Linken-Politiker veranstalten konkurrierende Ostermärsche - Zerstrittene Friedensfreunde in Brandenburg

Sa 08.04.23 | 07:17 Uhr | Von Lisa Steger
  88
Ein Plakat der Partei die Linke fordert das Ende der Waffenlieferungen bei der Demonstration "Aufstand für den Frieden" am 25. Febraur 2023 in Berlin.
Audio: rbb24 Inforadio | 08.04.2023 | Lisa Steger | Bild: IMAGO/IPON

Alle sind sie für den Frieden - aber auf eine gemeinsame Kundgebung einigen können sich Linke im Land Brandenburg nicht. Die Ostermärsche veranschaulichen, wie uneins die Partei beim Thema Russland und Ukraine ist. Von Lisa Steger

Wer am Karsamstag im Land Brandenburg mit Linken-Politikern für den Frieden demonstrieren will, hat die Wahl: In Brandenburg an der Havel gehen ab 10 Uhr die Anhänger des "Bündnisses für den Frieden" auf die Straße. Redner ist der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, der als Vertrauter Sahra Wagenknechts gilt.

Der Linken-Kreisvorstand Potsdam-Mittelmark ruft nicht zu dieser Demo auf. Stattdessen will er zusammen mit dem Linken-Landesvorstand für einen anderen Ostermarsch mobilisieren: Der beginnt um 14 Uhr am Brandenburger Tor in Potsdam. Hauptredner ist Sebastian Walter, Fraktions- und Landeschef der Brandenburger Linken.

Man könnte auch nacheinander an beiden Demonstrationen teilnehmen. Doch das werden vermutlich wenige tun – denn die Organisatoren sind zerstritten. Es geht um den Krieg in der Ukraine.

Fragwürdige Freunde

"Für Frieden und weltweite Abrüstung" lautet das Motto der Bündnis-Demonstration in Brandenburg an der Havel. Die Gruppierung ist aus der von Sahra Wagenknecht angeführten Sammlungsbewegung "Aufstehen" entstanden, sagt Bündnis-Sprecher Dominik Mikhalkevich, 24 Jahre alt, Politik- und Wirtschaftsstudent sowie Mitarbeiter Andrej Hunkos.

"Wir sind gegen einen russischen Diktatfrieden, wir sind für einen Verhandlungsfrieden", sagt Mikhalkevich im rbb-Interview, stellt aber fest: "Es wird auf schmerzhafte Kompromisse hinauslaufen für beide Seiten", also auch für die Ukraine. Genauer führt er das nicht aus.

"Die Alternative ist aber ein jahrelanger Krieg mit einer möglichen atomaren Eskalation", ist der Student überzeugt. Das Bündnis fordere: "Erstmal Waffenstillstand, dann sollen sich alle an einen Tisch setzen."

Existenzangst als Motiv

Im Herbst rief die Gruppe mehrfach zu Demonstrationen auf, die sich gegen den Krieg wandten, aber auch gegen Inflation und soziale Härten. Rund tausend Menschen kamen etwa zu einer Kundgebung im Oktober. Der rbb berichtete. Viele Demonstranten äußerten ihre Angst, Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können, ihre Arbeit zu verlieren.

"Die Regierung ist gefordert, einen für alle Bevölkerungsschichten bezahlbaren Lebensstandard wiederherzustellen", so Demo-Anmelder Bernd Lachmann, langjähriges Mitglied im Kreisvorstand Potsdam-Mittelmark – unter anderem saß er für die Partei im Kreistag. Er forderte in seiner Rede im Oktober unter anderem einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine.

Vor allem bei der ersten Demo im September liefen auch einige Rechtsextreme mit, räumt Bündnis-Sprecher Mikhalkevich ein. "Sie waren eine klare Minderheit", sagt der Student, "wir haben nachgefragt, wie es rechtlich ist, und wir können diese Leute nicht ausschließen, man kann nichts machen." Bei der Demonstration am Karsamstag seien aber National- und Parteifahnen sind nicht erwünscht.

