Urteil zu tödlichem Unfall mit Tesla - "Unser Verlust wird ein Leben lang bleiben"

Do 07.03.24 | 19:29 Uhr
Archivbild: Ein ausgebranntes Elektroauto der Firma Tesla liegt am Strassenrand zwischen Dobbrikow und Hennickendorf (Teltow-Fläming) am 16.08.2022. (Quelle: picture alliance/Christian Guttmann)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.03.2024 | Lisa Steger | Bild: picture alliance/Christian Guttmann

Vor anderthalb Jahren starben zwei 18-Jährige bei einem Verkehrsunfall in Dobbrikow. Jetzt wurde der Fahrer des Wagens verurteilt - trotz Volljährigkeit nur nach Jugendstrafrecht. Das und die Sicherheit des Teslas warfen Fragen auf. Von Lisa Steger

  • Urteil im Prozess um einen Unfall mit zwei Toten Im August 2022
  • Fahrer des Unfallwagens trotz Volljährigkeit nach Jugendstrafrecht zu drei Monaten Fahrverbot verurteilt
  • Auch komplizierte Türgriffe des Tesla Thema im Prozess - die Opfer verbrannten im Auto
  • Hersteller schweigt zu Fragen nach Sicherheitsbedenken

Im Prozess um einen Autounfall mit einem Tesla im August 2022 hat das Amtsgericht Potsdam den heute 20-jährigen Fahrer aus Beelitz (Potsdam-Mittelmark) verwarnt, zu drei Monaten Fahrverbot und einem Fahrsicherheitstraining verurteilt. Er muss zudem den Hinterbliebenen ein Gespräch anbieten.

"Es war ein ganz kleiner Fehler mit großen, großen Schäden", sagte die Amtsrichterin in ihrer Urteilsbegründung. Zwei Jugendliche hatten den Unfall auf der L 73 nahe Dobbrikow im Kreis Teltow-Fläming schwerverletzt überlebt. Die 18 Jahre alten Noel und Laura starben auf dem Rücksitz des Tesla S, den der Unfallfahrer kurz zuvor von seinen Eltern geschenkt bekommen hatte. Die fünf jungen Leute waren auf dem Weg in ein Schwimmbad gewesen.

Jugendstrafrecht trotz Volljährigkeit

Der damals knapp 19 Jahre alte Fahrer war mit 60 bis 65 Stundenkilometern in eine scharfe Linkskurve gefahren und hatte nicht rechtzeitig nach links gelenkt, so die Richterin. Er prallte gegen einen Baum, das Auto ging in Flammen auf.

Zwar seien an dieser Stelle der L 73 auch 60 Stundenkilometer erlaubt. Dennoch sei die Geschwindigkeit "unangemessen gewesen für einen Fahranfänger", so die Richterin, zumal er den Tesla S erst drei Tage besaß. Der heute 20 Jahre alte Fahrer wurde nach dem Jugendstrafrecht verurteilt, weil er seinerzeit noch zuhause wohnte, kaum Freunde hatte und sehr unselbstständig war, erklärte die Richterin.

Die Anwälte der hinterbliebenen Eltern sahen es anders, konnten sich aber nicht durchsetzen. "Er ist seinen Weg gegangen", meinte Anwalt Georg C. Schäfer, der die Eltern Noels vertrat, in seinem Plädoyer. "Jugendstrafrecht bei Erwachsenen - das sind meist Angeklagte mit ADHS, mit alkoholkranken Eltern oder Kindheit im Heim." So ein Angeklagter sei Jan M. aus Beelitz aber nicht. Und Anwalt Alexander Giehler sagte für die Eltern der tödlich verunglückten Laura F.: "Eine Jugendstrafe, nur, weil er noch zuhause wohnte? Dann müsste ja jeder, der mit 18 noch zuhause wohnt, reifeverzögert sein."

"Es fließen täglich Tränen"

Weit über 50 Menschen hatten die beiden Prozesstage verfolgt: Freunde, Mitschüler, Nachbarn, Lehrer, natürlich auch die Eltern der beiden schwer verletzten Jugendlichen Laura S. und Tim Sch. und die der getöteten 18jährigen Noel M. und Laura F. Die Eltern waren Nebenkläger im Prozess. Die Mütter stützten einander, immer wieder schluchzten sie in ihr Taschentuch.

