Immobilien-Krise in Berlin - "Ein Drama in Zeitlupe"

Do 16.11.23 | 14:41 Uhr | Von Andre Kartschall
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Symbolbild: Ein Bauhelm hängt auf der Baustelle (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Video: rbb24 | 16.11.2023 | Andre Kartschall | Bild: dpa/Britta Pedersen

Mehrere Hunderttausend Wohnungen fehlen in Deutschland, Zehntausende in Berlin. Experten warnen: Der Markt steckt in einer jahrelangen Abwärtsspirale. Das bedeutet schlechte Aussichten auch für viele Mieter. Von Andre Kartschall

André Kasimir steht auf einem Hinterhof in Berlin-Charlottenburg. Neben ihm schütten seine Mitarbeiter Beton in eine Baugrube. Hier passiert genau das, was Berliner Stadtplaner seit Jahren fordern: Nachverdichtung. Bereits bebaute Grundstücke werden noch dichter mit Gebäuden gefüllt, "nachverdichtet" eben. In diesem Fall entsteht hier im Hof ein neues Haus mit Eigentumswohnungen.

Aktuell sei die Auftragslage noch gut. Doch jetzt, im November, sei auch absehbar, dass 2024 magerer werde. "Wir merken halt, dass die Auftragseingänge deutlich abnehmen und wir im nächsten Jahr deutlich weniger Umsatz machen werden. Und 2025 und auf absehbare Zeit wird es noch weniger", sagt Kasimir.

Bauen rechnet sich seltener

Der Grund für Kasimirs Pessimismus: Die Zahl der Bauanträge ist bundesweit rückläufig, teilweise werden bereits genehmigte Projekte wieder abgesagt. Inflation und gestiegene Zinsen machen Investitionen zu oft unrentabel. Kalkulationen, die vor zwei Jahren noch gut aussahen, sind schlicht hinfällig. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts klagt inzwischen fast jedes zweite Unternehmen über Auftragsrückgang [ifo.de]; mehr als jedes fünfte sogar über Stornierungen von bereits erteilten Aufträgen.

Für einige der 90 Mitarbeiter in Kasimirs Unternehmen haben sich die beruflichen Aussichten innerhalb kürzester Zeit verfinstert: "Das wird mit Sicherheit dazu führen, dass man Kurzarbeit anmelden muss, früher oder später." Kasimir rechnet mir 20 Prozent weniger Aufträgen im kommenden Jahr. 2025 werde dann noch einmal einen weiteren Rückgang in ähnlichem Umfang bringen.

Neuvertragsmieten liegen oft doppelt so hoch wie Bestandsmieten.

Reiner Braun, Empirica-Institut

Aus der Baukrise in die Mietenkrise

Die Krise auf dem Bau dürfte sich bald auch auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar machen - sowohl für Eigentümer als auch für Mieter. Reiner Braun vom Forschungsinstitut Empirica sagt, die derzeitige Lage führe gleich reihenweise zu ungewollten Folgeeffekten. Und: Viel dagegen machen könne man nicht. "Was zur Zeit passiert, ist ein Drama in Zeitlupe. Es ist völlig klar, dass die Neubauzahlen in den nächsten zwei, drei Jahren immer weiter einbrechen werden - und im gleichen Ausmaß die Mieten weiter steigen", so Braun.

Gerade hat sein Institut den vierteljährlich erscheinenden "Blasenindex" herausgebracht [empirica-institut.de]. Ergebnis: Ein Szenario, in dem in einer deutschen Großstadt bald eine Immobilienblase platzt, ist eher unwahrscheinlich. Stattdessen sind gleich mehrere Effekte zu beobachten, die das Wohnungsproblem zementieren dürften: Besonders in Großstädten gibt es bereits jetzt strukturell zu wenige Wohnungen. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage droht durch die Bauflaute noch einmal deutlich größer zu werden. Das treibt die Mieten, besonders für Neuvermietungen.

