Wohnungsnot bei Berliner Studierenden - Zurück ins Hotel Mama

Sa 16.12.23 | 08:33 Uhr
  29
Wohnungsnot bei Berliner Studierenden (Quelle: rbb)
rbb
Video: rbb|24 | 15.12.2023 | Material: rbb24 Explainer | Bild: rbb

Coco ist 23, studiert, und weil sie kein bezahlbares Zimmer gefunden hat, lebt sie wieder mit ihren Eltern zusammen. Vanessa Klüber war auf WG-Besuch.

Wenn Coco von der Uni nach Hause kommt, fährt sie in einem gläsernen Aufzug hoch in ihre Prenzlauerbergwohnung mit 106 Quadratmetern und Blick auf den Fernsehturm. 2.060 Euro im Monat kostet die Wohnung kalt, aber Coco wohnt hier gratis – zumindest fast: Die Miete zahlen ihre Mutter Tina und ihr Vater Ben, mit denen sie hier zusammenwohnt, so wie ein weiterer WG-Mitbewohner, ein 28-jähriger Student. Cocos Kindergeld wird für die Miete verwendet.

Coco findet kein langfistiges WG-Zimmer in Berlin

Dass Coco mit 23 Jahren wieder bei ihren Eltern wohnt, ist so eigentlich nicht vorgesehen. Sie kommt nach Berlin, sucht ein WG-Zimmer - und findet wie so viele andere Studierende keins auf Dauer.

Coco wächst als Kind in New York in den USA mit ihrer Mutter, Deutsche, und ihrem Vater, Engländer, auf. Nachdem sie von zu Hause auszieht, sammelt sie gute und weniger gute WG-Erfahrungen in Philadelphia. In Berlin beginnt sie, zeitgenössischen Tanz und Choreografie an der Universität der Künste zu studieren und auch Vater und Mutter ziehen unabhängig von Cocos Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche nach Berlin. Cocos Wohnungsnot ist jedoch schließlich einer der Gründe, warum sich die Familie entscheidet, im Dezember 2022 zusammenzuziehen.

"Ich habe das total unterschätzt. Berlin ist eine andere Nummer", sagt Coco und meint den Wohnungsmarkt im Vergleich zu New York und Philadelphia. Ein paar Freunde hätten sie ja gewarnt. "Aber ich hab' das glaube ich nicht so gecheckt oder nicht so ernst genommen. Dann war ich in diesem Studium, hatte nur diese kurzfristige Wohnung, musste plötzlich was finden und kannte niemanden."

32 Prozent der Berliner Studis wohnen 2021 bei den Eltern

"Fuckoff" steht auf Cocos T-Shirt. Vielleicht ist das ein Statement an die Herausforderungen des Berliner Mietmarkts, die sie auch erlebt hat. Denn die Angebotsmieten klettern von 6,65 Euro pro Quadratmeter kalt 2012 auf 10,62 Euro 2018. Nach einer kurzen Atempause bis Anfang 2022 erfolgt ein ruckartiger Anstieg auf über 13 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete.

Die Wohnsituation von Studierenden wird durch umfassende Daten des CHE Hochschulrankings und der 22. Sozialerhebung des Studierendenwerks [bmbf.de] beleuchtet, die 2021 während der Coronapandemie gesammelt wurden - demnach leben in Deutschland 28 Prozent der Studierenden in Deutschland noch bei den Eltern, in Berlin sogar 32 Prozent. Vor der Pandemie (2018) waren es 25 Prozent. Coco ist damit Teil einer wachsenden Realität.

"Schade für sie, dass sie wieder mit uns zusammenziehen muss"

Als Coco ihre WG betritt, sind ihre Eltern gerade von einem zweiwöchigen Urlaub zurückgekommen, "Oh, you’re baaaack", schreit Coco, "Surprise!" wirft ihr der Vater entgegen und sich dann in ihre Arme. Coco hatte sie ein bisschen später zurückerwartet, wird nun auch von der Mutter fest gedrückt. Koffer werden durch die Perlenvorhänge geschoben, dann gemeinsames Tischdecken für ein Kaffeekränzchen. "Es fühlt sich erstmal gut an, wenn die Kinder ihr eigenes Ding machen. Ich war stolz, wie sie sich ein Leben aufgebaut hat", sagt Mutter Tina über ihre Tochter. "Und dann fand ich es sehr schade, dass sie mit uns wieder zusammenziehen muss. Für sie."

