Cannabis, Kokain, Heroin - Wie der Berliner Drogenmarkt vor der Cannabis-Legalisierung aussieht

Fr 01.03.24 | 09:27 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Eine Polizistin hält am 05.03.2021 Drogen in der Hand, die ein Rauschmittel Spürhund bei einem Polizeieinsatz im Görlitzer Park gefunden hat. (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Audio: rbb24 Inforadio| 01.03.2024 | Patrik Buchmüller | Bild: dpa/Christophe Gateau

Keine andere Droge beschäftigt die Berliner Polizei mehr als Cannabis, das zeigen aktuelle Zahlen, die rbb|24 exklusiv vorliegen. Mit der möglichen Legalisierung von Cannabis könnte sich die Statistik allerdings ändern. Von Sebastian Schöbel

Wenn die Berliner Polizei bislang mit Drogenkriminalität zu tun hatte, ging es in den allermeisten Fällen um Cannabis. Das geht aus einer bislang unveröffentlichten parlamentarischen Anfrage der Linken hervor, die rbb|24 vorliegt.

Demnach zählte die Polizeistatistik im vergangenen Jahr insgesamt fast 9.000 Delikte im Zusammenhang mit Cannabis - vom illegalen Besitz bis zum Handel mit der Droge. Bei mehr als der Hälfte aller Drogendelikte war Cannabis im Spiel. Zum Vergleich: Kokain machte laut Polizeiangaben ein Fünftel aller erfassten Drogendelikte aus.

Linke fordern Strategiewechsel bei der Polizei

"In den vergangenen Jahren lag ein Schwerpunkt der Rauschgiftermittlungen in der Verfolgung von Cannabis", sagen die beiden Linken-Politiker Sebastian Schlüsselburg und Niklas Schrader, die im Abgeordnetenhaus die aktuelle Statistik erfragt hatten. "Durch die bevorstehende Legalisierung des Konsums sollten jetzt personelle Ressourcen umgeschichtet werden, um insbesondere die organisierte Kriminalität hinter dem ansteigenden Handel und Schmuggel mit Kokain und anderen Substanzen zu bekämpfen." Denn mit Cannabis, so die Erwartung von Schrader und Schlüsselburg, wird es die organisierte Kriminalität künftig deutlich schwerer haben, Geld zu verdienen.

Mehr erfasste Kokain-Delikte

Während die Zahl der Cannabis-Delikte seit 2020 zurückgeht, steigt die Zahl der Delikte mit Kokain und Crack. Auch die Zahl der ausgehobenen illegalen Cannabis-Plantagen sinkt: von 54 im Jahr 2018 auf 35 im vergangenen Jahr.

Bei Kokain und Crack zählte die Polizei den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 2.043 Fälle. Im Jahr 2021 waren es noch etwa 1.700 Fälle, 2019 etwa 1.300 und 2017 weniger als 900 Fälle. Die Zahlen verdoppelten sich damit in nur sechs Jahren. Beim Handel und Schmuggel von Kokain sieht es ähnlich aus: Im Jahr 2017 waren es noch rund 300 registrierte Straftaten, 2019 schon 437, 2021 über 730 und im letzten Jahr 1.186 Fälle.

Weniger verdient haben Drogenhändler mit illegalen Substanzen aber offenbar nicht: Allein im vergangenen Jahr wurden im Zusammenhang mit Rauschgiftdelikten in Berlin Vermögenswerte in Höhe von 14,5 Millionen Euro eingezogen. Der Wert hat sich seit 2020 mehr als verdreifacht. Allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres sind bereits Vermögenswerte im Wert von knapp 440.000 Euro eingezogen worden.

Auch beim Produkt Cannabis selbst hat sich einiges getan: Der Anteil des Wirkstoffes THC hat sich laut Berliner Polizei kontinuierlich erhöht - ein Trend, den auch andere Polizeibehörden zuletzt bestätigten. Lag der Anteil 2017 noch bei 13,6 Prozent, waren es 2022 bereits 20,6 Prozent.

Sicherheitsbehörden rechnen nicht mit Entlastung

Ob die teilweise Legalisierung von Cannabis die Arbeit der Polizei wirklich leichter macht und der Fokus künftig auf andere Drogen gelegt werden kann, muss sich erst noch zeigen. Ein aktuelles Gutachten des Bundeskriminalamtes (BKA) [lto.de | pdf] kommt zu einem anderen Schluss. Es sei eher zu erwarten, so das BKA, "dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder zusätzliche Aufgaben und Aufwendungen in Form von Personal- und Sachkosten zukommen werden, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im Detail beziffert werden können".