Kaum noch Umzüge

Bestandsmieter aber müssen lediglich mit Mietsteigerungen innerhalb des rechtlichen Rahmens rechnen. "Das Ergebnis ist, dass die Differenz zwischen Neuvertragsmiete und Bestandsmiete immer größer wird. Da geht wirklich eine große Schere auf. Neuvertragsmieten liegen oft doppelt so hoch wie Bestandsmieten", so Braun.

Es wird schlicht immer unattraktiver, seinen Altmietvertrag zu kündigen und einen neuen abzuschließen. "Lock-In-Effekt" heißt das. Im Ergebnis führe das dazu, dass Wohnraum immer ineffektiver verteilt ist - und die Zahl der verfügbaren Wohnungen am Markt weiter sinkt: ein sich selbst verstärkender Effekt.

Und die Lösung? Kurzfristig könne man nicht viel tun, so Braun. Mittelfristig würde es helfen, wenn die Baukosten sinken. Indirekt könnte der Staat an den Steuerschrauben drehen. Brauns Vorschlag: die Grunderwerbsteuer, die beim Kauf von Bauland anfällt, streichen. Stattdessen müsste man die Grundsteuer, die jährlich entrichtet wird, verdoppeln.

Zu viele Vorschriften

Für den Staat sei es ein Nullsummenspiel, für den Wohnungsmarkt ein Katalysator, so Braun. Bauland würde günstiger, Wohnen dagegen dauerhaft zunächst etwas teurer - weil jährlich eine höhere Grundsteuer anfällt. Der Hauptgrund für hohe Mieten in Ballungsräumen aber seien Baukosten und vor allem die Knappheit an Wohnraum.

Eine weitere Möglichkeit, die Baukosten zu senken, sieht Ulrich Schiller, Geschäftsführer bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge in Berlin: "Wir müssen stark verteuernde und überbordende Bauvorschriften überarbeiten. Diese sorgen auch dafür, dass die Baukosten so hoch sind. Ich würde vorschlagen, die Baustandards der Länder nebeneinander zu legen und zu schauen: Wo kommt man auch mit weniger Regularien aus? Und das könnte man dann vereinheitlichen", so Schiller.

Die Howoge baut im öffentlichen Auftrag - und plant, das auch weiter zu tun, trotz gestiegener Baukosten und Zinsen. 25.000 neue Wohnungen sollen "mittel- bis langfristig" zu den 75.000 Einheiten im Bestand hinzukommen. Doch auch an den öffentlichen Wohnungsgesellschaften geht die Baukrise nicht spurlos vorbei. "Ich gehe schon davon aus, dass auch unser Unternehmen in den kommenden Jahren etwas geringere Neubauzahlen realisieren wird", sagt Schiller. Wie viele Wohnungen das Unternehmen in den nächsten Jahren tatsächlich bauen werde, hänge auch davon ab, wie sich die Marktlage entwickelt.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst auf tagesschau.de erschienen.

Sendung: rbb24, 16.11.2023, 13 Uhr

Beitrag von Andre Kartschall

26 Kommentare

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  1. 26.

    Die Grunderwerbssteuer wird von Wohnungsunternehmen nicht gezahlt. Sie wird von allen Firmen nicht gezahlt. Sie wird von privaten Eigentümern bezahlt. Nur die.

    P.S. Die Grundsteuer ist eine Form der Enteignung, wenn selbstgenutztes Wohneigentum keine Einkünfte abwerfen kann. Deshalb ungeeignet die Kommunen zu finanzieren. Dafür gibt es die Gewerbe- und Lohnsteuer.

  2. 25.

    Genau.
    Zum Verständnis, wie es zu der aktuellen Immobilien- und Miet-Situation in Berlin kommen konnte empfehle ich(sehr!) die Doku Capital B
    -> https://www.arte.tv/de/videos/RC-024312/capital-b/

  3. 24.

    Aber klar doch.
    Es gibt halt nichts auf der Welt, was nicht mit einem schlichten Einzeiler zu erklären wäre.