Linke könnte sich spalten

Demo-Redner Andrej Hunko, dem Mikhalkevich im Bundestag zuarbeitet, ist auch in der Linken umstritten. Der Bundestagsabgeordnete aus Aachen hielt dort im Mai und Juni 2020 zwei Reden auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, zog sich dabei den Unmut der Parteispitze zu.

Im Februar 2022 unterzeichnete Hunko gemeinsam mit sechs anderen Linken-Politikern, unter ihnen Sahra Wagenknecht, eine Resolution, die den USA eine "maßgebliche Mitverantwortung" für den Krieg in der Ukraine zuweist. Die Verfasser verurteilten zwar den Angriff Russlands auf die Ukraine als völkerrechtswidrig, erwähnen die Opfer aber mit keinem Wort, was ihnen auch Gregor Gysi, ehemaliger Chef der Linken-Bundestagsfraktion, vorhielt.

Hunko ist innerhalb der Linken dem Sahra Wagenknecht-Lager zuzurechnen. Die Bundestagsabgeordnete will bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr für die Linke antreten, liebäugelt sogar damit, eine eigene Partei zu gründen. "Ich hoffe, dass die Spaltung verhindert werden kann", erklärt Mikhalkevich dazu. "Aber Deutschland braucht eine Friedenspartei und wenn die Linke diese Rolle nicht mehr spielen kann, muss es eine neue Partei geben", ist der 24-Jährige sicher.

Zwei linke Parteien – das allerdings könnte bedeuten, dass es keine von ihnen in den Bundestag schafft. In diesem Fall hätte eine "Liste Wagenknecht" sogar bessere Chancen als die Linke, zeigt sich der Student überzeugt.

Landesverband gibt sich gelassen

Sebastian Walter, Chef der Linken-Fraktion und des Landesverbandes, sieht keine Gefahr einer Spaltung. "Die Friedensdebatte läuft zurzeit in allen Parteien", sagt er im rbb-Interview. "Wir sind und bleiben die Friedenspartei in Deutschland."

Auch eine mögliche Parteigründung durch Wagenknecht werde für die Linke nicht gefährlich sein, glaubt er. "Sie kann alles tun. Aber wer offen über eine Parteigründung spricht, muss sich auch entscheiden", so Walter. "Sie sollte sich nicht auf Kosten ihrer Partei engagieren."

Was die Forderungen angeht, so liegen beide Gruppen – der Linken-Landesverband und das Bündnis – auseinander. In dem Aufruf zum Ostermarsch in Potsdam ist, anders als beim Bündnis, nicht von Kompromissen seitens der Ukraine die Rede. Die Demo-Veranstalter in Potsdam fordern Russland auf, alle Truppen aus der Ukraine abzuziehen und sprechen sich auch für Russland-Sanktionen aus, sofern sie "zielgenau" den "militärisch-industriellen Komplex Russlands und die Vermögen der russischen Oligarchie" treffen.

Und: Auch der Brandenburger Landesverband der Linken ist für Verhandlungen, und zwar "unter Hinzuziehung der EU, Indiens, Chinas und Brasiliens", wie es heißt. Walter hält das auch für realistisch. "Es sollte nicht jeder, der über Frieden spricht, in die Putinversteher-Ecke geschoben oder als Lumpenpazifist bezeichnet werden", so der Fraktionschef.

Ungewisse Perspektiven

Klar scheint jedoch: Eine Spaltung könnte die Linke vor allem in Brandenburg existentiell gefährden. Bei der letzten Landtagswahl erhielt die Partei nur noch 10,7 Prozent, ein Minus von 7,9 Punkten.

Viel hat sich seither nicht geändert für die Linke in Brandenburg: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "INSA" für den "Nordkurier" gaben zwischen dem 27. März und dem 4. April zehn Prozent der Befragten an, sie wählen zu wollen.

Nach einer Spaltung könnte die Fünfprozenthürde gefährlich naherücken. Wie viele Brandenburger Linken-Anhänger eine mögliche neue Wagenknecht-Partei wählen würden, dazu gibt es bisher keine Erkenntnisse.

Die Kommentarfunktion wurde am 09.04.2023 um 21:02 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Lisa Steger

88 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 88.

