Mehr Arbeit für Notaufnahmen - Ärztlicher Bereitschaftsdienst wird in Berlin massiv gekürzt

Mo 30.10.23 | 14:39 Uhr
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Symbolbild: Ein Arzt untersucht einen Jungen während seines Bereitschaftsdienstes (Quelle: dpa/Westend61)
Video: rbb24 Abendschau | 30.10.2023 | Leonie Schwarzer | Bild: dpa/Westend61

Der Ärztliche Bereitschaftsdienst hilft rund um die Uhr bei akuten Erkrankungen, die keinen Notfall darstellen. Nun wird das Angebot deutlich gekürzt, da Ärzte nicht mehr auf Honorarbasis eingesetzt werden dürfen. Notaufnahmen droht deutlich mehr Arbeit.

In Berlin müssen sich die Menschen auf Engpässe beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst einstellen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin hat angekündigt, dass der Ärztliche Bereitschaftsdienst (ÄBD) ab Dezember eingeschränkt wird. Denn als Reaktion auf ein Urteil des Bundessozialgerichts werden dann keine sogenannten Poolärzte mehr eingesetzt, die bisher etwa ein Drittel der betroffenen Schichten übernehmen.

Ab Dezember übernehmen im Ärztlichen Bereitschaftsdienst nur noch Vertragsärztinnen und -ärzte die Fahrten des Hausbesuchsdienstes und die Telefonberatung. Ab Januar sind dann auch die elf Notdienstpraxen betroffen, die vor allem am Wochenende und an Feiertagen für eine Entlastung der Rettungsstellen sorgen sollen. Hier werden die Öffnungszeiten eingeschränkt.

In einer Pressemitteilung warnt der Vorstand vor "massiven Einschränkungen" des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes vor allem nachts, der Haupteinsatzzeit der sogenannten Poolärzte. "In Folge dessen werden Patient:innen, die aufgrund einer akuten Erkrankung bei der 116 117 anrufen und eine ärztliche Beratung bzw. einen Hausbesuchsdienst benötigen, mit sehr viel längeren Wartezeiten rechnen müssen," heißt es.

Stärkere Belastung der Notaufnahmen könnte Folge sein

Laut KV Berlin wird aktuell rund ein Drittel der etwa 14.000 Schichten im Jahr im Ärztlichen Bereitschaftsdienst von Ärzten übernommen, die keine KV-Mitglieder sind. Diese Poolärzte, etwa Ruheständler, die freiberuflich im von der KV organisierten Notdienst arbeiten, müssen laut dem Gerichtsurteil in Zukunft sozialversichert werden. Bisher sind sie auf Honorarbasis tätig.

Diese finanzielle Mehrbelastung sei nicht zu stemmen, argumentiert die KV Berlin, deshalb seien Konsequenzen notwendig, "um Schaden von der KV Berlin abzuwenden und die ohnehin schon desolate finanzielle Lage des ÄBD nicht noch weiter zu verschlechtern. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, aber wir hatten keine andere Wahl", schreibt der Vorstand der KV Berlin.

Von der Politik fordert die KV Berlin, die Lage zeitnah zu klären. Eine Sozialversicherungspflicht für die Poolärzte dürfe es nicht geben. Patientenschützer fürchten, dass die Notaufnahmen der Kliniken und der Rettungsdienst der Feuerwehr noch stärker als bisher überlastet werden, wenn der KV-Bereitschaftsdienst nur noch eingeschränkt verfügbar ist.

Sendung: rbb24 Abendschau, 30.10.2023, 19:30 Uhr

66 Kommentare

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  1. 66.

    Da kann man allem nur raten: Notfalls noch kurz vor Praxisschluss zum Arzt (am besten mit Zeugen) und sich als Notfall nicht abwimmeln lassen. Abends und am Wochenende direkt in die Notaufnahme. Welcher Notfall kann sich schon stundenlanges Warten in der Telefon-Warteschleife des so genannten „Ärztlichen Bereitschaftsdiensts“ erlauben, der einen dann nur an die Notaufnahme abwimmelt? #FailedStateBerlin

  2. 65.

    Hoffentlich liegt der ausgearbeitete Sozialplan bereits in der Schublade. 2025, wenn das Rentensystem kippt & reformiert werden muss, hängt ja alles andere mit daran.

    Unpopulär mitten in einer Legislatur, aber an einem Krisenpunkt als "Macher" darstellbar. Aber so, wie wir D kennen, werden wir nur wieder hinterherhinken, statt vorausplanen.

    RKI-Pandemieplan "Sars-Cov-x" lag beim RKI ja auch seit 2012 in der Schublade, Papier ist geduldig …

  3. 64.

