Neun-Euro-Ticket und Härtefallfonds - Berliner Abgeordnete debattieren über Entlastungen wegen steigender Preise

Do 08.09.22 | 14:19 Uhr
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Archivbild: Abgeordnete während der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus. (Quelle: dpa/W. Kumm)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.09.2022 | Jan Menzel | Bild: dpa/W. Kumm

Die Ampelkoalition des Bundes hat angesichts stark steigender Preise ein Entlastungspaket für die Bürger vorgelegt. Nun hat auch das Berliner Abgeordnetenhaus darüber debattiert, welche Hilfen es lokal geben soll.

Das Abgeordnetenhaus hat über Maßnahmen angesichts der stark steigenden Preise insbesondere für Energie debattiert.

Der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja lobte dabei das jüngste Entlastungspaket der Ampel-Koalition im Bund. Die Hälfte der Hilfen gingen als Steuerentlastungen an die "hart arbeitende Mitte", sagte Czaja. Er forderte den Senat aber auf, dieses Paket um einen "Schutzschirm für kleinere und mittlere Unternehmen" zu ergänzen. Scharf attackierte der FDP-Fraktionschef die Linke, die über einen "heißen Herbst schwadroniere".

SPD-Fraktionschef warnt vor Massenarmut

Czaja forderte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) auf, sich vom Koalitionspartner Die Linke zu distanzieren. Giffey hielt er vor, sich in der Diskussion um Entlastungen für die Bürger parteipolitisch zu profilieren. Die Regierende liefere sich ein "Windhundrennen" mit der grünen Senatorin Bettina Jarasch - eine Anspielung auf die koalitionsinternen Debatten über einen Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh warnte dagegen vor Massenarmut und dem "Abrutschen" ganzer Bevölkerungsschichten durch den Preisauftrieb. Die Bürgerinnen und Bürger müssten in Höhe der Steuermehreinnahmen des Staates entlastet werden. "Das Geld ist da", sagte der SPD-Politiker. Der Staat profitiere unter anderem über die Mehrwertsteuer enorm von den gestiegenen Preisen. Jährlich belaufe sich dieses Volumen auf rund 163 Milliarden Euro. Dieses Geld müsse zur Entlastung verwendet werden, sagte Saleh.

Linken-Fraktionschef Carsten Schatz sprach sich für eine regelmäßige und dauerhafte Unterstützung von Menschen mit niedrigen Einkommen aus. So müssten die Regelsätze der Bezieher von Arbeitslosengeld ab Oktober um 200 Euro angehoben werden. Zusätzlich sollten die gestiegenen Stromkosten separat erstattet werden, schlug Schatz vor.

Und wenn alle ihren Beitrag dazu leisten, dann sind wir uns ja einig, dass wir das mit einer Haltung angehen, die ganz klar sagt: Berlin packt das

Berlins Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey (SPD)

Kritik von Oppositionsparteien

Für die Oppositionspartei CDU warnte Fraktionschef Kai Wegner davor, dass Berlin auf "eine sehr ernste Krise" zusteuere. Die Bürger bräuchten konkrete, schnelle und direkte Hilfen. Als Beispiel nannte Wegner einen "echten" Energiepreisdeckel für Strom, Öl und Gas. In der Debatte um vergünstigte Tarife für Busse und Bahnen erteilte der CDU-Fraktionschef den Überlegungen der Koalition für ein neues Neun-Euro-Ticket eine Absage. "Die Lösung ist unser 365-Euro-Ticket", erklärte Wegner. Dieses Angebot sei sowohl langfristiger als auch nachhaltiger als das Neun-Euro-Ticket.

Grünen-Fraktionschef Werner Graf verteidigte dagegen einen Berliner Fahrschein für die Zeit von Oktober bis Dezember als Nachfolger des Neun-Euro-Tickets. "Das füllt die Lücke", sagte Graf mit Blick auf die Hilfen, die die Bundesregierung beschlossen hat. Er betonte, dass die rot-grün-rote Koalition insbesondere den Menschen mit niedrigem Einkommen helfen wolle. "Zentral ist auch ein Härtefallfonds", betonte der Grünen-Fraktionschef.

AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker warf dem FDP-Fraktionschef Czaja vor, er wolle den Menschen "verkaufen", dass das Entlastungspaket der Bundesregierung der Mitte der Gesellschaft helfe. "Das Entlastungspaket wird von der hart arbeitenden Mitte finanziert, sie wird aber nicht entlastet", kritisierte Brinker. Vielmehr würden Bürger und Unternehmen in den Ruin getrieben.

Die Regierende Bürgermeisterin sagte hierzu, "Weltuntergangsszenarien helfen nicht weiter, sondern eine seriöse Zuversicht."

