Vorschlag der Ampel-Fraktionen - Bundestagswahl soll in 431 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden

Do 20.10.22 | 14:10 Uhr
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Symbolbild:Bundestagswahl.(Quelle:dpa/C.Soeder)
Audio: Radioeins | 19.10.2022 | Bild: dpa/C.Soeder

Dass der Wahlprüfungsausschuss eine teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin empfehlen wird, gilt schon länger als sicher. Nun einigten sich die Ampel-Vertreter darauf, in wie vielen Wahlbezirken das passieren soll.

Die Bundestagswahl vom September vergangenen Jahres soll nach dem Willen der Ampel-Fraktionen wegen zahlreicher Pannen in Berlin in 431 Wahlbezirken wiederholt werden.

Eine entsprechende Empfehlung solle der Wahlprüfungsausschuss des Parlaments an den Bundestag aussprechen, heißt es in einer Erklärung der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer Katja Mast (SPD), Irene Mihalic (Grüne) und Johannes Vogel (FDP) vom Mittwoch. Da die Ampel-Koalition in dem Ausschuss die Mehrheit stellt, ist davon auszugehen, dass der Vorschlag von dem Gremium beschlossen wird. Ursprünglich war die Entscheidung des Ausschusses für Donnerstag angekündigt. Wegen der Notwenigkeit rechtlicher Prüfungen wurde sie nun aber doch noch verschoben.

Laut dem SPD-Abgeordneten Johannes Fechner, der auch Mitglied im Wahlprüfungsausschuss ist, soll sich das Gremium nun am 7. November zu einer Sondersitzung treffen und eine Empfehlung an den Bundestag beschließen. Der solle darüber dann am 11. November entscheiden.

Erst- und Zweitstimme sollen abgegeben werden

Dort, wo die Wahl wiederholt werde, solle dies mit den gleichen Wahlzetteln wie bei der ursprünglichen Wahl geschehen, hieß es in der Erklärung weiter. Dies würde bedeuten, dass die Bürger erneut eine Erst- und eine Zweitstimme abgeben könnten. "Wir wollen die Bundestagswahl dort wiederholen, wo tatsächlich Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme aufgrund von festgestellten Wahlfehlern nicht abgeben konnten", erklärten die drei Vertreter der Ampel-Koalition. "Vermutungen über sonstige Wahlfehler in nicht vom Bundeswahlleiter angegriffenen Wahlbezirken rechtfertigen nach unserer Auffassung keine Wahlwiederholung."

Das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung sei mit den Auswirkungen eines konkret festgestellten Wahlfehlers abzuwägen, heißt es in der Erklärung zur Begründung. "Es geht auch um die Rechtssicherheit des Wahlergebnisses vom 26. September 2021. Rund
70 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimme abgegeben. Deren gültiges Votum gilt es ebenfalls zu respektieren."

Vermutungen über sonstige Wahlfehler in nicht vom Bundeswahlleiter angegriffenen Wahlbezirken rechtfertigen nach unserer Auffassung keine Wahlwiederholung.

Erklärung der Ampel-Fraktionen

Unterschiedliche Vorschläge

Die Fraktionen korrigierten damit ihre kürzlich getroffenen Ansagen. Nachdem sie zunächst von einer Wiederholung in 440 Wahlbezirken sprachen, schlugen sie Anfang Oktober vor, nur in rund 300 Wahlbezirken erneut wählen zu lassen - und das auch nur mit der Zweitstimme.

Jedoch auch der jetzige Vorstoß bleibt weit hinter der Forderung des Bundeswahlleiters zurück, die Wahl in sechs der zwölf Berliner Wahlkreise komplett zu wiederholen. Die zwölf Wahlkreise sind in insgesamt 2.256 Wahlbezirke unterteilt.

CDU wirft Ampelfraktionen "Willkür" vor

Der Obmann der Union im Wahlprüfungsausschuss, Patrick Schnieder, warf der Ampel vor, dass es ihr "in erster Linie um parteipolitische Erwägungen geht". Erst habe sich der Ausschuss auf eine Wiederholung in rund 440 Wahlbezirken geeinigt, dann habe die Ampel dies auf rund 300 reduziert, um nun doch wieder fast zur alten Zahl zu kommen. "Hier wird so lange an den juristischen Stellschrauben gedreht, bis das politische gewünschte Ergebnis herauskommt. Das grenzt an Willkür", sagte Schnieder der "Welt".