    Es ist erstaunlich, wie auf KV-Ärzte geschimpft wird und es für selbstverständlich gehalten wird eine 24/7-Versorgung wegen jeder Med. Befindlichkeit nutzen zu können und dann noch über Wartezeiten meckern. Ein KV-Arzt arbeitet gewöhnlich 5 Tage in seiner Praxis und stellt die Versorgung der Patienten sicher, es ist also möglich wegen nicht akut lebensbedrohlichrr Beschwerden sich an seinen Hausarzt und sogar Facharzt zu wenden und Termine (ja mit Wartezeit und nicht sofort) zu vereinbaren. Das ist fast in keinem anderen Land so möglich. Und dieser KV-Arzt soll dann entgegen aller Arbeitszeitenregelung nach seinem Praxistag die nächtliche Bereitschaft sicher stellen und am nächsten Tag wieder seine Praxis öffnen?! Im übrigen werden auch die KV-Ärzte nicht sozialversicherungspflichtig angestellt, sondern erhalten für Ihre Dienste ein Honorar. Die KV hat eben keine angestellten Ärzte und Poolärzte machen den Job gerne so und wollen überhaupt nicht angestellt sein.

  4. 63.

    …. Und wenn die KV berlin dann für evt 500 Poolärzte monatlich diese Lohnbuchhaltung machen darf ist es bestimmt nicht bürokratisch aufwendig.

  5. 62.

    „… ärztlicher Bereitschaftsdienst nicht finanzierbar ist, wenn die dafür beschäftigen Ärzte sozialversichert, ordentlich angestellt also sozialversicherungspflichtig sind. „
    Es wird ein immenser Bearbeitungsaufwand geschafften.
    Sagen wir 500 Ärzte, die nicht KV Mitglied in Berlinsind, weil Rentner oder Kranhenhausärzte, machen pro Quartal 2-4 freiwillig Dienste.
    Dann muss ein Arbeitsvertrag her, die Dtunden monatlich angepasst werden. Anmeldung bei Krankenkasse ( obwohl evt Privat versichert)Anmeldung unfallkasse , Anmeldung Arbeitslosenversicherung, Anmeldung Rentenkasse ( obwohl evt im Versorgungswerk Ärzte).
    Die dann sozialversicherungspflichtigen Kollegen erwerben aber keine Ansprüche in Arbeitslosenversicherung oder Rente, wenn sie evt selbst schon Rentner sind.
    Hier wollen die Versicherungen halt mehr Beiträge für die Gesamtheit haben ( was okay wäre) aber der Einzahlende hat nix oder wenig davon.
    Ach ja, wie ist es mit dem Urlaubsanspruch….

  6. 61.

    Was mich in diesem Beitrag schockiert:
    War es nicht erst im Laufe des letzten und diesen Jahres zu einer großen Diskussion gekommen, dass die Rettungsstellen entlastet werden müssen? Und es wurden entsprechende Maßnahmen beschlossen und Gespräche geführt? Ist es der KV nicht peinlich, daran jetzt wieder etwas zu ändern?
    Ist es allen klar, dass eine Verschlechterung der ARBEITSbedingungen in den Rettungsstellen (= Überlastung) zu weiterem Fachkräftemangel führen wird??

  7. 60.

    Typisch Deutschland. Wir legen uns selbst die Karten mit unseren Gesetzen. Da werden neue Gesetze geschaffen und gefeiert, ohne dass wirklich über Auswirkungen nachgedacht wird. Und dann kommt das Ach. Täglich kann man nur den Kopf schütteln

  8. 59.

    Nein, nicht Berlin hat geschummelt.
    Es ist ein Bundessozialgerichtsurteil zu einem Fall in Baden Württemberg.

  9. 58.

    Den Vertragsärzten geht es schon so gut, dass sie auf die Einnahmen aus den Bereitschaftsdienst verzichten können bzw. für den Notdienst nicht zur Verfügung stehen wollen.„
    Hmmmmh,
    Wenn es den Ärzten soooo gut geht,
    Wenn sie nur 25 Std Die Praxis pro Woche öffnen müssen,
    Wenn sie sehr gut verdienen,
    Ja warum gibt es 150 freie Hausarztsitze in Berlin.

  10. 57.

    Der ärztliche Bereitschaftsdienst in Berlin wird ja nicht eingestellt. Nur zeitlich reduziert.
    Ursache ist ein Gerichtsurteil nicht die Kassenlage Berlins.
    Wenn für die Poolärzte Sozialabgaben gezahlt werden müssen, kann ja auch der Krankenkassebeitrag erhöht werden, wenn darüber Konsens besteht.
    Und - Nein- in Berlin kann man nicht nicht gegen Geld befreien lassen.
    Und Dienste müssen nur Haus- und Kinderärzte machen,
    Fachärzte nicht.
    Es wird auch keinen wollen das sich Radiologen um den Herzinfarkt kümmern.