Am Ende des letzten Tages ergriff der Vater Noels das Wort. "Es fließen täglich Tränen", sagte er. "Unser Verlust wird ein Leben lang bleiben."

Der 20-jährige Angeklagte nahm das Urteil unbewegt auf. Bei den Hinterbliebenen hatte er im Prozess um Verzeihung gebeten.

Der Konstruktionsmangel des Tesla S spielte auch eine Rolle

Der Prozess wurde weit über Brandenburg hinaus beachtet. Denn die 18 Jahre alte Laura F. hat – so der Obduktionsbericht – nach dem Aufprall noch gelebt. Die Frage stellt sich, ob sie aus einem anderen Auto hätte gerettet werden können.

Ein überlebender Mitfahrer, der vom Rücksitz nach vorne ins Freie geklettert war, und mehrere Ersthelfer sagten aus, sie hätten die Hecktüren des Tesla S nicht öffnen können. Weder von innen noch von außen.

Die Türgriffe am Auto sind bei dem Tesla Model S versenkt. "Bei Unfällen sollten die Airbags und die Türgriffe ausfahren“, so der Kraftfahrzeugsachverständige. Die Airbags seien aufgegangen, die Türgriffe jedoch versenkt geblieben. "Der Sicherheitsablauf hat hier nicht stattgefunden", so der Gutachter. "Der Fahrzeughersteller gibt keine Garantie, dass das wirklich so funktioniert." Darauf mache Tesla selbst in der Bedienungsanleitung aufmerksam.

Auch Klage gegen Tesla denkbar

Die Türen könnten dann nur noch von innen geöffnet werden. Im Tesla S-Handbuch (externer Link: tesla.com) heißt es: "Um eine Hecktür im unwahrscheinlichen Fall eines Ausfalls der Stromversorgung von Model S zu öffnen, klappen Sie die Teppichkante unter den Rücksitzen zurück, um den mechanischen Entriegelungszug freizulegen. Ziehen Sie den mechanischen Entriegelungszug zur Fahrzeugmitte hin."

"Die mechanische Entriegelung von innen ist relativ kompliziert, das muss man erstmal wissen", so der KFZ-Gutachter im Prozess. "Und man muss es ausführen können. Hier war es aussichtslos", ist er überzeugt. "Aus Ingenieurssicht ist es immer besser, wenn man einen Griff hat, dann kann man daran ziehen." Sein Fazit: "Ich finde es nicht gut. Aber wenn es zugelassen wurde, wurde es zugelassen."

Nebenklagevertreter Georg C. Schäfer sagt, die Eltern der Toten hätten noch nicht entscheiden, ob sie rechtlich gegen Tesla vorgehen möchten. "Sie müssen das erstmal sacken lassen." Doch für Anwalt Schäfer steht fest: "Dieses Auto von Tesla ist zugelassen, das ist misslich, da muss sich etwas ändern. Doch im Moment gilt es als rechtlich unbedenklich im Straßenverkehr, was nicht richtig ist."

Hersteller und Behörden schweigen zum Thema

Komplizierte Vorschriften für den Ausstieg von der Hinterbank, wenn man verunglückt ist, gibt es auch beim Tesla-Modell "X". Hier muss man zunächst ein Lautsprechergitter entfernen, um einen darunter liegenden Riegel zu ziehen. Unter Autofachleuten sorgt das immer wieder für Diskussionen.

Eine rbb-Anfrage vom 4. März, was Tesla unternimmt, um das Problem zu beheben, ließ die Pressestelle des Konzerns bis zum Abend des 7. März unbeantwortet. Das Kraftfahrzeugbundesamt erklärte sich auf rbb-Anfrage für unzuständig und schrieb zurück: "Ihre Fragen richten sich an die Typgenehmigungsbehörde für den Hersteller Tesla. Im Falle des Herstellers Tesla ist die genehmigende Behörde das RDW in den Niederlanden. Ihre Fragen möchten Sie daher an das RDW in den Niederlanden richten."

Doch auch die Niederländer antworteten auf eine Mail-Anfrage des rbb bis heute nicht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.03.2024, 17:10 Uhr

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