"Steuersenkungen per Gießkanne" - Giffey lehnt Lindners Entlastungspaket ab

Mi 10.08.22 | 22:02 Uhr
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Eine Reinigungskraft arbeitet in einem Krankenhaus (Symbolbild) (Quelle: dpa/Daniel Reinhardt)
Video: rbb24 Abendschau | 10.08.2022 | Sabrina Wendling | Bild: dpa/Daniel Reinhardt

Die Pläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zum Inflationsausgleich haben in der Berliner Politik gemischte Reaktionen hervorgerufen. Mit Steuerentlastungen will Lindner nach eigenen Angaben die breite Mitte der Gesellschaft unterstützen. Berlins Regierende Franziska Giffey (SPD) nannte den Vorschlag "Steuersenkungen per Gießkanne".

Geringverdiener würden nach Lindners Plänen zwar prozentual Steuern sparen, nicht jedoch in absoluten Zahlen; Menschen mit höherem Einkommen könnten mehr Geld zur Seite legen. Berlins Regierende findet das nicht zielgerichtet genug. "Wir müssen auch Gruppen erreichen, die bisher nicht ausreichend entlastet sind", sagte Giffey dem rbb und verwies zum Beispiel auf Rentner, Rentnerinnen und Studierende. Es werde noch einige Punkte zu klären geben, so Giffey. Sie forderte bei den Entlastungen mehr soziale Gerechtigkeit.

Zum Ausgleich der Inflation will Lindner die breite Mitte der Gesellschaft entlasten. 48 Millionen Menschen würden profitieren, sagte er am Mittwoch in Berlin. Kernpunkte sind ein höherer Grundfreibetrag und mehr Kindergeld [tagesschau.de]. Durchschnittlich läge die Entlastung bei 192 Euro. "Die Menschen sind angesichts der Inflation besorgt", sagte Lindner. Angesichts der Befürchtung von steigenden Preisen für Gas und Lebensmittel sei man in einer Situation, wo gehandelt werden müsse.

Berliner CDU begrüßt Lindners Entlastungspaket

Auch Tobias Schulze, stellvertretender Landeschef der Berliner Linken, bewertet Lindners Vorschläge kritisch. "Wir finden, das kommt zu einer Unzeit." Menschen mit niedrigem Einkommen könne man kaum über die Steuern entlasten, so Schulze, weil diese Gruppe kaum Einkommenssteuer zahle. Sie bräuchten vielmehr eine Entlastung. Jetzt sei nicht die Zeit für Steuergeschenke an Besserverdienende, so Schulze.

Längst überfällig hingegen nannte Kai Wegner, Landes- und Fraktionschef der Berliner CDU, die geplanten Entlastungen. Angesichts Inflation und Energiekrise bräuchten die Menschen jetzt genau das. Es sei der richtige Weg, auch Mittelschicht und Normalverdiener zu entlasten.

Gemischte Reaktionen aus Brandenburg

Kritik an Lindners Vorschlag kommt auch von der Brandenburger SPD. Der Vorschlag greife zu kurz und der Fokus liege nicht auf Menschen mit kleineren oder mittleren Einkommen. Auch Rentner und Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, müssten berücksichtigt werden, sagte Generalsekretär David Kolesnyk rbb24 Brandenburg aktuell.

Es gibt aber auch Rückendeckung für den Bundesfinanzminister: Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann hält den Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Lindner zur finanziellen Entlastung der Bürger für grundsätzlich richtig. Die geplante Begrenzung der kalten Progression sorge für viele Menschen dafür, dass eine Lohnerhöhung nicht zu höheren Steuerzahlungen führe, sagte Redmann dem rbb.

Kritischer sehen es die Grünen. Demnach würden Gutverdienende gegenüber Menschen mit gerigem Einkommen bevorteilt werden, so die Landesvorsitzende Julia Schmidt. Für die Linken im Land ist das Entlastungsgesetz "Klientelpolitik" und eine "falsche Antwort auf steigende Preise".