Coco strahlt aus, dass sie das Ganze gar nicht so schade findet: Sie, Mutter und Vater suchten auch wieder die Nähe zueinander, weil der Vater an Krebs erkrankt ist. Auch deswegen wollen sie jetzt füreinander da sein. Darüber hinaus sagt Coco: "Oh mein Gott, es ist so gut, mit älteren Menschen zusammenzuwohnen, die Kommunikation ist viel direkter." Bei Problemen fresse man nicht in sich hinein, sondern versuche darüber zu reden.

Und es sei viel ordentlicher als in damaligen Studenten-WGs. Einen starren Putzplan gibt es nicht, "hält sich eh keiner dran", sagt Tina. Stattdessen trage jeder zur Sauberkeit bei. Doppelfensterscheiben müssen laut Tina vom Kondenswasser befreit, Pflanzen gegossen werden, der Rest ergebe sich.

Coco hat Druck

Stil und Interessen von Coco und ihren Eltern ähneln sich. Ein kleiner Altar steht sowohl bei Coco, als auch bei den Eltern im Zimmer. Wände sind in beiden Zimmern in purpurtönen, gemeinsam geschaffene Kunst an jeder Ecke, Sitzkissen zum Meditieren. Manchmal musizieren alle miteinander. Besuch ist jederzeit willkommen, heißt es. Auch wenn der manchmal fremdele. "Da ist oft so eine Zurückhaltung", sagt Tina. "Die sehen dann aber, dass das eigentlich ganz locker hier ist. Dass sie sich nicht benehmen müssen." Rauchen bei Coco im Zimmer ist erlaubt.

Es sei aktuell nicht ihre Priorität, auf Wohnungssuche zu gehen, sagt Coco. Ohnehin hat sie Druck: Das Studium ist für sie intensiv. Und weil Coco ansonsten für sich selbst sorgen möchte, macht sie mehrere Nebenjobs mit schonmal 16 Stunden in der Woche. Zeit, die für die Wohnungssuche fehlt.

Wenige Wohnheimplätze für viele Studierende

Günstiger als ein Zimmer auf dem normalen Wohnungsmarkt wäre noch ein Zimmer in einem Studierendenwohnheim. Allerdings kommen auf derzeit rund 9.200 Plätze in ganz Berlin rund 197.000 Studierende, die in diesem Semester in Berlin eingeschrieben sind. In Berlin leben verhältnismäßig die wenigsten Studierenden in einem Wohnheim im Bundesländer-Vergleich. 250 bis 280 Plätze will die Berliner Senatsverwaltung für Bauen bis Ende 2024 bewilligen, im Rahmen des vom Bundesbauministerium aufgesetztem Programm für studentisches Wohnen. Wann diese dann entstehen, kann die Senatsverwaltung auf rbb-Anfrage hin, allerdings nicht konkretisieren.

Irgendwann wird Coco trotzdem ausziehen, das ist allen klar, wann genau weiß niemand. Bis dahin will die Familie aber das Zusammenleben noch genießen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.12.2023, 19:30 Uhr

29 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 29.

    Alle wollen Mieten und nicht verantwortlich sein - Also steigen die Mieten weiter.
    Wenn Niemand Eigentum kaufen möchte und Niemand, Verantwortung tragen möchte - steigen die Mieten immer weiter!!!

  2. 28.

    Berlin sollte auch mit dem Umland zusammen, gedacht, geplant und gebaut werden - Wohnungsbau/Infrastruktur/ÖPNV.
    Direkt hinter der Stadtgrenze, werden nur Ein-oder Zweifamilienhäuser gebaut und Berlin selbst, wird immer mehr verdichtet.