Auswirkungen der Wahlwiederholung noch unklar

Welche genauen Auswirkungen eine Wahlwiederholung haben wird, ist unklar. "Es gibt da unterschiedlichste Szenarien", sagte die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses, Daniela Ludwig (CSU), am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Es könne passieren, dass danach zum Beispiel weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag sitzen werden. Es könne auch sein, dass ein Abgeordneter aus einem anderen Bundesland wieder aus dem Parlament falle. "Aber das ist reine Spekulation."

Am 26. September 2021 waren in Berlin neben der Bundestagswahl auch das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt worden. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Es gab massive Probleme wie falsche oder fehlende Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen, teils stundenlange Wartezeiten. Mancherorts stimmten Wähler noch weit nach 18 Uhr oder auf eilig kopierten Stimmzetteln ab, weil Nachschub fehlte.

Zwei Wahltermine wahrscheinlich

Wahrscheinlich ist, dass auf die Bürger in Berlin zwei Termine für Wahlwiederholungen zukommen, was mit den unterschiedlichen Abläufen auf Landes- und Bundesebene zusammenhängt. Während in Berlin direkt ein Gericht die Entscheidung fällt, tut das im Bund zunächst die politische Ebene - bevor es dann sehr wahrscheinlich doch noch vor Gericht geht.

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin will am 16. November seine Entscheidung zur Gültigkeit der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sowie den Bezirksverordnetenversammlungen verkünden. Danach hat das Land Berlin 90 Tage Zeit, die Wahlen durchzuführen. Der neue Landeswahlleiter von Berlin, Stephan Bröchler, hat bereits erklärt, dass ein Wahltermin um den 12. Februar denkbar wäre.

Über die mögliche Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin entscheidet dagegen zunächst der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages. Sobald dieser seine Empfehlung abgegeben hat, muss der Bundestag entscheiden. Diese Entscheidung kann vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden - und wird es voraussichtlich auch, denn vonseiten der Opposition wird seit Monaten gefordert, dass eine teilweise Wahlwiederholung auf keinen Fall ausreichen würde. Weil auch das Bundesverfassungsgericht selbst bestimmt, wie lange es für die Verhandlung braucht, ist offen, wann - und gegebenenfalls in welchem Umfang - auch die Bundestagswahl in Berlin wiederholt werden muss.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.10.2022, 18:20 Uhr

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72 Kommentare

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  1. 72.

    Ich finde es krass, dass der für Wahlen zuständige Innensenator Geisel immer noch nicht zurückgetreten ist, nachdem nun mehrere Gremien eklatante Mängel bei Vorbereitung und Durchführung festgestellt haben. Paragraph 1 Landeswahlordnung: Die Wahlen in Berlin stehen unter Aufsicht der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung.

  2. 71.

    Träumt hier irgendwer vom A bschaffungsmodell F ür D eutschland? Richtet Euch lieber drauf ein, dass das Ergebnis von 2021 bestätigt wird, bzw dass GRÜN noch stärker wird.

  3. 70.

    Danke für die Aufklärung.
    Hätte ich ohne Sie nicht gewusst.

  4. 69.

    Haben die denn einen Stempel auf der Stirn oder wie erkenne ich die? Nein, ich habe den Foristen gefragt, der hier in der Kommentarspalte eine völlig absurde Forderung gestellt hat. Und die er übrigens nicht begründet hat...

  5. 68.

    Bitte geben Sie und eine kurze Zusammenfassung der Beschwerden und Ihrer Begehren, Sie scheinen diese zu kennen.

    Eine Begründung der hier fortwährend zu lesenden Gesamtneuwahlforderung von den hier Fordernden wäre abseits davon aber dennoch guter Stil. Zeit zum Nachdenken gab es ja seit der Wahl wirklich genug.

  6. 67.

    Vielleicht verlieren CDU und AfD Direktmandate an SPD oder Grüne und man braucht die FDP in der Koalition nicht mehr. Jeder hat so seinen Traum.

    Derzeit schwer zu beurteilen, da ich noch nicht weiß, in welchen Bezirken welcher Wahlkreise bei gewählt werden soll.

  7. 66.

    Bisher wenig beachtet finde ich: Wenn auch die Bundestagswahl in Berlin vollständig wiederholt werden würde, könnte die Linke bei Verlust eines ihrer jetzigen Direktmandate und ohne ein neues hinzuzugewinnen aus dem Bundestag fliegen. Bei der akutellen Situation kein völlig unwahrscheinliches Szenario.

