rbb24 exklusiv - Strafrechtler sehen Verdacht der Untreue bei Brandenburger Rechtsanwaltskammer

Do 30.05.24 | 11:13 Uhr | Von Gabi Probst
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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 30.05.2024 | Gabi Probst

Fehlende Belege, großzügige Aufrundungen: Bei der Rechtsanwaltskammer in Brandenburg hat es offenbar Verstöße gegen die vorgeschriebene Haushaltsführung gegeben. Das zeigt ein Prüfbericht des Landesrechnungshofs, der dem rbb vorliegt. Von Gabi Probst

  • Prüfbericht kritisiert Brandenburger Rechtsanwaltskammer
  • Haushaltsordnung wurde nicht eingehalten
  • Rechtsexperten sehen Verdacht auf Untreue

Die Rechtsanwaltskammer in Brandenburg soll unkorrekt abgerechnet und mehr ausgegeben haben, als sie durfte. Das legt eine Überprüfung durch den Landesrechnungshof Brandenburg (LRH) nahe. Strafrechtlern zufolge könnten mehrere Fälle von Untreue vorliegen.

Die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg (RAK) hat die Aufsicht über 2.098 Rechtsanwälte in Brandenburg. Jeder von ihnen ist Pflichtmitglied bei der RAK als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Kosten der Kammer werden durch die Mitgliedsbeiträge gedeckt.
Jetzt hat der Landesrechnungshofs Brandenburg die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Kammer von 2014 bis 2022 geprüft. Auf gut 60 Seiten, die rbb24 Recherche exklusiv vorliegen, listen die Prüfer auf, welche Verfehlungen sie bei der Haushaltsführung durch die Geschäftsführung der Rechtsanwaltskammer festgestellt haben. Viele gehen demnach zu Lasten der Mitglieder.

Erhebliche Ausgaben für Süßigkeiten und Geschenke für Angestellte

Nach dem Bericht des Landesrechnungshofes plant die Rechtsanwaltskammer ihre Einnahmen und Ausgaben nicht mit der gebotenen Sorgfalt. Ein Jahresabschluss soll Rechenfehler und unzulässige Rundungen enthalten haben. Bei Auftragsvergaben seien die allgemeinen Grundsätze wirtschaftlichen Handelns sowie eines transparenten, nachvollziehbaren und willkürfreien Verfahrens nicht eingehalten worden, heißt es.

Verstoß gegen das "Vier-Augen-Prinzip"

Geschäftsführung und Vorstand der Kammer sollen laut Vorschrift wirtschaftlich und sparsam mit den Mitgliedsbeiträgen umgehen und sich an die Regeln der Haushaltsordnung des Landes Brandenburg halten. Beim Landesrechnungshof heißt es, dass die Haushaltspläne der Rechtsanwaltskammer den Anforderungen der Landeshaushaltsordnung nicht genügen. Sie seien teils unklar und unkorrekt - das erschwere es auch den Kammermitgliedern, "sich kritisch mit einzelnen Positionen des Haushalts" auseinanderzusetzen.

Auch bei der Handkasse soll gegen das "Vier-Augen-Prinzip" verstoßen worden sein. Reisekosten wurden unterschiedlich abgerechnet. Zudem soll nicht ordnungsgemäß dokumentiert worden sein, welcher Personenkreis zu welchen Anlässen bewirtet und beschenkt wurde. Zudem seien auch erhebliche Geldbeträge für Süßigkeiten, Lebensmittel, Drogerieartikel sowie Pizza-Lieferungen und Geschenke für die Angestellten ausgegeben worden. "Ob diese Ausgaben notwendig waren, erscheint zumindest zweifelhaft", so die Einschätzung der Prüfer.

"Das alles riecht letztlich nach Untreue"

Der Berliner Strafrechtler Martin Heger sagte dem rbb nach Durchsicht der Unterlagen: “Die Rechtsanwaltskammer hat offensichtlich auch Gelder für private Annehmlichkeiten ihrer Mitarbeiter ausgegeben. Das alles riecht letztlich nach Untreue, denn es ist nicht arbeitsvertraglich geschuldet, sondern sind Zuwendungen zusätzlich zum Arbeitsendgelt, auf die kein Anspruch besteht." Heger äußerte gegenüber dem rbb den Verdacht, dass die Geschäftsführung womöglich das tatsächliche Haushaltsgeschehen verschleiern wollte.

