Doberlug-Kirchhain - Betreiber von Flüchtlingsunterkunft weist Vorwürfe der Bewohner zurück

Do 08.02.24 | 17:55 Uhr
Die bisherige Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Doberlug-Kirchhain (Foto: dpa/Stache)
Bild: dpa-Zentralbild

Rassistische Vorfälle, fehlende Privatsphäre, Ungleichbehandlung: Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in Doberlug-Kirchhain erheben schwere Vorwürfe. Der Landkreis verspricht, die Forderungen ernst zu nehmen, der Betreiber weist die Vorwürfe zurück.

Nach einem offenen Brief von Geflüchteten mit scharfer Kritik an den Bedingungen in der Unterkunft Doberlug-Kirchhain (Elbe-Elster) wehrt sich der Betreiber gegen die Vorwürfe. Diese seien "völlig haltlos", sagte Matthias Rudolf, Chef des Regionalverbandes der Johanniter in Südbrandenburg, am Donnerstag.

Die Bewohner hätten jederzeit die Möglichkeit Kritik zu äußern. Noch nie seien solche teils heftigen Beschwerden hervorgebracht worden. "Im Gegenteil eher", die Bewohner zeigten sich größtenteils zufrieden mit der Unterbringung. Er äußerte Bedenken, ob das Schreiben tatsächlich von den Flüchtlingen angestoßen worden sei.

Bewohner nennen elf Punkte

Die Geflüchteten hatten in einem offenen Brief die Unterbringungsbedingungen scharf kritisiert. Gemeinsam mit der Gruppe "No Border Assembly" übergaben sie der Unterkunftsleitung bereits am Montag einen entsprechenden Brief, in dem "humanitäre Probleme in der Gemeinschaftsunterkunft" geschildert werden, die "dringende Aufmerksamkeit" erfordern, wie es in dem Brief heißt.

Insgesamt werden in dem Brief elf Punkte genannt, die aus Sicht der Bewohner und von "No Border Assembly" sofort verbessert werden müssen. Träger der Einrichtung ist der Landkreis Elbe-Elster, betrieben wird sie vom Johanniter-Regionalverband Südbrandenburg.

Bessere medizinische Versorgung, besserer Nahverkehr, fehlende Privatsphäre

Die Bewohner fordern in dem Brief, dass sie über ihre Rechte als Asylbewerber in Deutschland besser aufgeklärt werden und auch eine bessere medizinische Versorgung. Der Zugang zu Sprechstunden und auch zu psychologischer Betreuung müsse verbessert werden.

Die derzeitigen Transportangebote, etwa im öffentlichen Nahverkehr, seien begrenzt, die Bewohner fühlten sich isoliert. Es gebe außerdem keine finanzielle Transparenz, etwa darüber, wie viel Unterstützung sie tatsächlich bekommen und darüber, wie viel für die Unterkunft abgezogen wird. Bewohner würden in finanziellen Fragen ungleich behandelt.

Sozialarbeiter hätten Zimmer ohne die Bewohner durchsucht, persönliche Gegenstände seien verschwunden und das Vertrauensverhältnis erschüttert. Zudem gebe es Berichte über "regelmäßige und erhebliche Verzögerungen" bei der Postzustellung, worunter die Kommunikation und der Zugang zu Informationen leiden würde.

Schlechtes Essen, kaum Bildungsangebote und Rassismus

Beim Essen in der Mensa kritisieren die Bewohner in ihrem Brief die Qualität und eine fehlende Auswahl. "Automatische Abzüge für Mensagebühren, schlechte Qualität der Mahlzeiten und mangelnde kulturelle Unabhängigkeit bei der Auswahl des Essens sind nicht akzeptabel", heißt es im Brief.

Es gebe keine Gemeinschaftsräume, was zu einer weiteren Isolation beitrage und der Zugang zu Sprach- und Integrationskursen werde durch lange Wartezeiten erschwert. Es mangele an Bildungsangeboten. Außerdem fordern die Bewohner einen unterstützten Zugang zum Wohnungsmarkt, um aus der Unterkunft herauszukommen.