  11. 56.

    Patienten mit Herzinfarkt sollen eigentlich sofort in Schwerpunktkliniken behandelt werden. Diese dürfen Patienten dann auch nicht abweisen.
    Das will Herr Lauterbach mit seiner Klinikreform auch erreichen.-Obwohl es Gesetze dazu bereits gibt
    Leider gibt es Umstände, die das nicht ermöglichen. Falsche Entscheidung in den Leitstellen-(Not)-Ärzte, die sich bestimmten Kliniken "verpflichtet" fühlen...
    Rettungswageneinsätze ohne Notarzt-sodass eine schnelle medikamentöse Behandlung vor Ort nur spät möglich ist.
    Ich hatte 2009 ähnliches mit meiner Mutter erlebt. Leider gab es keinen Willen, evtl.Fehler aufzuklären.
    Selbst auf dem rechtstaatlichen Weg wurde in unserem Fall Aufklärung behindert--und damit verhindert.

    Ich habe jahrelang auch öffentlich um Verbesserungen im Rettungsdienst gekämpft.
    Leider hat sich die Situation fast überall verschlechtert. Hilfsfristen werden kaum eingehalten--Notrufe allerdings oft auch missbraucht.

    Alles Gute Ihnen.

  12. 55.

    Bei Verdacht auf Schlaganfall wartet wohl niemand stundenlang auf den Notdienst der KV warten, sondern gleich die 112 anrufen.
    Insofern zeigen die Kommentare, dass in vielen Köpfen offenbar keine Klarheit über die Verantwortlichkeit von Notdiensten, Rettungsstellen und RTW besteht. So werden diese Dienste immer wieder mit Aufgaben konfrontiert, die nicht in ihren Bereich gehören.
    Ein weiterer Punkt sind die Organisationsstrukturen innerhalb der KV.

  13. 54.

    Gesundheit und Überleben als "Luxus" - das ist die menschenverachtende Ideologie der Marktanbeter in einem Satz!

  14. 53.

    Endlich wird mal an den richtigen Stellschrauben gedreht und es finden dort Kürzungen statt, wo es für den normalen Menschen Sinn macht. Insgesamt gibt es diesbezüglich ein massives Überangebot, so wie auch bei Medikamenten und anderen medizinischen Leistungen. Keine Volkswirtschaft kann sich sowas auf Dauer leisten. Wer Luxus will, muss dafür zahlen, so einfach ist das.

  15. 52.

    "In Folge dessen werden Patient:innen, die aufgrund einer akuten Erkrankung bei der 116 117 anrufen ... mit sehr viel längeren Wartezeiten rechnen müssen," heißt es.
    Und was werden diese Patienten dann machen? 112 anrufen und sich ins Krankenhaus fahren lassen.
    Jahrelang paukt man den Leuten ein, ruft nicht immer die 112, sondern die KV-Nummer - und dann April, April...
    Naja, ist ja offenbar politisch gewollt, sonst könnte man es ja auch anders machen. Nun läuft es aber eben so.

  16. 51.

    Ich habe bisher nur einmal den Bereitschaftsdienst angerufen wegen einer Blutdruckentgleisung. Leider hatte der Arzt keine notwendigen Medikamente dabei und hat dann den Notdienst angerufen …
    Also für mich ist das kein Verlust!

  17. 50.

    Alle Einkünfte müssen zur Sozialversicherung, ohne Beitragsbemessungsgrenze herangezogen werden. Dadurch und durch Untergrenzen/Obergrenzen bei der Rentenhöhe, wäre mehr Netto bis weit in den Mittelstand möglich. Aber das ist nicht von den Lobbygruppen unterstützt.

  18. 49.

    Sparn am falschn nde

  19. 48.

    Könnte man nicht Mediziner aus Osteuropa einsetzen, die dann auch dort bei Subfirmen beschäftigt sind? So macht man es doch in anderen weniger privilegierten Branchen auch.

  20. 47.

    Ziemlich genau 1 Jahr her: Mein Mann wurde mit Diagnose Herzinfarkt mit dem RTW von der Hausarztpraxis in die nächst gelegene Klinik gefahren. Dort wurde der RTW abgewiesen - fuhr weiter zum UKB.
    Mein Mann hat es nicht überlebt ...
    ... leider wird er nicht der Einzige sein und bleiben :-(

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