Sendung: rbb24 Abendschau, 10.08.2022, 19:30 Uhr

70 Kommentare

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  1. 70.

    Frau giffey, wenn Sie polemisch beklagen, dass Rentner benachteiligt werden, dann arbeiten Sie sich mal bei der Deutschen Rentenversicherung durch, bei den Besteuerungen für Rentner sowie bei den SV Beiträgen. Diese fehlbehandlung hat die SPD mit verursacht. Bei der DRV sollte man intensivsten auf den Umgang mit anvertrauten Geldern achten.

  2. 69.

    Exarbeitnehmer:
    "Früher hatte ich fast die Hälfte an Abzüge,hab ja ganz gut verdient, ... Das Alles bei knapp über der Mindestrente,also Nichts mit Zuschuss in dieser Zeit."

    So viel verdient, dass fast 50% Steuern und SV gezahlt, und sowenig verdient, dass nur Mindestrente? Da stimmt doch etwas nicht!

  3. 68.

    Eine prozentuale Entlastung ist unfair gegenüber den Kleinverdienern und Rentnern und bevorzugt die, die schon viel Geld für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung haben.
    Es sollte für alle einen Sockelbetrag in gleicher Höhe geben. Das würde ich als gerecht bezeichnen.

  4. 67.

    Alle reden immer von Steuersenkungen, dabei ist die Belastung durch SV Beiträge viel größer.

    Es 97 - in Worten- siebenundneunzig! Verschiedene Krankenkassen. Würde man eine staatliche Krankenkasse daraus bilden, würden ca. 73 Millionen Versicherte profitieren da geringe Beiträge möglich wären durch immense Kosteneinsparungen.

  5. 66.

    Früher hatte ich fast die Hälfte an Abzüge,hab ja ganz gut verdient,heute nach dem ich viel zu früh in eine EU Rente voll gehen musste bin ich der voll angeschmierte.Wenn demnächst es kein 9 Euro Ticket mehr gibt muss ich wieder voll bezahlen.Rentenertickets erst ab 65.Ermaessigungen in Berlin liegen auch im 1 Euro Bereich.Das Alles bei knapp über der Mindestrente,also Nichts mit Zuschuss in dieser Zeit.

  6. 65.

    Lorenzo:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 11.08.2022 um 12:51
    Geringverdiener zahlen erhebliche Lohnsteuer.
    Bei 1.600€ netto, was bei den heutigen Preisexplosionen ein Geringverdiener ist, beträgt die Lohnsteuer ca. 200€."

    Bitte mit Bruttowerten argumentieren, weil die Nettowerte individuell sehr verschieden sein können.
    1.600 € (netto) entspricht ca. 2.300 € (brutto) in der Steuerklasse I für kinderlose Alleinerziehende.

    Lorenzo:
    "Man könnte diese Steuer sofort halbieren, und der Mensch hätte 1.700€.
    Warum passiert dies nicht?
    A) Entweder ist dies nicht gewünscht und das Märchen von der Leistungsträger-Entlastung nur Propaganda.
    B) Die Verantwortlichen kennen die Steuersätze der kleine Leute nicht.
    C) Man hat wichtigeres zu tun."

    D) Man braucht dieses Geld für staatliche Aufgaben!

    Klar, man könnte alle Steuern sofort abschaffen. Dann bricht aber mangels Geld unser Staat zusammen, wenn nicht "Lorenzo" dann alles bezahlt!

  7. 64.

    Steffen:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 11.08.2022 um 12:51
    Zu den Geringverdienern habe ich mich bereits ausgelassen. In aller Regel sind die heute ebenfalls steuerpflichtig. Jemand, der heute keine Steuern bezahlt, ist ohne staatliche Zuschüsse gar nicht überlebensfähig. Insofern wäre ein erhöhter Steuergrundfreibetrag sehr wohl eine Entlastung."