Regierende Bürgermeisterin kontert Kritik

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, SPD, wies die Kritik der Opposition zurück. Der Senat arbeite sehr konkret daran, das Entlastungspaket des Bundes zu ergänzen. "Ich weiß nicht, ob sie es mitbekommen haben – wir haben den Berliner Energiegipfel, wir haben mit der Berliner Wirtschaft eine Charta zum Energiesparen abgeschlossen und wir haben Pläne für den Härtefallfonds", so Giffey in Richtung der Oppositionsreihen. "Wir sind schon seit Wochen und Monaten dabei, diese Dinge vorzubereiten", wies Giffey am Donnerstag bei der ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause im Abgeordnetenhaus Kritik aus der CDU zurück. CDU-Fraktionschef Kai Wegner hatte dem Senat vorgehalten, sich zu viel Zeit zu lassen und angesichts von Inflation und Energiekrise zu wenig zu unternehmen.

"Wir wollen das, was in Berlin passiert, sinnvoll ergänzen", sagte Giffey. "Es geht darum, dass wir jetzt in den nächsten Tagen das Entlastungspaket finalisieren werden."

Für den Umgang mit Inflation und Krise plädierte Giffey für einen kühlen Kopf. "Und wenn alle ihren Beitrag dazu leisten, dann sind wir uns ja einig, dass wir das mit einer Haltung angehen, die ganz klar sagt: Berlin packt das."

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.09.2022, 13:40 Uhr

45 Kommentare

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  1. 43.

    Nein ist es nicht. Aber da die Reaktion zu erwarten war, sollte eine entsprechende Vorplanung existieren, wenn man Sanktionen gegen Handelspartner verhängt. Haben etwa die USA ohne entsprechende Vorbereitung das gemacht und verhängen Sanktionen ohne eigene Vorbereitung auf zu erwartende Antworten, die ihnen selbst stark weh tun?

  2. 42.

    Wenn der Aubau entsprechender Speicherkapazitäten und Übertragungsnetze entsprechend dem Ausbau der eher unstetigen erneuerbaren Energien vorangetrieben worden wäre, wäre der "Zappelstrom" gar nicht so das Problem. Das Gesamtkonzept muß stehen, nicht nur Teile davon.
    Das Problem beim weiteren massiven Ausbau dürften auch zunehmend fehlende innländische Lieferanten werden - da tun sich neue Abhängigkeiten vom Ausland auf.

  3. 41.

    Die USA lacht sich schlapp, Europa schön auseinanderdividiert. Bisschen Militärhilfe hier und da, klappt ja prima. Der MIK verdient sich dumm und dämlich.

  4. 40.

    Wie viele Jahre sollen diese Unterstützungen aus Steuergeldern noch weitergehen?
    > Der Staat als Retter in jeder Krise? Über den fatalen Irrtum der Vollkasko-Politik < Handelsblatt Titel heute.
    Jedem Politiker zur Lektüre empfohlen.

  5. 39.

    " Linken-Fraktionschef Carsten Schatz sprach sich für eine regelmäßige und dauerhafte Unterstützung von Menschen mit niedrigen Einkommen aus. " Wie soll das dauerhaft finanziert werden ? ? ?
    ( Düstere Konjunktur-Prognosen: IfW erwartet Rezession und noch höhere Inflation – „Auf Deutschland rollt
    eine Lawine zu“ - Business Insider / 8. September 2022
    - - -
    Im deutschen Mittelstand geht die Angst vor einer Pleitewelle um. Die hohen Energiepreise, die Lieferketten-Probleme und der Fachkräfte-Mangel beunruhigen viele Unternehmer. "Jeden Tag erreichen uns Notrufe von Betrieben, die kurz davor sind, ihre Produktion einzustellen, weil sie die enorm gestiegenen Energierechnungen nicht mehr bezahlen können", klagt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Handwerks. "Wegen der Energie-Krise rollt auf das Handwerk eine Insolvenz-Welle zu." - tageschau.de Wirtschaft / 9. Sept. 22 )

  6. 38.

    Sicherlich alles richtig,aber wer das jetzt innerhalb eines Jahres korrigieren möchte,ist genauso unfähig.

  7. 37.

    Frau Giffey sagt "BERLIN PACKT DAS"!
    Meint sie damit evtl. dass Berlin mehr SCHULDEN macht, denn anders können doch die ganzen Geschenke die sie auf Kosten der Steuerzahler machen will gar nicht finanziert werden.
    Werte Politiker kommt doch mal in der Realität an und begreift, dass viele Wähler euch nicht wegen eurer guten politischen Entscheidungen wählen, sondern weil sie eure Mentalität alles umsonst zu bekommen LEIDER teilen.