  8. 65.

    Es ist eine Schande, dass man so lange braucht, um offensichtliche Fehler festzustellen, zu bewerten und die Konsequenzen zu ziehen.
    Da kann jeder Diktator daran lernen, wie man gefälscht Wahlen lange genug aufrecht erhält. Z.B. Erdogans Freunde wohnen ja schon vor Ort und können es aus nächster Nähe betrachten.

  9. 64.

    431 Wahlbezirke?
    Sind das die, in denen es zu über 271.000 Unregelmäßigkeiten kam?
    Es ist schon peinlich, wenn es in einem Land passiert, das sich als Schulmeister der Welt installiert und in jeder Diktatur der Welt von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug fabuliert?
    Vielleicht aber hilft es, endlich die viermal gewendete SED die Direktmandate zu nehmen und den Postkommunisten die Tür zu zeigen.

  10. 63.

    Antwort an „Ansgar“ (Nr. 61):

    Fragen Sie bitte die Wahlberechtigten, die beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde erhoben haben, weil sie glauben, in ihrem demokratischen Wahlrecht verletzt worden zu sein.

  11. 62.

    "an dem die per Briefwahl abgegebenen Stimmen gezahlt werden."
    Wieviel gibt es denn pro Stimme? Vielleicht gebe ich dann auch meine ab.

  12. 61.

    Kein Bock auf Sachebene, wa? Wieso sollte denn bitte die Bundestagswahl wiederholt werden?!?

  13. 60.

    An „Mario“ (Nr. 52) und an „wie?was?“ (Nr. 53):

    Nichts steht fest, „bevor es eine gerichtliche Entscheidung gibt“. Letztendlich kann das Bundesverfassungsgericht - nach der Entscheidung des Deutschen Bundestages über eine Wiederholung der Bundestagswahl 2021 - aufgrund einer dann möglichen und sehr wahrscheinlichen Verfassungsbeschwerde beim BVerfG entscheiden, ob der Beschwerdeführer „begründet“ oder unbegründet“ geltend gemacht hat, in seinem demokratischen Wahlrecht verletzt worden zu sein (§ 90 Abs. 1 BVerfGG).

  14. 59.

    Wenn ich das richtig ermittelt habe, gibt es in Berlin 3764 Wahlbezirke. In 431 Bezirken also in 11,5% soll neu gewählt werden. Was ist denn das für ein Unfug? Natürlich ist das in diesen Bezirken keine Wahlwiederholung, sondern es ist eine Neuwahl mit anderem Wissen und anderen Voraussetzungen. Das ist ungerecht denen gegenüber, die jetzt nicht erneut wählen dürfen. Es ist ungerecht denen gegenüber, die jetzt im Amt sind und unpopuläre Entscheidungen getroffen haben, wie man das zu Beginn einer Amtszeit halt machen muss. So funktioniert Demokratie.

    In den betroffenen Wahllokalen haben ja dennoch die meisten Menschen ihre Stimmen korrekt abgegeben. Die Frage ist meines Erachtens viel mehr, ob die wenigen, die bedauerlicherweise nicht oder erst nach 18:00h wählen konnten, sehr viel anders gewählt hätten. Wenn das nicht der Fall ist, dann Schluss jetzt mit dem Nachkarten. Es kann nur eine neue Blamage folgen.

  15. 57.

    "Neuwahlen, sofort für die gesamte Republik." Na klar und dann so lange wählen wie es einer Minderheit passt?

  16. 56.

    … Weil - unter Berücksichtigung der bisherigen Wahlergebnisse - nur in diesen Wahllokalen Ergebnisse zu erwarten sind, die eine andere Sitzverteilung im Parlament bewirken könnten.

  17. 55.

    Verstehen Sie nicht oder streuen Sie vorsätzlich Gerüchte?

    Es handelt sich hier um eine Empfehlung, wie es auch im Artikel steht, an den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages.
    "Sobald dieser seine Empfehlung abgegeben hat, muss der Bundestag entscheiden". Das kann dann gerichtlich angefochten werden.

    Ein Gericht ist hier also noch nicht involviert.

    Anders bei der Landeswahl Berlin.

  18. 54.

    "Neuwahlen, sofort für die gesamte Republik." Na klar und dann so lange wählen wie es einer Minderheit passt?

  19. 53.

    Welches Gericht???
    Über die Wahlwiederholung der Bundestagswahl in Berlin wird durch Abstimmung im Bundestag entschieden.

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