  3. 27.

    Wer ein gutes Einkommen hat, wird immer einen Weg finden, nach Berlin oder ins direkte Umland, ziehen zu können.
    Und auch wer weniger oder fast Nichts hat, ist in Berlin willkommen - der Staat bietet da, genügend Hilfsangebote.
    Der Zuzug wird weiter gehen und wenn zu wenig gebaut wird, gehen die Preise immer weiter durch die Decke - Berlin ist eben Berlin

  4. 26.

    1. Fernstudium jaja Homeoffice zum Üben schon im Studium. Soziale Kompetenz, das längere Aushalten von auch Studierenden bzw. Kollegen / Mitarbeitenden (?)in stinkigen Hörsälen o. luftigen Großraumbüros lernt m/w hier nicht und die direkte Kommunikation ist immer noch besser und auch bei vielen Fächern nicht erstzbar - naja bald gehts ja beim Medizinstudium auch, an Stelle der Plastikpuppe (auch so etwas ...) die 3D-Puppe usw.
    2. Und die fin. SituationStudierender ist natürlich eine Katastrophe bei den BAFÖG-bezugsberechtigten Personen.
    633 EUR plus KV/PV bei Eltern, nicht bei Eltern 812 plus PV/KV plus 520 EUR mtl. ohne Anrechnung. So viel bekommt z.B. eine stud. Hilfskraft (12,50 EUR /Stunde)für 40 Std. im Monat (die UNIs passen schon auf die Grenze auf)

  5. 25.

    Da muss gar nichts erfolgen. Wer keine bezahlbare Woh ung findet muss eben weg ziehen. So einfach

  6. 23.

    Die Gleichstellung in den Mieten würde bedeuten, das Jeder, die tatsächlichen Mietkosten bezahlt.
    Im Augenblick, liegt die Hauptlast bei den Neuverträgen.
    Da muss endlich eine Anpassung erfolgen.

  7. 22.

    Na ist doch schön. Kannst stolz sein, jemanden gentrifiziert zu haben. Bist n toller Typ. Wir zahlen übrigens unter 6 Euro kalt in bester Pankower Lage für, bestens saniert, neuester Stand für fast 80 qm und für uns brauchte kein Mensch verdrängt werden. Ich beschwere mich also nicht sondern lächle milde über arme Leute wie Euch, die beitragen, Menschen zu verdängen.

  8. 21.

    In den Mietverträge liegt kein Fehler. So ist das nunmal, die einen haben Glück und die anderen müssen halt suchen. Gleichschaltung gab es in der DDR, offensichtlich wollen ganz viele hier genau die Gleichschaltung zurück

  9. 20.

    Da fragt man sich, warum das seit März offenbar fertige Studentenwohnheim am Dröpkeweg von der Berlinovo nicht vermietet wird. Und warum es nicht größer gebaut wurde...

  10. 19.

    Das ist eine akademische Diskussion. Man kann nicht überall flächendeckend denselben Standard schaffen, rechnet sich einfach nicht. Es gibt mittlerweile so viele Möglichkeiten des Fernstudiums da muss man nicht unbedingt in eine Großstadt ziehen, um zu studieren. Wenn man keine Wohnung findet, geht der Zuzug halt nicht.

  11. 18.

    20 Euro den Quadratmeter zahle ich aktuell gern für eine komplett sanierte Wohnung in bester Kreuzberg Lage. Wer weniger bezahlt, darf sich über Qualität und Lage nicht beschweren. Und mit 2 Mietern kann man sich dann auch ein wenig mehr Flächenkonsum leisten.

  12. 17.

    Man sollte Ihnen ermöglichen, ein Zimmer steuerfrei unterzuvermieten. Dann könnte die zu große Wohnung sinnvoller für die Mietergemeinschaft genutzt werden.

  13. 16.