  4. 23.

    Das ist linksgrüne Degrowth-Politik in Reinkultur. Wem auch immer die nützt, jedenfalls nicht den Menschen.

  5. 22.

    In Deutschland kann man doch inzwischen nicht mal mehr eine Hundehütte bauen, ohne dass sofort eine Bürgerinitiative auf den Plan tritt und das jahrelange komplizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter in die Länge zieht. Auch die Behörden sollen sich ja mit dem riesigen Wust an Vorschriften (die natürlich alle mit den besten Absichten geschaffen wurden) kaum noch zurechtfinden. Aber jeder "Bürokratieabbau" erzeugt faszinierenderweise am Ende weitere Vorschriften.

    Wenn man sich nach 1945 so aufgeführt hätte wie wir heute, säßen wir immer noch in den Ruinen.

  6. 21.

    Obendrein würde eine gesenkte Grunderwerbssteuer von den Bauträgern und Bauunternehmen ganz schnell nach oben eingepreist.
    Wäre ja nicht das erste Mal das staatliche Förderung zu Preiserhöhung geführt hat.
    Grundsteuer für ungenutzte Immobilien erhöhen, das wäre vielleicht eine Motivation.
    Dürfte aber alles nicht grundgesetzkonform sein und bei den derzeitigen Konstellationen kaum 2/3 mehrheitsfähig und wenn es nur aus Prinzip gegen die anderen wäre.

  7. 20.

    "...mit als rechtpopulistisch zu lesender Propaganda zu verquicken!"
    Vor zehn, zwölf Jahren hatte Deutschland 80 Millionen Bewohner, jetzt 84 Millionen.
    Wo mögen denn vier Millionen Menschen so auf einmal hergekommen sein?
    Wäre natürlich egal, wenn in dieser Zeit zwei Millionen Wohnungen gebaut worden wären. Wurden aber nicht.
    Aber schon klar, ist alles rechtspopulistisch...
    Tschuldigung, "rechtspopulistisch zu lesen"... :-)

  8. 19.

    Die Firmen haben nicht weniger Aufträge. Die hören nur eine gewisse Zeit lang auf zu bauen.
    Das ist doch nicht schlimm......
    nur weiter für Habeck und Partner stimmen, dann läuft es

  9. 18.

    Da braucht man eigentlich keine Wohnungsbauexperte zu sein. "„Bezahlbarer Wohnraum kann in Berlin derzeit gar nicht entstehen“ (Tagessspiegel) sagt der TU Professor Viering. Arbeitsergebnis der hiesigen Ampel-Spezialisten. Klar sind die Zinsen eines der Probleme. Investoren bauen nur Häuser wenn sie damit Geld verdienen. Wenn "Klimamaßnahmen", Baumaterialien und Leistungen immer teurer werden, gleichzeitig die Finanzierungskosten steigen lohnt es sich nicht mehr. Wenn eine Wohnung oder ein Haus in der Herstellung 5000€/m² kostet zahlen Sie im Jahr bei 4% Zinsen darauf 200€ Zinsen je m². Sie müssten die Wohnung also kalt für 17 €/m² vermieten können und haben noch nicht mal was dran verdient. Wieviel % der Bevölkerung können sich aber 17 € kalt leisten?

  10. 17.

    "Brauns Vorschlag: die Grunderwerbsteuer, die beim Kauf von Bauland anfällt, streichen. Stattdessen müsste man die Grundsteuer, die jährlich entrichtet wird, verdoppeln." Genau, damit die die schon 20k€ Grunderwerbssteuer bezahlt haben jetzt nochmal doppelt zahlen dürfen für die Grundsteuer, super Idee...

  11. 16.

    "CDU Baufilz" und GroKo-Filz. Privatisierung, Thatcherismus, Kapitalismus aka Neoliberalismus. Sie wurden hier gewählt, sie durften also hier abwirtschaften. Und werden hier wiedergewählt.

