", so der Anklagevertreter.

Die Strecke hätte ein Bremsen zugelassen, stand auch für den Richter fest. "Wer sich in ein Kraftfahrzeug setzt, muss es beherrschen", sagte er weiter. Der Verteidiger hatte für den Fall eines Schuldspruchs eine mildere Geldstrafe beantragt.

Sendung: Inforadio, 14.08.2023, 6 Uhr

28 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 28.

    Gäbe es bei der Unfallstatistik solche Anhalstpunkte, dann wäre solch eine Prüfung längst eingeführt worden, und auch die Autversicherer hätten ihre Prämienberechnung dem Altersrisiko längst angepasst.

  2. 27.

    Lach. Wie kommen Sie denn jetzt um diese Uhrzeit auf Alkoholisierung? Hat das einen Grund

    Bei Alkoholisierten reagiert der Körper leider auch nicht mehr so richtig. :-))

  3. 26.

    Das ist ja das Problem. Sie "fühlen" sich gut. Das bedeutet nicht, dass Sie in Ihrem Alter noch ein guter Autofahrer sind.

    Im Alter gibt es nun einmal Einschränkungen und die negiert man auch nicht, indem man andere Altersgruppen diskriminiert.

    Führerschein alle 5 Jahre auf den Prüfstand und bei alten Menschen wie Ihnen eine ausgedehnte Prüfung.

    Und das sagt Ihnen jemand, der fast in Ihrem Alter ist.

  4. 25.

    "Wenn der Körper und nicht der Kopf reagiert, dann sollte man die Öffentlichen nehmen und sich nicht hinters Steuer setzen".
    Sorry, dass ist eine Antwort die alkoholisierte Menschen betrifft.

  5. 24.

    Solch ein Schwachsinn und Diskriminierung der älteren Generation. Ich bin 10 Jahre älter als 65. Fahre jeden Tag, auch Autobahn. Fühle mich gut, und kann nur den Kopf schütteln über Überholer, Drängler , Lückenspringer im mittleren Alter. Und die jüngere Generation fährt unter Alkohol, Drogen und karossen, die sie nicht beherrschen. Da sollte man mal anfangen, suszusortieren. Und nicht die ältere Generation angreifen

  6. 23.

    Wenn der Körper und nicht der Kopf reagiert, dann sollte man die Öffentlichen nehmen und sich nicht hinters Steuer setzen.
    Wer wegen einer Wespe hysterisch reagiert, sollte zu Fuß gehen.

    Man sollte schon wissen (und nicht lernen müssen), wie man in Situationen, in denen man Verantwortung trägt) reagieren muss.

  7. 22.

    Das glauben Sie doch nicht im Ernst. Keinen Mensch kann man lernen wie er sich im Schock oder in Panik sich verhalten soll. Er lernt autozufahren ohne Schock und Panikzustände. Der Körper reagiert in diesen Moment, nicht der Kopf.

  8. 21.

    Den Tod eines Menschen kann man nicht sinnvoll bestrafen. Das Strafmaß wird daher auch nicht anhand der Folgen definiert sondern anhand der persönlichen Schuld des Verursachers/Täters. Solange kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist die Strafe gefühlt nie im Verhältnis zu den Auswirkungen. Das ist aber trotzdem gerecht.

  9. 20.

    Das Problem hier war nicht vorrangig das Reaktionsvermögen an sich. Es war genügend Reaktionszeit vorhanden, um selbst bei altersbedingt verzögerter Reaktion noch den Wagen zum Stillstand zu bringen. Hier dürfte schlicht das Phänomen der Schockstarre eingetreten sein, die häufig eintritt, wenn eine vermeintlich ausgeführte Aktion (Bremsen) nicht zum erwarteten Ergebnis (Anhalten) führt. Gerade bei Automatikfahrzeugen tritt dies immer wieder auf. Die Fahrer meinen mit aller Kraft auf der Bremse zu stehen und verarbeiten kognitiv in diesem Moment nicht, warum das Auto trotzdem immer schneller wird. In Wirklichkeit geben sie nämlich Vollgas. Dieses Phänomen trifft durchaus Menschen jeden Alters, nimmt aber mit steigendem Alter zu. Das Problem ist aber, dass eine Prüfung der Fahrtüchtigkeit hier unwirksam ist, weil dies in der Prüfungssituation üblicherweise gar nicht auftritt. Typisches Momentsversagen also.

  10. 19.

    Es geht hier aber um das Alter der Verursacherin. Und wer im "Schockzustand" Fehler begeht, gehört nicht hinters Lenkrad. Punkt.

  11. 18.

