Drei Jahre nach Razzia - Prignitzer wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt

Do 25.01.24 | 20:47 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
Symbolbild: Amtsgericht Perleberg. (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Video: Brandenburg aktuell | 25.01.2024 | Nachrichten | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

Es war ein Einsatz, der in der Prignitz Aufsehen verursachte: Zollfahndung und Bundespolizei rückten im Januar 2021 im Dorf Berge an. Tausende Schuss Munition und unzählige Waffen wurden gefunden. Jetzt gab es ein Urteil. Von Björn Haase-Wendt

Der 14. Januar 2021 war in Berge in der Prignitz ein Tag, der sicher vielen noch in Erinnerung ist. In den Morgenstunden rückten 150 Einsatzkräfte von Zollfahndung und Bundespolizei an – das kleine Dorf an der Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern war voll von Ermittlern und Einsatzfahrzeugen. Das Ziel: das große Grundstück eines heute 54 Jahre alten Mannes.

Aus anonymer Quelle erhielten die Ermittler den Tipp, dass der Mann eine AK 47 – eine sogenannte Kalaschnikow, also eine Kriegswaffe – in der Schweiz gekauft haben soll. Das Wohnhaus, der Stall und die Werkstatt wurden durchsucht, Spürhunde waren im Einsatz, mit Metalldetektoren wurde ein Waldstück abgesucht. Die AK47 wurde nicht gefunden, dafür mehrere tausend Schuss Munition, unzählige andere Waffen und knapp zwei Kilogramm Sprengstoff, für deren Besitz der Prignitzer keine Erlaubnis hatte.

Drei Jahre später wurde ihm am Amtsgericht Perleberg der Prozess gemacht. Am Donnerstag fiel das Urteil: neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Waffenkofferträger für den Vater

Gleich zum Prozessauftakt legte der Angeklagte, der einen unscheinbaren Eindruck macht, zunächst ein Teilgeständnis ab. Dabei räumte der 54-Jährige über seinen Verteidiger ein, dass er die Waffen und Munition besessen habe. Es würde sich um den Nachlass seines Vaters handeln, der ein wahrer Waffennarr gewesen sei. Jahrzehnte lang hätte dieser Waffen, Munition und sonstige Militaria gesammelt. "Schon als Kind hatte er mich mit zum Schießstand genommen, ich war der Waffenkofferträger", berichtet der Angeklagte auf Nachfrage dem Schöffengericht.

Als er 2017 vom Tod seines Vaters erfuhr, eilte er zum Grundstück dessen damaliger Frau in Groß Breese, einem Ortsteil der Gemeinde Breese, ebenfalls in der Prignitz, um Erinnerungsstücke abzuholen. Acht Wagenladungen voll übergab sie ihm, die er auf seinen Hof nach Berge brachte und in Wohnhaus, Werkstatt und Scheune verteilte. Darunter befanden sich zahlreiche Lang- und Kurzwaffen, Granaten und ein riesiges Konvolut an Munition – teils sortenrein verpackt, teils offen vermischt. Am gleichen Tag wäre er zur Waffenbehörde im Perleberger Polizeirevier gefahren, um den Besitz zu klären. "Da wurde mir aber gesagt, klären Sie das erstmal mit dem Erbschein und melden sich dann nochmal", berichtete der Angeklagte im Prozess. Allerdings geriet die Klärung dann in Vergessenheit, gab der Mann zu.

Ich bin kein Prepper oder Reichsbürger, damit habe ich nichts zu tun.

Angeklagter im Prozess

Wirklich Vaters Erbe?

Bis zum Januar 2021, als eine Spezialeinheit sein Grundstück stürmt. Ermittler berichteten im Prozess zum Hergang der Durchsuchungen. An vielen Orten seien die Waffen, Munition und Sprengpulver verteilt gewesen – besonders in einem großen Büro im Wohnhaus, aber auch im Stall oder im Zimmer einer seiner Söhne. Der Beschuldigte sei kooperativ gewesen. "Er sagte, kein Problem, die gesuchte AK47 habe er nicht, aber andere Waffen, die er uns auch zeigte", berichtete ein Ermittler des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg. Dort wurden Patronen, Magazine und auch ein Zielfernrohr für die Kalaschnikow gefunden, aber eben nicht das gesuchte Kriegsgewehr.

