Technische Universität Berlin - Studie attestiert Berliner Polizei Defizite beim Thema Rassismus

Eine Studie der Technischen Universität legt der Berliner Polizei nahe, sich noch intensiver mit dem Thema Rassismus zu beschäftigen. Dabei geht es etwa um die Ausbildung des Nachwuchses oder den Einsatz von Bodycams für mehr Transparenz.
Um Diskriminierungen zu vermeiden, benötigt die Berliner Polizei einer aktuellen Studie nach mehr Offenheit und Sensibilität für das Thema Rassismus. Für eine "demokratische" und "rassismuskritische" Polizei brauche es fortlaufend die Bereitschaft der Beamten - insbesondere derer mit Verantwortung - sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, schreiben die Autoren der Technischen Universität (TU) Berlin in der "diskriminierungskritischen" Untersuchung der Polizei [berlin.de], die am Freitag veröffentlicht wurde.
Autoren fordern bessere Aus- und Fortbildung
Als Fazit forderten die Autoren insbesondere eine Verbesserung der Aus- und Fortbildung. Es sollten unter anderem Coaches eingeführt werden und Diskriminierung in der Ausbildung stärker thematisiert werden. Zudem müssten Strukturen geschaffen werden, die Hinweise oder Kritik ermöglichten, ohne dass dies sofort Konsequenzen nach sich zieht.
Bei Kontrollen und Einsätzen sollten Polizisten sich über ihre Rolle als "mächtige Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols" bewusst sein und die Erfahrungen der anderen Seite mitdenken, empfehlen die Autoren. Sie sehen zudem im Einsatz von Bodycams oder dem Aushändigen von "Kontroll-Quittungen" als Möglichkeit für Transparenz der Polizeiarbeit.
Die Polizei will nun prüfen, ob und wie die Empfehlungen der Studie umgesetzt werden können. Polizeisprecherin Beate Ostertag sagte dem rbb, man werde die Studie jetzt intensiv lesen und Handlungsempfehlungen gegebenenfalls gemeinsam mit der Innenverwaltung umsetzen. Maßnahmen wie Kommunikationstraining, Supervision oder Intervision fänden aber bereits statt. Man schaue jetzt gemeinsam, auch mit Kommunikationsexperten, wie man Dinge weiter optimieren könne, so Ostertag. Ziel sei es, bei allem immer noch besser zu werden.
TU-Bericht mit insgesamt 140 Seiten
In Auftrag gegeben wurde die Studie 2021 vom damaligen Innensenator Andreas Geisel (SPD). Daneben beteiligt sich das Land Berlin auch an einer Studie des Bundes zu Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizisten, die das Bundesinnenministerium bei der Deutschen Hochschule der Polizei in Auftrag gegeben hat.
Für die Berliner Studie haben die Wissenschaftler nach eigenen Angaben 17 Verbände und Initiativen, die sich mit Rassismus gegen Schwarze, Muslime, Roma, Juden und Asiaten befassen befragt. Außerdem wurde die Alltagsarbeit der Polizisten mit Stress und aggressiven Personen begleitet und beobachtet. In dem 140-seitigen Bericht der TU heißt es zu den Bemühungen von Politik und Polizei: "Die Berliner Polizei arbeitet an vielen Stellen bereits intensiv zum und am Thema.
Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Berliner Polizei, sagte im Hinblick auf die Studie am Freitag, er erwarte, "dass sich Politik und Polizeiführung diese ganz genau anschauen". Denn die Studie thematisiere eine Reihe von Maßnahmen, die notwendig seien, "um Polizeiarbeit in Berlin noch besser zu machen und das Wissen über die rechtsstaatlichen Aufgaben und Pflichten von Polizei in der Bevölkerung zu verbessern." Auf den ersten Blick sei jedoch schon deutlich geworden, dass eher bei den Rahmenbedingungen und der politischen Bildung in der Gesellschaft "als bei der tagtäglichen Polizeiarbeit in dieser Stadt Optimierungsbedarf" bestehe.
Betroffene schildern ihre Wahrnehmung
Doch belegt die Studie auch, dass weiterhin Menschen mit ausländischen Wurzeln im Alltag Diskriminierungen durch Polizisten erleben, etwa durch "immer wiederkehrende Unterstellungen und Abwertungen". Die Zahlen zu rassistischen Vorfällen seien nie vollständig, dieses Problem hätten auch die Verbände, heißt es weiter. "Es bleibt nach Einschätzung der Verbände dennoch schwierig, Aussagen darüber zu treffen, ob rassistische Diskriminierungen in den letzten Jahren zu- oder abgenommen haben und wie weit verbreitet das Phänomen ist."
Aufgelistet werden die Wahrnehmungen von Menschen mit ausländischen Wurzeln: Oft gebe es Konflikte bei Verkehrs- und Ausweiskontrollen durch die Polizei, ebenso bei Demonstrationen und Drogenrazzien. Nach ihren Schilderungen würden die Betroffenen von der Polizei "weitaus häufiger als weiße Menschen im öffentlichen Raum kontrolliert". Auch Ordnungswidrigkeiten würden strikter geahndet. Insbesondere schwarze oder arabische männliche Jugendliche würden ihrer Wahrnehmung nach häufiger kontrolliert als ihre weißen Freunde. Vor allem, wenn sie in einer Gruppe aufträten, heißt es in der Studie unter Berufung auf die Verbände. Migranten empfänden zudem, dass sie von Polizisten als weniger glaubwürdig eingestuft würden. Oft würden ihre Aussagen als Zeugen nicht aufgenommen.
Polizei trifft auf vielfältige und unklare Situationen
Über die Polizisten schrieben die Autoren, dass diese mit "vielfältigen Situationen, unterschiedlichen Menschen und zahlreichen Konfliktlagen umgehen, auf die sie sich meist nur kurzfristig einstellen können und deren Gefahrenlage häufig unklar ist". Häufig hätten sie zunächst wenig Informationen über die Lage am Einsatzort und aufgeregte Zeugen und Betroffene, was zu "Missverständnissen, Fehlannahmen, Irritationen" führe. Daher sei es für die Beamten eine Herausforderung, jede Situation immer neu zu bewerten.
Die Polizei wird in der Studie differenziert beschrieben. Auch die Verbände gäben zu, "dass man nicht von "Der" Polizei oder "Den" Polizisten sprechen könne, auch wenn dies immer wieder erfolgte". Bei Einsätzen seien die Beamten nicht selten Gewalt und Aggression ausgesetzt. Zunehmend gebe es Polizisten mit Migrationshintergrund, die teils auch selbst Rassismus erlebten.
Zwar werde bereits viel untereinander gesprochen, aber es sei noch Luft nach oben, auch wenn es keine konkrete Zahlen gebe, sagte Studienleiterin Christiane Howe dem rbb.
Sendung: Fritz, 07.10.2022, 14:30 Uhr
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