Auch Uwe Hellmann, Professor für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht an der der Universität Potsdam, betont: "Wenn Planungen der Einnahmen und Ausgaben nicht mit der gebotenen Sorgfalt geschehen sind, unzulässige Rundungen erfolgten, Vollmachten fehlten, Buchungen ohne Belege waren, Quittungen fehlten, das Vier-Augen-Prinzip missachtet wurde - dann sind das schon bedenkenswerte Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung." Hellmann zufolge moniert der Landesrechnungshof auch, dass Aufwandsentschädigungen und Kilometergeld gezahlt worden sind, die nicht den tatsächlichen entstandenen Kosten entsprachen. Für ihn ist es denkbar, dass es sich hier um den Straftatbestand der Untreue handeln könnte.

Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Frank Engelmann, weist den Straftatbestand der Untreue hingegen entschieden zurück und schrieb dem rbb auf Nachfrage: "Der in der Prüfungsmitteilung enthaltene Tatbestand hat auch nach Prüfung durch den Vorstand und die Geschäftsstelle (d.h. 15 Volljuristinnen und Volljuristen, darunter drei Fachanwälte für Strafrecht) keine Anknüpfungstatsachen für den Verdacht einer Untreue erbracht."

Tausende Euro Schaden durch Kredit-Geschäft?

Dass es sich hier womöglich um Straftatbestände wie Untreue handeln könnte, zeige aber auch das Beispiel des Kredits für den Sitz der Rechtsanwaltskammer, meint Strafrechtler Heger. Das Gebäude in Brandenburg an der Havel wurde in den 90-er Jahren gekauft und finanziert. Nach Ablauf der Zinsbindung für den Kredit seien keine Vergleichsangebote von anderen Banken eingeholt worden, heißt es vom Landesrechnungshof. Dadurch sei über zehn Jahre möglicherweise ein Schaden von rund 8.000 Euro entstanden. Allerdings stellen die Prüfer auch fest, dass es keine "wettbewerbsrechtliche Verpflichtung" gibt, Kredite per Ausschreibung zu vergeben. Zugleich sollten die Verantwortlichen aber "wirtschaftlich und sparsam" handeln.

Strafrechtler Heger positioniert sich dazu schärfer: "Man hat versäumt, den Zinssatz, den Bedingungen, die auf dem Markt geherrscht haben, anzupassen. Die Zinsen waren damals viel niedriger. Man hätte also viel weniger Zinsen zahlen müssen. Das begründet durchaus den Verdacht des Straftatbestands der Untreue. Das muss die Staatsanwaltschaft prüfen."

Rechtsanwaltskammer: "Behauptete Verstöße wurden umfangreich geprüft"

Die Geschäftsführung der Rechtsanwaltskammer widerspricht den Vorwürfen, sie seien von Vorstand und Geschäftsführer eingehend geprüft worden. "Die behauptete Möglichkeit des Landesrechnungshofes, durch einen Gläubigerwechsel (Wechsel der Bank - Anm.d.Red.) substantielle Einsparungen zu erzielen, ist zumindest zweifelhaft, da besonders günstige Kreditangebote typischerweise mit versteckten Kosten u. ä. einhergehen", schreibt Präsident Engelmann dem rbb auf Anfrage. Die Kreditverlängerung sei zu marktgerechten Zinsen erfolgt.

Engelmann teilt aber auch mit: "Die behaupteten Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung sind vom Vorstand umfangreich geprüft worden; soweit der Kammervorstand sich der Rechtsansicht des Landesrechnungshofes anschließt, werden diese Vorgänge in der Kammerversammlung am 14.06.2024 detailliert und umfangreich vorgetragen werden."

Der Landesrechnungshof will nach eigenen Angaben in absehbarer Zeit prüfen, ob die Rechtsanwaltskammer Änderungen bei der Haushaltsführung vorgenommen hat. Das Justizministerium - die Aufsichtsbehörde der Rechtsanwaltskammer – prüft bereits, ob es weitere Schritte einleiten muss.

 

Sendung: rbb Brandenburg aktuell, 30.05.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Gabi Probst

10 Kommentare

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  1. 10.

    "Thema schon in der Bevölkerung seit dem Jahr 1950 bekannt"
    Wieso erst seit 1950?
    "erstens. Staatsanwälte sind Mitglieder des Deutschen Richterbundes."
    Wieso spielt das in die hier eine Rolle? Welcher Staatsanwalt ist Mitglied einer Rechtsanwaltskammer?
    "zweitens. Staatsanwälte sind Politische Weisungsempfänger."
    Das verstehe ich noch nicht - wie hängt das mit den vom Rechnungshof geprüften Vorgängen zusammen?
    "drittens . Wie viele Personen mit Juristischen Hintergrund unter anderen Staatsanwälte sind Parteimitglieder sitzen in den Parlamenten der BRD/ EU ?"
    Wäre es nicht gut auch ein paar Juristen in den Parlamenten zu haben... z.B. um rechtssichere Gesetzesvorhaben vorzuschlagen und zu überprüfen? Werden bessere Gesetze gemacht, wenn in den Parlamenten keine Juristen sitzen aber alle anderen Berufe erlaubt sind?