Doch war die Sammlung wirklich ein Erbe oder hatte der Mann die Waffen und Munition gezielt angesammelt? Auch darum ging es zeitweise im Prozess. Denn der Mann ist schon einmal aufgefallen: In den 1990er Jahren erhielt er einen Strafbefehl, weil er sich unerlaubt Waffen besorgt hatte. Auch soll er nach Recherchen des Online-Portals "Endstation Rechts" zur "Gruppe Ulrich" gehört haben, die unter anderem Wehrsportübungen durchgeführt haben soll.

Selbstversorger, Hausmann und Hobby-Landwirt

Sein Verteidiger sprach am Donnerstag von einer dunklen Vergangenheit, von der sich sein Mandant aber abgekehrt habe – er sei seit 20 Jahren ein unpolitisch lebender Mensch. "Ich habe keine Tendenzen gesehen, dass er ein Reichsbürger ist. Ich habe schon einige Durchsuchungen mitgemacht und Reichsbürger gehen uns sofort an, wenn wir das Grundstück betreten. Er hingegen war sehr kooperativ", berichtete auch ein Zollfahnder.

Trotzdem: Der 54-Jährige äußerte sich gegenüber den Ermittlern am Tag der Razzia auch zur AK47 und sagte, dass nach einem Zusammenbruch des wirtschaftlichen Systems und einer Art Anarchie es die Waffe sei, die am ehesten gebraucht werde, gibt der Ermittler zu Protokoll. Der Angeklagte bestätigt das und erklärt, dass er seit der Griechenland- und Euro-Krise Sorge um das wirtschaftliche System habe und das Kräfte das nutzen würden, um den Zerfall der Europäischen Union voranzutreiben.

Deshalb habe er sich auch entschieden, nach Norddeutschland ins Prignitz-Dorf Berge zu ziehen. Dort lebe er als einer Art Selbstversorger, sei Hausmann und Hobby-Landwirt und bewirtschafte 14 Hektar Land. "Ich will selbst für meine Familie sorgen, für gute Lebensmittel", sagt er und fügt hinzu: "Ich bin kein Prepper oder Reichsbürger, damit habe ich nichts zu tun."

Nato-Hartkerngeschoss unter der Munition

Das Gericht glaubte ihm und sah keine Hinweise für entsprechende Tendenzen, auch weil der Strafbefehl aus den 1990er Jahren verjährt ist und er sich seitdem nichts mehr zu Schulden habe kommen lassen – so habe er keinen Eintrag im Bundeszentralregister.

Anders stand das Gericht zu seiner Aussage bezüglich einer gefundenen Patrone, die von besonderer Bedeutung sei. Sie ist an der Spitze grün gekennzeichnet – ein Nato-Hartkerngeschoss mit besonders starker Durchschlagkraft. Sie fällt unter das Kriegswaffenkontrollgesetz. Von ihr will der Angeklagte, der in Tettnang in Baden-Württemberg geboren wurde, zunächst nichts gewusst haben.

Nach einem Rechtsgespräch schwenkt er um, lässt sich erneut ein: Er habe die Patrone doch bewusst wahrgenommen und gewusst, um was für ein Geschoss es sich handelte. Die Staatsanwaltschaft sah darin die Anklage bestätigt – wenn auch im minderschweren Fall. Sie beantragte eine Bewährungsstrafe von neun Monaten und eine Zahlung von 3.000 Euro an die Landeskasse, die Verteidigung folgte der Einschätzung.

3.000 Euro Strafe

Und auch das Schöffengericht folgte und urteilte nun: neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Tateinheit mit Verstößen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz.

Am schwersten wog der Besitz der Kriegswaffenpatrone, gefolgt von den tausenden Schuss Munition, des Sprengpulvers und dem illegalen Besitz einer Gas- und Schreckschusspistole sowie einer Signalpistole jeweils ohne Prüfsiegel und eines Schlagrings.

Der 54-Jährige muss außerdem über drei Jahre verteilt insgesamt 3.000 Euro zahlen – gedrittelt an die Landeskasse und die Hilfsorganisationen "Safe the Children" und das Rote Kreuz, "die sich um Kinder und Kriegsverletzte etwa in Israel und Gaza einsetzen", fügte die Richterin hinzu. Noch ist das Urteil nichts rechtskräftig.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.01.2024, 18 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

Nächster Artikel