So müsse unter anderem sichergestellt werden, dass der legale Cannabis-Anbau in speziellen Vereinen wirklich nicht-kommerziell bleibt. Zumindest der Kontrollaufwand dürfte zumindest kurzfristig eher größer werden. Außerdem müsse damit gerechnet werden, dass ein Anstieg beim legalen Cannabis-Konsum zu mehr Unfällen im Straßenverkehr führt, so das Gutachten.

Ob mit der Teillegalisierung von Cannabis auch der illegale Handel mit der Droge zurückgeht, lässt sich laut Angaben der europäischen Polizeibehörde Europol [emcdda.europa.eu] ebenfalls noch nicht sagen. Zwar seien andere Länder, zum Beispiel die USA, deutlich weiter beim Aufbau eines legalen Cannabis-Marktes, doch valide Daten zur Auswirkung auf das organisierte Verbrechen gebe es bislang noch nicht.

Der Bundesrat soll noch im März über die Teillegalisierung entscheiden. Mehrere Bundesländer haben Widerstand angekündigt. Es zeichnet sich ab, dass das Gesetz nicht wie geplant und vom Bundestag beschlossen zum 1. April in Kraft treten wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.03.2024, 10:00 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

22 Kommentare

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  1. 22.

    "auf Erfahrungen aus anderen Ländern greift man wie üblich nicht zurück. " N.m.M. ein genrelles Problem, nicht nur bei Drogenpolitik.

  2. 21.

    Ich traue unserer unfähigen Regierung auch ohne weiteres zu, dass sie auch dieses Versprechen platzen lassen. Es geht schon lange nicht mehr um Verbesserungen, sondern nur noch um Machterhalt.

  3. 20.

    „ Voll gekeift mit Cannabis ist legal?“
    Nein ist es nicht … das Bundesministerium Verkehr… versucht seit 20 Jahren (kein Witz) einen Grenzwert besser zu definieren als bisher… auf Erfahrungen aus anderen Ländern greift man wie üblich nicht zurück.
    Der derzeit geltende Grenzwert ist so niedrig, das dieser auch noch Tage nach dem Konsum überschritten wird.
    Die Ganze Regelung in Sachen Cannabis ist gut gemeint und schlecht gemacht… auch hier hat man auf Erfahrungen verzichtet und das Rad neu erfunden… ist dann eckig geworden.

  4. 19.

    Es ist schon seltsam in Deutschland, wer Alkohol trinkt und dann Auto fährt wird ab 0,5 Promille bestraft. Voll gekeift mit Cannabis ist legal? Für sehr kranken Menschen ist es bestimmt wirkungsvoll…..aber für jeden im Alltag??? Die Rechnung folgt in ein bis zwei Jahren, dann werden unsere Politiker wieder jammern. Das zu erkennen braucht man keinen akademischen Titel.

  5. 18.

    Ja was man alles so gut fände...
    Diese Zahlen sind seriös nur zu beschaffen, wenn Drogenkonsumenten nicht als Kriminelle, sondern als Drogenkrank angesehen würden. So wie man das in Portugal macht. Dem erzkatholischen, konservativen Land.
    Dann könnte man wissen, welche Einschränkung, welche Krankheit und womöglich bei wem eine Droge wissenschaftlich seriös erhoben Todesursache war.
    Bedenen Sie: Ist ein betrunkener Autofahrer ein Drogentoter, kommt er bei einem Unfall selbst ums Leben? War bei einem Cannabis-User das Cannabis ursächlich für einen Herzinfarkt? Oder hatte Cannabis als Blutdrucksenker den Herzinfarkt sogar hinausgezögert? Sterben Heroinsüchtige am Heroin, oder an den sozio-ökonomischen Elends-Begleiterscheinungen?
    Alles nicht so schlicht zu beantworten.

  6. 17.

    Ich hätte es gut gefunden, wenn man in der Statstik den einzelnen Drogen, die durch sie verursachen Todesfälle angegeben hätte. Dann hätte man sehen können welche Unterschiede es bei einzelnen Drogen gibt.

  7. 16.

    Ich finde es schön,wie hier Obst, Gemüse,Fleisch und Alkohol mit jetzt nicht mehr verbotenen Substanzen verglichen werden. Mir fehlen noch die Raucher.
    Wer sich sein Leben mit welchen Dingen auch immer versauen möchte, bitteschön.
    Am Ende zahlt eh die Gesellschaft für die Folgen.

  8. 15.

    Naja … das eine ist die Theorie und das andere das Leben.
    Aber… auch wenn es ungesund ist, bekommen sie Süßigkeiten, Alkohol, Zigaretten und Fleisch im normalen Geschäft und müssen nichts davon selbst anbauen oder brauen.
    Eigentlich ist eher das widersinnig.

