Stufe 2 des Notfallplans ausgerufen - Berlin will Geflüchtete verstärkt in Zelten unterbringen

Di 08.11.22 | 11:49 Uhr
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Symbolbild:Ein Geflüchteter steht vor einem Schild mit der Aufschrift "Asyl Neu".(Quelle:dpa/M.Kappeler)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.11.2022 | Angela Ulrich | Bild: dpa/M.Kappeler

Wegen steigender Flüchtlingszahlen plant die Berliner Sozialsenatorin Kipping die Errichtung einer Zeltstadt für Geflüchtete. Es gebe kaum noch Kapazitäten, erklärte sie am Dienstag. Auch Terminals am früheren Flughafen Tegel will Kipping länger für die Unterbringung nutzen.

Sozialsenatorin Katja Kipping (Die Linke) hat die zweite Stufe ihres Notfallplans ausgerufen. Das hat ihr Sprecher dem rbb bestätigt. Dadurch soll es möglich sein, die Verfahren bei der Akquise neuer Unterkünfte zu beschleunigen. Hintergrund sei, dass den Angaben zufolge immer mehr Geflüchtete in die Hauptstadt ankommen und in Aufnahme- und Gemeinschaftseinrichtungen kaum noch freie Plätze vorhanden sind.

Kipping warnte am Dienstag vor einer sich zuspitzenden Lage für Geflüchtete in Berlin. Es würden dringend weitere Unterkünfte in Berlin benötigt, sonst bestehe die Gefahr, dass ankommende Asylbewerber und Ukraine-Geflüchtete obdachlos blieben.

Laut eines Papiers der Sozialverwaltung für die Senatssitzung am Dienstag, das dem rbb vorliegt, plant Kipping die Errichtung einer Zeltstadt für Geflüchtete. Später sollen Leichtbauhallen dazukommen. Der "Tagesspiegel" hatte zuerst berichtet.

Unterbringung für Geflüchtete knapp

Die Unterbringung werde "zunehmend komplizierter", erläuterte Kippings Sprecher. Man sei aber angesichts der großen Zahl an ankommenden Hilfsbedürftigen auf großflächige Unterkünfte angewiesen, die "mehrere hundert oder am besten mehrere tausend Leute" beherbergen könnten.

Als Standorte kämen beispielsweise das Tempelhofer Feld, der Olympiapark, das Messegelände sowie Freiflächen auf dem früheren Flughafen Tegel infrage. Dafür müssten jedoch auch andere Senatsressorts zustimmen. Kipping plant außerdem schon länger, die Terminal A und B in Tegel weiter zur Flüchtlingsaufnahme zu nutzen. Nach bisherigen Plänen sollen diese zum Jahresende geräumt werden, weil eine Hochschule dort einziehen will. Zusätzlich solle der Bund weitere Flächen und Gebäude zur Verfügung stellen, fordert die Sozialverwaltung.

Der Sprecher der Integrationsverwaltung betonte, Kipping mache die Vorschläge in einem "internen Arbeitspapier" zur aktuellen Situation, das die Senatorin am Dienstag zunächst im Senat habe besprechen wollen.

Nur rund 150 freie Plätze

Bereits im Sommer hatte Kipping wegen der Flüchtlingslage Stufe eins des Notfallplanes in Kraft gesetzt. In dem Zusammenhang wurde auf dem früheren Flughafengelände in Tegel eine Zelt-Notunterkunft als Reserve eingerichtet.

Aktuell stehen dem Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten laut Sozialverwaltung insgesamt 27.850 Plätze zur Verfügung. Davon sind in regulären Unterkünften derzeit 156 Plätze frei. Dem steht aber ein Unterbringungsbedarf für rund 2.700 Geflüchtete gegenüber.

Um den Bedarf zu decken, betreibt die Senatsverwaltung seit der zweiten Oktoberhälfte die Akquise temporärer großflächiger Unterkünfte.

Mehr Asylsuchende kommen nach Berlin

Die Lage ist deshalb sehr angespannt, weil einerseits die Zahl der Asylbewerber im Jahresverlauf immer mehr zugenommen hat. Hinzu kommen Zehntausende ukrainische Kriegsflüchtlinge in der Stadt und die Befürchtung, dass deren Zahl infolge des russischen Angriffskrieges gerade im Winter wieder stärker zunimmt als zuletzt. Diese Menschen haben einen anderen Status als Asylbewerber, viele kamen zunächst privat unter. Nun brauchen aber viele auch eine andere Unterkunft, weil ihre Gastgeber ihr Angebot nicht länger aufrechterhalten können oder wollen.