Als letzten Punkt beklagen die Bewohner und "No Border Assembly" Rassismus von Seiten der Mitarbeiter und des Sicherheitspersonals. Auch Bürger von Doberlug-Kirchhain hätten sich rassistisch gegenüber Bewohnern geäußert. Auf der anderen Seite gebe es auch unter den Bewohnern der Unterkunft Rassismus, insbesondere gegen schwarze Menschen. Es werde deshalb ein spezielles Unterstützungssystem benötigt.

Betreiber weist Rassismus-Vorwurf zurück

Insbesondere den Vorwurf von Rassismus weise er entschieden zurück, betonte Rudolf. Es gebe bereits eine externe Beschwerdestelle, um im Falle von Rassismus niedrigschwellig und anonym Hilfe anzubieten, an die sich die Bewohner wenden könnten. "Auch hier kam nichts an."

Die Leute vor Ort bemühten sich "mit Leib und Seele" um das Wohlergehen der Geflüchteten. Das gehe teilweise über das zu erwartende Maß hinaus. Als einzige Gemeinschaftsunterkunft sei in Doberlug-Kirchhain etwa eine Krankenschwester bei medizinischen Fällen ansprechbar, führte Rudolf aus. Seit einiger Zeit versuchten Beschäftigte zudem über den Kontakt zu Sportvereinen die Integration für die Geflüchteten zu erleichtern. Beim Vorwurf des Rassismus sträubten sich ihm "die Nackenhaare", sagte Rudolf.

Landkreis will Vorwürfe ernstnehmen

Mit ihrem Brief wollen die Bewohner nach eigenen Angaben eine Verbesserung ihrer Situation erwirken und fordern einen direkten Kommunikationskanal mit der Kreisverwaltung. Außerdem wollen sie eine Antwort der Verwaltung auf ihre Forderungen. "Bestimmte Bemühungen der Leitung", die Situation zu verbessern, werden zwar anerkannt, es seien aber "erhebliche Verbesserungen" nötig. Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte die Unterbringung in Doberlug-Kirchhain bereits 2022 kritisiert. Auch damals waren Isolation und Abgeschiedenheit als Probleme genannt worden.

Der Landkreis erklärte dem rbb am Mittwoch, die Vorwürfe und die daraus resultierenden Forderungen sehr ernst zu nehmen. Man sei deshalb in Kontakt mit den beteiligten Dienstleistern. Laut Landkreis sei der offene Brief bislang weder dem Betreiber, noch dem Landkreis übergeben worden. "No Border Assembly" hatte aber erklärt, den Brief per Mail an die Einrichtungsleitung geschickt zu haben.

Der Landkreis habe ein Gespräch mit den Initiatoren des Briefes vorgeschlagen, auch um einige Kritikpunkte anhand von konkreten Beispielen besprechen zu können. Außerdem könnten die Probleme auch in den regelmäßigen Versammlungen in der Einrichtung und bei Mitarbeitern des Landkreises angesprochen werden, die regelmäßig vor Ort seien.

Auf rbb-Nachfrage erklärte ein Sprecher des Landkreises, dass es vor dem offenen Brief keine Gesprächsanfragen durch "No Border Assembly" oder durch Bewohner gegeben habe. Auf die im Brief genannten Kritikpunkte ging der Kreis nicht im einzelnen ein. Der Sprecher erklärte, dafür sei die Kritik zu pauschal geäußert worden.

Wer ist "No Border Assembly"?

Bei "No Border Assembly" handelt es sich nach eigenen Angaben um eine Gruppe, in der sich Menschen für das Recht auf Bewegungsfreiheit für alle und gegen Abschiebungen organisieren. Auf ihrer Webseite werden beispielsweise Termine von Massenabschiebungen veröffentlicht, offenbar um mögliche Betroffene zu warnen.

Im Internet und auch auf selbst organisierten Demonstrationen protestiert die Gruppe etwa gegen Unterdrückung jeder Art, setzt sich für ein staaten- und führerloses Miteinander ohne Grenzen ein, äußert sich stark antikapitalistisch und setzt sich gegen sogenannten "Neokolonialismus" ein.

Außerdem organisierte die Gruppe bereits eine Kundgebung für Solidarität mit Palästina. Der israelische Staat wird im Zusammenhang mit den Angriffen auf den Gaza-Streifen als alleiniger Agressor im aktuellen Nahost-Konflikt genannt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 07.02.2024, 7:30 Uhr

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