  2. 9.

    Keks hin oder her, wenn Kekse verabreicht werden ist das sicher nicht das Problem. Es gehört aber dazu festzuhalten, wer wann mit welchen Kosten gefüttert wurde und zu welchem Anlass. Das sind die Regeln. Aufrundungen und fehlende Quittungen eignen sich eher nicht als Nachweise, wie man Mitgliedsbeiträge ausgibt.

  3. 8.

    Erst einmal, die Vorgänge in der RAK bedürfen Nachprüfungen über die Ausgaben und Konsequenzen, - unbestritten.
    Aber (!), wenn die RAK eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist und diese sich aus Pflichtsbeiträgen der Mitglieder (RA'e) finanziert, so kann der LRH maximal Empfehlungen geben, mehr jedoch nicht.
    Im Gegensatz zu Richtern und Staatsanwaltschaft sind RA's Freiberufler und werden von den Mandanten bezahlt. Die RA's werden aber auch reagieren, mal sehen in welcher Form und Umfang...!

  4. 7.

    Wir sollten nicht zu hart urteilen, sind wir doch allesamt fehlbar.

  5. 6.

    Offenbar musste der Landesrechnungshof nun auch was finden, nachdem er zuvor sein Prüfrecht mühsam einklagen musste. Schon allein um den eigenen Personalaufbau zu rechtfertigen. Und mal ehrlich - der Keks oder eine Pizza für die Belegschaft als Unterschlagung werten? Kann man machen, muss man aber nicht! Ich gönnen es allen Kollegen, ihren Belegschaften auch mal was Gutes zu tun. Und was in den einzelnen Kanzleien erlaubt ist, sollte auch unserer Kammer möglich sein. Und wenn nicht, sollten wir das ins Regelwerk der RAK aufnehmen! Kuchen für alle!

  6. 5.

    Und das bei Leuten, die wissen sollten wie es korrekt sein soll. Hoffentlich wird das auch geahndet

  7. 4.

    Vielleicht sollte man den Bericht des LRH vorher lesen, bevor man sich eine Meinung bildet.
    Stellt sich die Frage, warum der Bericht für die (Zwangs)Mitglieder bislang nicht öffentlich einsehbar ist.

  8. 3.

    Für mich würde es als Leser schon nen Unterschied machen, ob da Pralinen und Sekt o.ä. als Dankeschön für Schreibkräfte, etc. aufgewendet wurde, oder ob sich da Staatsbedienstete gnadenlos die eigenen Taschen mit Bargeld vollgestopft haben.

    reden wir da über 800,- oder über 800 000,- Euro ? Auch das Kreditgeschäft sehe ich da eher unkritisch. Mit Einreichung aller Unterlagen bei ner Framdbank statt ner unbürokratischen Anschlussfinanzierung entstehen da Personalkosten, die eine etwaige Zinseinsparung übersteigen.

    Klingt mir hier nach viel Lärm um nix.

  9. 2.

    Genau das schafft neue Bürogratie! Eine handvoll legt Vorschriften und Regeln sehr weit aus und was kommt raus? Neue Vorschriften, die einem inzwischen das Arbeiten unmöglich machen.
    An manchen Stellen ist es, übertrieben gesagt, schon soweit, dass man begründen muss, warum man Klopapier braucht...
    Ich sehe schon ein, dass es gewisse Vorschriften braucht, aber es darf nicht dazu führen, dass man handlungsunfähig wird. Gerade diese ganzen Ausschreibeverfahren. Viele kleinere Unternehmen bewerben sich darauf nicht, da es viel zu aufwendig ist die ganzen Vorgaben zu berücksichtigen. Früher brauchte man nur drei Angebote. Jetzt muss man auch Kleinbuktu die Möglichkeit geben diesen Auftrag zu bekommen, der sich aber gar nicht darauf bewirbt und potentielle Anbieter abschreckt. Nur noch lächerlich...

  10. 1.

    Thema schon in der Bevölkerung seit dem Jahr 1950 bekannt
    erstens. Staatsanwälte sind Mitglieder des Deutschen Richterbundes.
    zweitens. Staatsanwälte sind Politische Weisungsempfänger.
    drittens . Wie viele Personen mit Juristischen Hintergrund unter anderen Staatsanwälte sind Parteimitglieder sitzen in den Parlamenten der BRD/ EU ?

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