    Ich kenne einige sparsame Menschen, die verdienen unter dem Grundfreibetrag und beziehen keine Sozialleistungen. Diese Menschen haben NICHTS von solch einer Steuerreform.

    Der Vorteil von der Steuerreform beginnt bei 14% (= Eingangssteuersatz) für Geringverdiener und endet bei 45% für Höchstverdiener. Je höher das Einkommen, desto höher die Steuerersparnis!

  8. 63.

    Steffen:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 11.08.2022 um 12:51
    "Wenn sich aber alles nach oben verschiebt..." Bitte setzen Sie sich erst mal mit dem Steuersystem an sich und mit mathematischer Rechnung auseinander."

    Das habe ich bereits!

    Steffen:
    "Da verschiebt sich gar nichts nach oben, die Berechnung setzt nur einheitlich später ein."

    Genau das habe ich gemeint: Wenn sich die ganze Steuerkurve verschiebt, dann profitieren die am meisten, die am meisten verdienen, weil sie den höchsten Grenzsteuersatz haben.

    Steffen:
    "Die kalte Progression führt gerade bei Normalverdienern zu einer immer höheren Steuerbelastung, ..."

    Richtig.

    Steffen:
    "... so dass heute bereits Normalverdiener, wenn sie ledig sind, den Spitzensteuersatz zahlen können."

    Der Spitzensteuersatz von 45% beginnt bei 274.613 €/Jahr = 22.884,42 €/Monat. Welcher "Normalverdiener" verdient so viel??? Nicht einmal Professoren oder Richter verdienen so viel!

  9. 62.

    Steffen:
    "Antwort auf [Lorenzo] vom 11.08.2022 um 13:03
    Genau das ist ja das Thema. Es ist eben nicht gerecht, wenn der Arbeiter bis aufs Blut gemolken wird, während die gehätschelt werden, die nichts zum Steueraufkommen beitragen, obwohl sie es könnten."


    Wer wird wo wie "gehätschelt"? Bitte konkret!

  10. 61.

    Ich lese aus ihrem Kommentar, dass Sie zu denen eine Entlastung nicht nötig haben. Dann verzichten Sie doch! Sie müssen nicht über andere herziehen, die es wirklich brauchen.
    Alle Vorschläge von Seiten der FDP kamen bisher nur als Gießkanne oder als Steuergeschenk für überwiegend die, die es nicht unbedingt brauchen!
    Da eine Entlastung für alle nicht zu finanzieren und auch nicht notwendig ist, muss dies gezielt dort ankommen, wo es auch eine ist.

  11. 60.

    Himmel … NICHT die Inflation mit immer mehr Geld in den Taschen der Bürger „füttern“, sondern die URSACHE eliminieren … Den (irrational hohen) ERDGASPREIS … JETZT ... Mit der Bazooka ... Dann ist der Spuk (weitestgehend) vorbei.

  12. 59.

    Geringverdiener zahlen erhebliche Lohnsteuer.
    Bei 1.600€ netto, was bei den heutigen Preisexplosionen ein Geringverdiener ist, beträgt die Lohnsteuer ca. 200€.
    Man könnte diese Steuer sofort halbieren, und der Mensch hätte 1.700€.
    Warum passiert dies nicht?
    A) Entweder ist dies nicht gewünscht und das Märchen von der Leistungsträger-Entlastung nur Propaganda.
    B) Die Verantwortlichen kennen die Steuersätze der kleine Leute nicht.
    C) Man hat wichtigeres zu tun.

  13. 58.

    "Wenn sich aber alles nach oben verschiebt..." Bitte setzen Sie sich erst mal mit dem Steuersystem an sich und mit mathematischer Rechnung auseinander. Da verschiebt sich gar nichts nach oben, die Berechnung setzt nur einheitlich später ein. Die kalte Progression führt gerade bei Normalverdienern zu einer immer höheren Steuerbelastung, so dass heute bereits Normalverdiener, wenn sie ledig sind, den Spitzensteuersatz zahlen können.
    Zu den Geringverdienern habe ich mich bereits ausgelassen. In aller Regel sind die heute ebenfalls steuerpflichtig. Jemand, der heute keine Steuern bezahlt, ist ohne staatliche Zuschüsse gar nicht überlebensfähig. Insofern wäre ein erhöhter Steuergrundfreibetrag sehr wohl eine Entlastung.