Viele Asylsuchende aus Syrien und Georgien

Nach Angaben des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) stellten in den ersten neun Monaten 9.036 Menschen Asylanträge in Berlin. Hinzu kamen 816 Flüchtlinge, die über Sonderaufnahmeprogramme in die Stadt kamen. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr listet das LAF 7.762 neue Asylbewerber auf, allerdings auf Basis einer Datengrundlage, die sich 2022 etwas verändert hat.

Im September sind knapp 2.300 Asylbewerber in Berlin angekommen. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort auf die Anfrage der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus [pardok-parlament-berlin.de] hervor. Davon blieben 1.828 Asylsuchende in der Hauptstadt. Im Oktober hat sich der Zuzug noch weiter verstärkt. Etwa 100 Asylbewerber pro Tag seien im Oktober angekommen, hieß es vom Senat. Anfang November sprach Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) dann bereits von täglich 150 Asylbewerbern und 150 Ukrainern - das entspreche dem Niveau von 2015. Giffey erwartet, dass die Zahlen im Winter weiter steigen.

Folge sind längere Wartezeiten schon bei der Registrierung, wie aus der Antwort des Senats auf eine AfD-Anfrage hervorgeht. Hauptherkunftsländer der Asylbewerber waren zuletzt Syrien, Georgien, die Türkei, Afghanistan und Moldau.

Sendung: rbb24 Inforadio, 8.11.2022, 11 Uhr

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29 Kommentare

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  1. 29.

    " Was ist denn mit den deutschen Obdachlosen? " Es ist immer wieder "interessant" wie Rechtsextreme plötzlich "unsere" Obdachlosen vorschieben wenn es in Wirklichkeit um Fremdenfeindlichkeit und gegen Flüchtlinge geht.

  2. 28.

    Wenn es den potentiellen Bewohnern zu kalt wird, Diesen dann auch andere Zuwendungen zu gering erscheinen die Deutschland ihnen bewilligt, dann werden sich Diese schon fordernt melden.
    Dankbarkeit ist da schon eher seltener zu bemerken wenn Langeweile den Tag bestimmen.
    Und wenn sich die Nationalitäten (und Mentalitäten) da auch noch untereinander nicht gerade sympathisch sind, wird die Hilfsbereitschaft unseres Sozialstaates arg strapaziert.
    Letztlich lediglich meine Meinung.

  3. 27.

    Auch das beste Rettungsboot sinkt bei Überladung und reißt die Retter mit in die Tiefe.

  4. 26.

    Mal ganz abgesehen von humanitären Gründen, die die meisten hier sowieso nicht verstehen, wie ich lese, wurde doch vor wenigen Wochen lang und breit darüber berichtet, dass die Boomergeneration in Kürze in Rente geht und viele Lücken im Arbeitsmarkt hinterlassen. Dann trifft es sich doch gut, wenn man das Gute mit dem Nützlichen verbinden kann. Ich freue mich für jeden, der es schafft, seine und unsere Probleme zu lösen. Xenophobie ist keine Lösung, sie ist das Problem.

  5. 25.

    Open the borders!

  6. 23.

    Die Flüchtlingshasser versteht keiner mehr, die kruden Ideen von Seiten der afd & npd & republikaner auch nicht. Kommt Ihr mal alle in die Situation wo Ihr fliehen müsst und werdet dann überall mit "geht nicht" abgewiesen. Die rücksichtslos-nur-ich Tour bringt es nun mal überhaupt nicht.

  7. 22.

    Ihnen dürfte bekannt sein, dass in Syrien russische Bomben abgeworfen wurden, dass 1979 die UDSSR nach Afghanistan einmarschiert ist um dort 10 Jahre lang Krieg zu führen, ein Chaos verursachte und dann abgezog, Da waren nur zwei Beispiele einer langen "Latte"..
    Wenn man passend macht, was nicht in den ideologischen "Kram" passt, kommt nur ............... raus.

  8. 21.

    Hätte man in der Vergangenheit die Eigentümer nicht wirtschaftlich drangsaliert hätte man jetzt genug Platz für Geflüchtete in warmen Behausungen. Leider gibt es gerade in Berlin viele die mit ihrem Egoismus diese Situation hervorrufen. Jetzt kann man sehen was Geiz ist Geil für die Unterbringung von Flüchtlingen bedeutet. Die dürfen nachdem sie mit ihrem Leben davon gekommen sind nun in Zelten schlafen...