    Wer bei einem Problem auf der Überholspur BREMST, der gehört nicht hinters Steuer. Wer bei plötzlich auftretenden Problemen wie gelähmt ist, auch nicht.

    Mir ist vor Jahren mitten auf der Autobahn die Motorhaube aufgesprungen und wurde Richtung Windschutzscheibe gedrückt. Null Sicht. Nicht Hilfe, Hilfe und Gelähmtsein, sondern Besonnenheit hat mich und evtl. auch andere gerettet. Lenkrad geradeaus festhalten, Geschwindigkeit verringen. Haube ging wieder nach unten. SO reagiert man und nicht mit Kreischen und Lähmung.

  12. 17.

    Falk danke, ich kann Ihnen ebenfalls zustimmen.
    In meinen Fall hatte ich nach 2 oder drei Sekundenschreck, die Warnblink- Taste gedrückt. Ich hatte noch 125 auf dem Tacho stehen. Nicht abrupt bremsen war richtig, wegen den vielen Autos hinter mir. Ich glaube, fast jeder hält kurz den Atem an, der in merkwürdige Situationen kommt. Natürlich muss ein Unfallverursacher die Verantwortung übernehmen.

  13. 16.

    1600 € Strafe für das fahrlässige Töten von Menschen und das wars? Absolut unverständlich...
    Wer sich ins Auto setzt, sollte auch die Konsequenzen der Handlung tragen.

  14. 15.

    Antwort auf Sabi
    Als Anreiz das bestimmte Leute Ihr Auto endlich aufgeben.
    Sie haben ja für den Führerschein bezahlt und in einigen Bundesländern wird so schon Anreiz geschaffen.
    Danach müssen Sie selbst bezahlen oder eben die ersten drei Monate.
    Ist nur nee Idee um zu verhindern das jemand noch Auto fährt der gar nicht muss.

  15. 14.

    Ich kenne Menschen, die haben vor vierzig, fünfzig Jahren ihren Führerschein gemacht und sind dann kaum gefahren, in den letzten Jahrzehnten (!) überhaupt nicht mehr. Laut Verkehrssünderkartei also vorbildliche Autofahrer mit reinster Weste. Die dürfen sich jetzt (oder in zehn, zwanzig Jahren) einfach so hinters Steuer setzen, und juchhe - wie man sieht, kostet ein Menschenleben 1600 Euro.

    Schließlich: "Es kann ja immer was passieren." Mit diesem Schlachtruf könnten wir eigentlich sämtliche Regeln und erst recht Strafen abschaffen.

  16. 13.

    Wir stimmen da schon überein; allerdings würde ich ab einem spezifischen Zeitalter, meinetwegen über 80 dann, das Reaktionsvermögen JÄHRLICH abprüfen. Das sind ja keine zehn Minuten und das kann auch der Hausarzt erledigen, soweit er zu wissen bekommt, dass ein Führerschein und das Bewegen eines tonnenschweren Gegenstandes dranhängt.

  17. 12.

    Warum sollte es ein kostenloses Jahresticket geben?
    Eigenverantwortung zum Schutz von anderen und zum Selbstschutz reicht nicht aus?

    Vieles soll kostenlos sein und wenn die Steuern erhöht werden bzw. "Sparmaßnahmen" durchgedrückt werden, kommt der große Aufschrei!
    Es passt alles nicht mehr zusammen, im reichen-armen Deutschland ...

  18. 11.

    Natürlich : es kann immer „was passieren“ beim Autofahren - unabhängig vom Fahrer. Wer aber am Steuer eines Fahrzeugs sitzt sollte aber gewisse Dinge zu tun imstande sein um Schaden abzuwenden. Und genau das wurde vom Gericht festgestellt. Wer neun Sekunden lang vor Schreck erstarrt im Auto fährt ohne die Bremse zu treten ist halt nicht fahrtauglich und muss für Schäden , insbesondere Personenschäden, zur Verantwortung gezogen werden.

  19. 10.

    Momentversagen betrifft alle Altersstufen und ist unvorhersehbar. Deswegen spricht man auch von Momentversagen. Darüberhinaus gibt es auch noch einen Schockzustand. Ich erinnere an einen jungen Mann vor wenigen Jahren, der aufgrund eines Schocks Fahrerflucht begangen hat. Das kommt vor.

  20. 9.

    Wann wird es in Deutschland endlich Pflicht, dass man regelmäßige Untersuchungen bzgl. der Fahrtauglichkeit einführt.
    Viele ältere Menschen haben z. B. den sog. Grauen Star und das Reaktionsvermögen lässt nach.
    Skandinavien sollte uns ein Vorbild sein!!!

Nächster Artikel