  14. 56.

    Genau das ist ja das Thema. Es ist eben nicht gerecht, wenn der Arbeiter bis aufs Blut gemolken wird, während die gehätschelt werden, die nichts zum Steueraufkommen beitragen, obwohl sie es könnten. Die einzige Ausnahme, die ich da gelten lasse, sind Arbeitsunfähigkeiten aufgrund von Erkrankungen oder Behinderungen. Denen gegenüber ist es nicht gerecht, genau so viel/wenig zu erhalten, wie jemand, der in seinem Leben noch nicht einen Tag gearbeitet hat. Unser Sozialstaat ist eine wichtige Errungenschaft für den sozialen Frieden, den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit den Wirtschaftsstandort. Aber mit vollkommen übertriebenen Forderungen und ständig steigenden Zahlungen wird dieser gerade an die Wand gefahren. Früher galt mal Hilfe zur Selbsthilfe, das war richtig. Heute ist es ein dauerhaftes, bedingungsloses Grundeinkommen zu Lasten der arbeitenden Steuerzahler.

  15. 55.

    Bei der letzten Landtagswahl wählten die Arbeiter wie folgt:
    AfD 44%
    SPD 20%
    Grüne 4%
    FDP 4%
    (ARD-Wahltagsbefragung)
    Dies kommt nicht von ungefähr.
    SPD und Grüne überschlagen sich meist mit Forderungen, Sozialleistungen zu erhöhen, wohl wissend, dass dies nie umgesetzt wird. Da spielt es keine Rolle, ob jemand seit 10 Jahren nicht arbeitet.
    Die kleinen Leute mit wenig Geld, die jeden Tag die Steuern erwirtschaften, die schauen in die Röhre. Die bekommen nichts, weil sie ja knapp über der Armutsgrenze leben.
    Das ist doch nicht gerecht!

  16. 54.

    Steffen:
    "Wenn der steuerfreie Grundfreibetrag angehoben wird, dann profitieren vor allem Gering- und Normalverdiener. Erstere bezahlen im Idealfall gar keine Einkommenssteuer mehr, Letztere deutlich weniger."

    Geringstverdiener, die so wenig verdienen, dass sie schon jetzt keine Steuern zahlen, haben davon überhaupt nichts!

    Steffen:
    "Für Gutverdiener bleibt oberhalb des Freibetrages der Steuersatz auf die restliche Steuer identisch, sie sparen also auch nicht mehr, als Normalverdiener."

    Wenn sich aber alles nach oben verschiebt, was mit der Anhebung des Grundfreibetrages vermutlich gemeint ist, dann profitieren die Menschen mit höherem Einkommen mehr als die mit niedrigeren Einkommen.

  17. 52.

    Sie haben gar nicht begriffen, was ich geschrieben habe, oder? Es gibt nun mal gesetzliche Regelungen zur Arbeitszeit und zu Nebentätigkeiten. Diese gelten für Selbständige nicht. Das ist richtig, aber in dem Moment, wenn ein Arbeitnehmer eine selbständige Nebenbeschäftigung aufnehmen möchte, muss das mit dem Arbeitgeber geklärt werden, Es ist auch zynisch, Leuten pauschal vorzuschlagen, sie sollen doch einen Nebenjob aufnehmen, wenn das Geld nicht reicht.
    Mich betrifft es nicht, ich bin selbständig und arbeite so lange ich will. Ich finde aber, Menschen sollten von einer Stelle angemessen leben können. Ich möchte übrigens nicht beispielsweise von einer Krankenschwester betreut werden, die schon müde zur Schicht kommt, weil sie erst noch ihrem Nebenjob nachgegangen ist.

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