  9. 20.

    "...und verkennt, wie viele Geflüchtete aus 15/16 mittlerweile eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben und arbeiten..."
    Wie viele sind es denn? Ich finde es in jedem Fall bemerkenswert, dass sich - trotz über 1,5 Millionen Migranten seit 2015 - der Arbeitskräftemangel dramatisch verschärft hat. Gastronomie, Einzelhandel, Industrie, Gesundheitswesen, Verwaltung - überall fehlt Personal. Es finden sich nicht einmal Leute, die Regale einräumen. Trotz 6 Millionen Arbeitslosen! Sehen wir der Tatsache ins Auge. Es lässt sich hier ohne Arbeit sehr gut leben. 20-jährige ohne Schulabschluss, die nicht arbeiten werden, wollen und müssen, bekommen nicht weniger Geld als eine durchschnittliche, hart arbeitende Altenpflegerin.

  10. 19.

    Warum greift man hier nicht auf Modulbauweise zurück, sondern plant Zelte? ...im Winter... Na, ja für Berlin reichts.

  11. 17.

    Mal ganz abgesehen von der Infrastruktur zur Unterbringung und Versorgung der Menschen, die hier neu ankommen, müssen die ja auch versorgt und betreut werden. Woher aber kommt das Personal für die Migrationssozialarbeit? Dazu lese und höre ich leider nichts.

  12. 16.

    Ein Zeltlager für Geflüchtete in Berlin, weil die Kapazitäten nicht mehr ausreichen? geht´s noch? Wie wäre es denn mit einer Verteilung auf das GESAMTE Bundesgebiet? Das Leben ist kein Wunschkonzert. Wichtig sollte für Geflüchtete nur sein, überhaupt eine Unterkunft und Versorgung zu haben - egal in welchem Bundesland!

  13. 15.

    Ihre Worte sind wirklich toll, einfach großartig. Auch das Sie die Ursachen angesprochen haben. Trotzdem bleiben die Probleme und da kann ich bei Ihnen keine Lösung außer ein "immer herzlich willkommen, wir haben Platz" heraus lesen.

  14. 14.

    Eine Zeltstadt. Wie werden die Zelte beheizt? Müssen wir nicht Gas sparen?

  15. 13.

    Die AfD kommt immer mit derselben Leier und verkennt, wie viele Geflüchtete aus 15/16 mittlerweile eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben und arbeiten - wir brauchen diese Menschen. Dass Berlin mit dem Wohnungsbau nicht vorankommt ist nicht die Schuld von Geflüchteten (die gar nicht wähken dürfen), sondern ein hausgemachtes Problem einer wenig handlungsfähigen Verwaltung.

  16. 12.

    "Die meisten Asylbewerber im September kamen aus Syrien (355), es folgten Georgien (239), Türkei (223), Afghanis(193) und Moldau (135)." Wieviele davon sind asylberechtigt? Mit der Ablehnung des Asylantrags erlässt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Abschiebungsandrohung nach § 34 Asylgesetz (AsylG) i. V. mit § 59 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Dies entspricht der Rückkehrentscheidung im europarechtlichen Sinne. Mit der
    Abschiebungsandrohung wird dem Ausländer eine Frist von sieben bis 30 Tagen für die freiwillige Ausreise gesetzt.

  17. 11.

    Ich kann mich nur Nr. 1 bis Nr. 3 anschliessen. Es reicht langsam. Wir haben Armut und Obdachlosigkeit im eigenden Land.
    Mir unverständlich warum Berlin und Brandenburg immer mehr Flüchtlinge aufnimmt die meisst nur Sozialleistungen haben wollen.
    Solche Zeltstadt ist doch nicht die Lösung und nun kommen auch die Flüchtlinge von den Schiffen die in Catania liegen zu uns. Das kann doch nicht so weitergehen und hat weder was mit Humanität noch Menschlichkeit zu tun.
    Eiskaltes Kalkül von Schlepperbanden.

  18. 10.

    Wir können nicht die ganze Welt retten. Es kommen viele Flüchtlinge, die von unserem Sozialsystem angezogen werden. Kriegsflüchtlinge brauchen Schutz und dieser muss auch geleistet werden aber wir müssen auch an unsere Bevölkerung denken. Wir haben genug Probleme und schaffen es nicht diese zu lösen! Wieviel Menschen wollen wir denn noch aufnehmen. Warum findet keine Verteilung in den EU Staaten statt? Warum werden Menschen, die kein Aufenthaltsrecht haben nicht ausgewiesen????

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