    Bei den landeseigenen Gesellschaften kann man heute schon Wohnungen tauschen. Also das ist kein wirkliches Argument. Vielleicht liegt der Fehler auch bei den Mietverträgen an sich, wenn alle mindestens einen Inflationsqusgleich als Dynamik hätten, würden wir nicht solche Unterschiede haben.

  14. 15.

    Das war früher ganz normale, dass mehrere Generationen unter einem Dach leben und man erst mit dem Job auszog. Es ist ein absoluter Wahnsinn, dass wir heute denken, Menschen in Ausbildung, die es sich nicht leisten können, haben Anspruch auf die eigenen 4 Wände. Die Alternative ist immer noch erst eine solide Ausbildung machen und dann neben der Arbeit studieren, wenn es finanziell nicht anders klappt.

  15. 14.

    Ja, früher "lebte" man in Studentenheimen. HEUTE bekommen Sie da gar keinen Platz mehr. Genauso wenig wie eine bezahlbare Wohnung in Berlin oder ein nicht überteuertes WG-Zimmer. Sie vergleichen hier also Äpfel mit Birnen. Wir leben heute in einer völlig anderen Welt mit völlig anderen Notwendigkeiten. Besonders jetzt, in Zeiten von Inflation und Krieg in Europa. Das kann man nicht mit "früher" gleichsetzen.

  16. 13.

    Ich stimme dem Tenor der meisten Beiträge zu. Dieses Anspruchsdenken bezieht sich ja nicht nur auf die Wohnsituation, sondern auf den 'Stress' des Studieren an sich (mit den üblichen heutigen Psych. Problemchen), dem Vorableid vor den gräßlichen AG (m(w lese mal die Bewertungsportale). Andererseits frage ich mich 1. warum nehmen o. haben 'nur' 1/6 der Studierenden Anspruch von Bafög usw. 2. Sprießen z. B. rund ums WISTA un dort die Wohnungen und Studentloftbauten en masse mit 30 - 40 EUR Zimmerpreisen möbeliert (ohne gibts ja nicht) o. in WG auch um 40 EUR?
    3. Ich habe schon als Realschüler 72-76 mit dem Fahrrad tgl h/r jeweils 1 Std zugebracht, nix mit Smartphone WLAN in Bus/Bahn

  17. 12.

    Man sollte und darf Niemandem verwehren, nach Berlin oder ins direkte Umland zu ziehen und dafür, sollten auch die Vorraussetzungen geschaffen werden(Bau von Wohnungen, Ausbau der Infrastruktur und des ÖPNV).
    Bin selbst mit Familie, aus dem tiefsten Südbrandenburg nach Berlin gezogen - gerade wegen Studium/Beruf, etc.
    Dafür zahlen Wir, auch gute Steuern und nehmen Nicht, irgendwo in Jwd, Bürgergeld in Anspruch.
    Jede/Jeder, sollte das Recht, auf ein Leben mit Bildung, ÖPNV und gut aufgestellter Infrastruktur haben und das, ist meist möglich, in einer größeren Stadt/Großstadt, Viele Grüße.

  18. 11.

    Wir haben eine zu große Wohnung für 2 Personen, aber einen alten Mietvertrag und deshalb können wir den so dringend benötigten Wohnraum für andere nicht frei machen. Wir würden für die Hälfte an qm mindestens 300€ mehr zahlen, was wir uns als 2 Studenten mit Bafög und Minijobs nicht leisten können.

    Eine Kommilitonin musste mit 34 Jahren nach ihrer Trennung wieder zu ihrer Mutter ziehen. Für sie kaum zu ertragen, aber auch sie findet nichts bezahlbares. Sie wäre vielleicht ein besseres Beispiel für einen solchen Artikel gewesen. Dann gibt es aber eben die, die sich auf sowas wie 2000€ kalt einlassen - so bestätigt man ja nur dass es okay ist das zu bezahlen.

  19. 10.

    Früher lebte man in Studentenheimen mit ein paar Leuten auf einem Zimmer. Heute muss jeder sein eigenes haben, besser noch eine eigene Wohnung. Das kostet. Und der Wohnraum wird nicht mehr...

Nächster Artikel