  9. 14.

    War ja klar, das die Union, der organisierten Kriminallität, weitere Gewinne sichern möchte, und auch verhindern will, das Mensch, schön Umweltfreundlich und Energiearm Outddor Cannabis anbauen können soll.

    - Sollen lieber alle 1000€ für Indoor Anbauequipment ausgeben müssen, und im Winder mal so richtig richtig viel Strom verbrauchen, damit die Kosten für Strom hoch, und der organisierten Krimminallität noch länger Kunden erhalten bleiben…

    Von soviel Dummheit bekomme ich Kopfweh!

  10. 13.

    Irgendwie wiedersinnig. Man soll sich gesund ernähren, gesund leben, nicht rauchen, Alkohol nur in homöopathischen Dosen genießen, besser gar nicht, bisschen sporteln, Obst und Gemüse verputzen - aber Cannabis wird als künftige Gesellschaftsdroge gepusht. Das Zeug macht nicht satt, stinkt, kleistert Kopf und Lunge zu - mehr nicht. Warum?

  11. 12.

    In den Niederlanden wird Cannabis auch weiterhin nur geduldet. Die dortigen Coffeeshops sind mittlerweile auch der Regierung ein Dorn im Auge. Der Anbau v.Cannabis verläuft zumeist über Zwischenhandel mit Marokko. Dort haben findige Holländische Geschäftsleute Felder gepachtet um ihre speziellen Sorten dort anzubauen für den Heimischen Markt.

  12. 11.

    Ironie dahinter nicht verstanden ;-) von Heroin u. Koks steht im Artikel geschrieben. Nur vom Alkohol nada, nichts, weil ganz legal.

  13. 10.

    Die Mischung macht es… wenn man sieht da gibt es etwas (wo kaufen Coffeeshops) was nicht gut gemacht wurde, dann ändert man diesen einen Teil ab. Dafür muss man eben nicht das Rad neu erfinden.

  14. 9.

    das Problem ist in den Niederlanden, dass zwar der Verkauf und Besitz geduldet wird, die Ware aber trotzdem vom Schwarzmarkt kommt, da es keine lizensierten und kontrollierten Anbauer gibt. Das ist also nicht der richtige Weg, wenn man es "richtig" machen will.

  15. 8.

    Dieses "Gesetz" ist eine einzige Enttäuschung! Ich vertrage keinen Alkohol und hätte gern mal "einen durchgezogen"... legal erworben (Ausweiskontrolle nicht nötig - bin alt) in einem dafür autorisierten Geschäft. Aber das wird wohl in meinem Leben nicht mehr passieren!

  16. 7.

    "Einfach nur kontrollierte Geschäfte eröffnen lassen(Siehe Amsterdam) und die Behörden haben deutlich mehr Zeit für wichtigere Dinge." Was sprach denn dagegen die Lösung wie in den NL zu übernehmen? Warum mußte in D eine ganz neue Lösung gefunden werden? Ich finde das deshalb schon unlogisch, da man auf die Erfahrungen anderer Länder verweist - dann würde ich keine neue Variante erfinden, von der ich dann noch nicht weiß, was die für Auswirkungen hat sondern lieber die erprobten Varianten übernehmen, welche ich ja vorher als Vorbild hingestellt hatte.

  17. 6.

    >"Selbstbedienung im Supermarkt nebst Suchgefahr im Preis mit inbegriffen."
    Und deswegen sollte ein anderes berauschende Mittel ebenfalls so behandelt werden?
    Das wäre auch die falsche Herangehensweise. Dann käme als nächstes Heroin oder Coks ins Gespräch.

  18. 5.

    Dem kann ich nur zustimmen. Ab April wird von privat ein Produkt produziert, was man nicht verkaufen oder weitergeben kann, da bei drei erlaubten Pflanzen deutlich mehr als 50 Gramm pro Monat Ertrag zu erwarten sind.
    Daher wird der so gefürchtet Schwarzmarkt erst so richtig davon profitieren und die Preise werden sicher fallen.
    Einfach nur kontrollierte Geschäfte eröffnen lassen(Siehe Amsterdam) und die Behörden haben deutlich mehr Zeit für wichtigere Dinge.

  19. 4.

    Alkohol ist legal, egal. Selbstbedienung im Supermarkt nebst Suchgefahr im Preis mit inbegriffen.

  20. 3.

    "Kein anderer Droge beschäftigt die Polizei mehr als Cannabis "

    Was ist mit Alkohol?

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