Vorschlag der Ampel-Fraktionen - Bundestagswahl soll in 431 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden
Dass der Wahlprüfungsausschuss eine teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin empfehlen wird, gilt schon länger als sicher. Nun einigten sich die Ampel-Vertreter darauf, in wie vielen Wahlbezirken das passieren soll.
Die Bundestagswahl vom September vergangenen Jahres soll nach dem Willen der Ampel-Fraktionen wegen zahlreicher Pannen in Berlin in 431 Wahlbezirken wiederholt werden.
Eine entsprechende Empfehlung solle der Wahlprüfungsausschuss des Parlaments an den Bundestag aussprechen, heißt es in einer Erklärung der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer Katja Mast (SPD), Irene Mihalic (Grüne) und Johannes Vogel (FDP) vom Mittwoch. Da die Ampel-Koalition in dem Ausschuss die Mehrheit stellt, ist davon auszugehen, dass der Vorschlag von dem Gremium beschlossen wird. Ursprünglich war die Entscheidung des Ausschusses für Donnerstag angekündigt. Wegen der Notwenigkeit rechtlicher Prüfungen wurde sie nun aber doch noch verschoben.
Laut dem SPD-Abgeordneten Johannes Fechner, der auch Mitglied im Wahlprüfungsausschuss ist, soll sich das Gremium nun am 7. November zu einer Sondersitzung treffen und eine Empfehlung an den Bundestag beschließen. Der solle darüber dann am 11. November entscheiden.
Erst- und Zweitstimme sollen abgegeben werden
Dort, wo die Wahl wiederholt werde, solle dies mit den gleichen Wahlzetteln wie bei der ursprünglichen Wahl geschehen, hieß es in der Erklärung weiter. Dies würde bedeuten, dass die Bürger erneut eine Erst- und eine Zweitstimme abgeben könnten. "Wir wollen die Bundestagswahl dort wiederholen, wo tatsächlich Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme aufgrund von festgestellten Wahlfehlern nicht abgeben konnten", erklärten die drei Vertreter der Ampel-Koalition. "Vermutungen über sonstige Wahlfehler in nicht vom Bundeswahlleiter angegriffenen Wahlbezirken rechtfertigen nach unserer Auffassung keine Wahlwiederholung."
Das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung sei mit den Auswirkungen eines konkret festgestellten Wahlfehlers abzuwägen, heißt es in der Erklärung zur Begründung. "Es geht auch um die Rechtssicherheit des Wahlergebnisses vom 26. September 2021. Rund
70 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimme abgegeben. Deren gültiges Votum gilt es ebenfalls zu respektieren."
Unterschiedliche Vorschläge
Die Fraktionen korrigierten damit ihre kürzlich getroffenen Ansagen. Nachdem sie zunächst von einer Wiederholung in 440 Wahlbezirken sprachen, schlugen sie Anfang Oktober vor, nur in rund 300 Wahlbezirken erneut wählen zu lassen - und das auch nur mit der Zweitstimme.
Jedoch auch der jetzige Vorstoß bleibt weit hinter der Forderung des Bundeswahlleiters zurück, die Wahl in sechs der zwölf Berliner Wahlkreise komplett zu wiederholen. Die zwölf Wahlkreise sind in insgesamt 2.256 Wahlbezirke unterteilt.
CDU wirft Ampelfraktionen "Willkür" vor
Der Obmann der Union im Wahlprüfungsausschuss, Patrick Schnieder, warf der Ampel vor, dass es ihr "in erster Linie um parteipolitische Erwägungen geht". Erst habe sich der Ausschuss auf eine Wiederholung in rund 440 Wahlbezirken geeinigt, dann habe die Ampel dies auf rund 300 reduziert, um nun doch wieder fast zur alten Zahl zu kommen. "Hier wird so lange an den juristischen Stellschrauben gedreht, bis das politische gewünschte Ergebnis herauskommt. Das grenzt an Willkür", sagte Schnieder der "Welt".
Auswirkungen der Wahlwiederholung noch unklar
Welche genauen Auswirkungen eine Wahlwiederholung haben wird, ist unklar. "Es gibt da unterschiedlichste Szenarien", sagte die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses, Daniela Ludwig (CSU), am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Es könne passieren, dass danach zum Beispiel weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag sitzen werden. Es könne auch sein, dass ein Abgeordneter aus einem anderen Bundesland wieder aus dem Parlament falle. "Aber das ist reine Spekulation."
Am 26. September 2021 waren in Berlin neben der Bundestagswahl auch das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt worden. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Es gab massive Probleme wie falsche oder fehlende Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen, teils stundenlange Wartezeiten. Mancherorts stimmten Wähler noch weit nach 18 Uhr oder auf eilig kopierten Stimmzetteln ab, weil Nachschub fehlte.
Zwei Wahltermine wahrscheinlich
Wahrscheinlich ist, dass auf die Bürger in Berlin zwei Termine für Wahlwiederholungen zukommen, was mit den unterschiedlichen Abläufen auf Landes- und Bundesebene zusammenhängt. Während in Berlin direkt ein Gericht die Entscheidung fällt, tut das im Bund zunächst die politische Ebene - bevor es dann sehr wahrscheinlich doch noch vor Gericht geht.
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin will am 16. November seine Entscheidung zur Gültigkeit der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sowie den Bezirksverordnetenversammlungen verkünden. Danach hat das Land Berlin 90 Tage Zeit, die Wahlen durchzuführen. Der neue Landeswahlleiter von Berlin, Stephan Bröchler, hat bereits erklärt, dass ein Wahltermin um den 12. Februar denkbar wäre.
Über die mögliche Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin entscheidet dagegen zunächst der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages. Sobald dieser seine Empfehlung abgegeben hat, muss der Bundestag entscheiden. Diese Entscheidung kann vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden - und wird es voraussichtlich auch, denn vonseiten der Opposition wird seit Monaten gefordert, dass eine teilweise Wahlwiederholung auf keinen Fall ausreichen würde. Weil auch das Bundesverfassungsgericht selbst bestimmt, wie lange es für die Verhandlung braucht, ist offen, wann - und gegebenenfalls in welchem Umfang - auch die Bundestagswahl in Berlin wiederholt werden muss.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.10.2022, 18:20 Uhr
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