  12. 14.

    Ein linker Traum wird wahr.

  13. 13.

    Ganz sicher hat hier nicht nur RRG versagt, das ist bequem, als Erklärung, trifft aber so doch nicht so ganz. Fakt ist, dass der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für die unteren Einkommen schon mind. seit einem Jahrzehnt eher noch länger besteht. Durch eine völlig verfehlte Baupolitik (es wurden seit der Wende eigentlich so gut wie keine Sozialwohnungen mehr gebaut sondern nur noch hochpreisige Wohnungen) den Abriss von Wohnungen als der Boom nicht sofort eintrat und keinerlei Reaktion durch die Politik, als die Bevölkerungszahlen dann doch zu wachsen begangen, steht Berlin nun bescheiden da. Man sollte aber nicht vergessen, dass es der CDU Baufilz war, der die Stadt durch die Rettung der Berliner Bank so in die Schieflage gebracht hat, dass landeseigene Wohnimmobilien im großen Stil verkauft wurden. Jetzt wo die Wohnungsnot im der akademischen Mittelschicht ankommt und sich auch Dinks vielfach die Mieten kaum mehr leisten können ist das Geschrei groß-ein bisschen spät für alle

  14. 12.

    Grundsteuer erhöhen, wie toll die idee doch ist, weil das kann problemslos auch auf die niedrigeren bestandsmieten umgelegt werden (ein schelm wer böses bei dem vorschlag denkt), wenn es als betriebskosten im mietvertrag aufgelistet ist (was ja gerade zu dämlich wäre, wenn vermieter das nicht gemacht hätten)

  15. 11.

    Wie heißt es bei den Eisbären so schön? "Berlin, Hallelujah Berlin". Aber Frank ist mit gutem Beispiel voran gegangen, bzw. als gutes Beispiel nach Cottbus gegangen, gegen den Wohnraummangel. Frank ist ganz bestimmt ein Experte auf seinem Gebiet (Cottbus)

  16. 10.

    Dazu kommt die Welle der inzwischen professionell organisierten Eigenbedarfskündigungen. Dies betrifft mich auch selbst, und ich werde diese Stadt verlassen, da ich weder Lust auf diese Negativ-Stimmung noch auf die völlig überteuerten Mieten habe. RRG hat diese Stadt niedergewirtschaftet und mit künstlichen ideologischen Diskussionen entzweit. Bloß weg hier.

  17. 9.

    Schön, wie Frank es schafft, ein allgemein bekanntes Problem (selten bis gar nicht gabs wohl in den letzten 120 Jahren ausreichend Wohnungen in Berlin, die zur Nachfrage paßten) mit als rechtpopulistisch zu lesender Propaganda zu verquicken! Fluchtbewegungen - weshalb auch immer - hin zu den großen Städten gab es all die Jahrhunderte bzw. Jahrtausende schon immer, vielleicht wegen des besseren ÖPNV oder wegen des mannigfaltigen kulturellen Angebotes, welches ja auch mental bereichert oder wegen der abwechslungsreichen Genüsse aus hunderten von Ländern aber auf jeden Fall, weil's einfach geiler als inner Pampa is ;-)

  18. 8.

    RRG hat doch die letzten Jahren mit der Bauverhinderungspolitik Wohnraum verknappt und durch immer schärfere Bauvorgaben Wohnraum verteuert

    Zudem wollte man mit immer höhere. Mieterschutz wie Mietendeckel, die Bestandsmieter schützen. Die Wohnungspolitik der letzten Jahre ist krachend und absehbar gescheitert und durch die aktuelle schwierige Situation kann es nicht besser werden

    Für andere Bauen lohnt sich nicht mehr und wer sich Eigentum leisten möchte muss tief in die Tasche greifen.

  19. 7.

    "Der ungebremste Zuzug"

    Kannst ja keinen aus der (Brandenburger) Provinz verbieten, nach Berlin zu ziehen.

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