  8. 36.

    Ist das eine Begründung dafür, das eigene Land und die eigene Regierung zu verfluchen? Darauf spekuliert der Moskauer Diktator und nutzt den Umstand aus, findet dann, wie man häufig lesen darf, dankbare Vasallen hierzulande, die unreflektiert irgendeinen Blödsinn verbreiten, der seiner perfiden Denkweise zupass kommt. Diese sogenannte starken Argumente sind die Schwäche, die er auszunutzen gewillt ist. Quer zu denken bedeutet, seine Perversion zu erkennen und Querdenkern mit geraden, gezielten Gedanken zu begegnen.

  9. 35.

    Wirtschaftpolitisch uninteressierte Menschen werden es erst wahrhaben wollen wenn substanzielle materielle Nachteile bzw. Einschränkungen sichtbar werden. Das Narrativ von vorübergehenden Opfern ist nicht mehr haltbar. Der von der Bundesregierung eingeschlagene Sanktionsweg spaltet Deutschland und schädigt die wirtschaftlichen Strukturen nachhaltig. D. möchte Gas aus Leitung 1, aber nicht aus Leitung 2. Äh, verstehe das wer wolle!?
    Interessant ist auch, was in verschiedenen Ländern sanktioniert wird und was nicht. Frankreich, das bei seiner Uranbrennstoffversorgung fast vollständig von Russland und Kasachstan abhängig ist, hat es geschafft, dass kaum jemand erfährt, dass diese Energielieferungen nicht sanktioniert worden sind. Das EU-Mitglied Ungarn hat jüngst seine Importe von russischem Erdgas erhöht, über eine russisch-türkische Pipeline. Das NATO-Mitgliedsland Türkei baut seine Wirtschaftsbeziehungen mit Russland weiter aus und bezahlt anstandslos mit Rubel.

  10. 33.

    An Besserwisser :na dann kläre uns mal bitte auf wie das mit der Deckelung der Gas/Strompreise geht

  11. 32.

    Ab wann muss man in Deutschland den höchsten Strompreis der Welt bezahlen? Das war doch schon vor Putins Überfall und es kam mit der Grünen Energiewende, alles auf Zappelstrom umzustellen.

  12. 31.

    Problemverursacher sind die Grünen mit ihrer gescheiterten "Energiewende" -ins Nichts. Spezielle angereichert von der Völkerrechtlerin mit den von ihr frei erfundenen Speichern im Netz, "Alles durchgerechnet".

  13. 30.

    Falsch, Fratscher sprang Habeck nur zur Seite und lieferte einen nachrangigen Rettungsanker.

    H. hat aufgrund seiner vermeintlichen Unwissenheit nur eben keine Unwahrheit gesagt, nicht mehr und nicht weniger.

    Er meinte in seinem Gedanken wohl die Gewerbeabmeldungen, die einer Insolvenz zuvorkommen könnten.

    H. teilte also - unbewusst ? - zwischen den Zeilen mit: „Bringt jetzt eure Schafe in Sicherheit, solange ihr noch könnt.“

    Kommt der Insolvenz (gemeint sind die Unternehmer) also zuvor, das war der versteckte, fatale Hinweis des H..

    Danken wir Habeck also im Umkehrschluss für diesen Hinweis, Unternehmer werden ihn verstanden haben.

    Gewerbe abmelden, Vermögen schützen, staatlichen Rettungsanker nutzen.

    Schlimme Zeit vorbei, Gewerbe wieder anmelden.

  14. 29.

    Bau, Hotels, Eisdielen….Saisonarbeiten seit jeher, folglich sehen die Kalkulationen auch aus.

    Was haben die o. a. Saisonarbeiten, Verdienst dort übrigens tendenziell gering, mit ganzjährig gut bezahlten Industriejobs gemein?

    Was möchten Sie diesen Unternehmen nun konkret sagen, sollen diese sich an dem Eismann orientieren ?

  15. 28.

    Wenn Berlin über Entlastung redet dann geht es um Wohngeldempfänger und Leistungsempfänger

  16. 27.

    "Wenn viele zehntausende Indutriearbeitsplätze verloren gehen wird das weitreichende Folgen haben!"

    Das haben wir alle der GroKo im allgemeinen und Hr. Altmaier im besondern zu verdanken. Haben die doch dafür gesorgt dass die EE Industrie in die Pleite getrieben wurde und die Arbeitsplätze jetzt in China stehen.

  17. 26.

    Ist das nicht eher eine Retoure? Halt Sanktionen und Gegensanktionen? Sollte damit nicht gerechnet werden, wenn man Sanktionen gegen ein Land verhängt, daß dieses sich auch mit Sanktionen wehrt, so es die Möglichkeit dazu hat?

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