    Kein EU - Land fordert eine Führungsrolle Deutschlands., hält hierzulande doch nicht jeden ab, dies trotzdem zu fordert.

  2. 87.

    Westen gegen Osten. Es ist wohl klar, dass die USA und Russland die Hauptgegner sind. Und Europa ist auf der Seite der USA. Daher muss eine dritte Seite in dem Konflikt Vorschläge machen. Und Druck auf die Kriegsparteien ausüben.

  3. 86.

    1950 der nationale Sicherheitsrat legt unter Az NSC 68 eine neue Sicherheitsstratigie vor, wonach revolutionäre Veränderungen in der Welt nicht auf binnengesellschaftliche Ursachen, sondern auf die "Sowjetimperialismus" zurück zuführen seien. Auf dieser Grundlage von NSC stationierten die USA über 2 Millionen Soldaten auf 675 Militärbasen in Übersee. Allein bis 1975 kommt es weltweit zu 215 militärischen Intervention durch die USA.
    1946/49 Griechenland
    50 Puerto Rico
    50/53 Korea
    53 Iran
    56 Ägypten
    58 Libanon
    61 Kuba
    61 Kongo
    62 Laos usw nur ein kleiner Auszug und das sieht sich bis heute fort und immer die USA involviert.
    Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein, bestimmt auch die USA nicht ,denn die haben selbst genug Dreck am Stecken.

  4. 85.

    Egal was hier geschwafelt wird - Deutschland verschuldet sich (Ampelregierung die Bürger) für die UA damit die Waffen kaufen können (15 Mrd Kredit + Zinsen) und entwaffnet die Bundeswehr für UA so das wir nicht Verteidigungsfähig sind. Aber wir sollen mal wieder eine „Führungsrolle“ übernehmen ohne das wie angegriffen wurden. Unsere Familien werden von einer Kriegslüsternen Ampel-Regierung gefährdet. Ja - mir ist die UA egal so wie wir es denen auch sind wenn man.nichts fordert.

  5. 84.

    Mal auf Deutschland bezogen....was wären Sie bereit für Frieden der dann auch keiner ist an Russland abzugeben?
    Brandenburg, Sachsen, Ihr Haus, Grundstück? Genau das bietet China der Ukraine an.
    Denken Sie nochmal nach über die Absurdität Ihres Kommentars.

  6. 83.

    "Wie bescheuert muss man eigentlich noch sein um nicht zu sehen welche Rolle die USA in diesem Krieg spielt. "

    Nein, wie bescheuert muß man sein um auf die Lügenpropaganda von Putin und seinen Trollen hereinzufallen?

  7. 82.

    Es wirkt irgendwie bizarr, was die LINKE da macht und errinnert mich an den Streit ob das Ei nun an der spitzen oder der runden Seite aufgeschlagen werden soll.

  8. 81.

    "aber leider spielt dasmächtige China nicht mit." Tunnelblick? Eigentlich spielt dabei der Großteil der Welt nicht mit, insbesondere der sog. globale Süden - schon die Abfuhr z.Bsp. aus Brasilien und Südafrika vergessen?

  9. 80.

    China hat einen Plan vorgelegt. Der gefällt dem sog. Westen aber nicht. Russland bestimmt auch nicht. Brasiliens Plan wohl ebenso nicht. Und nun? Weiter Krieg, gibt keine Alternative.

  10. 79.

    Wenn Russland zu einem Waffenstillstand nicht bereit ist, und folgedessen auch die Ukraine nicht, dann muss der Rest der Welt diese Tatsache akzeptieren, und da war der USA - Außenminister einer von vielen Politikern usw., die sich entsprechend geäußert haben.
    Scheinbar ist der Druck auf Russland noch nicht groß genug, da müsste angesetzt werden, aber leider spielt dasmächtige China nicht mit.

  11. 78.

    Blinken US Außenminister schließt einen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland aus, wieder einmal sagt die USA was das richtige für alle Beteiligten ist,na prima. Russland und die Ukraine sollten sich so schnell es geht an einen Tisch setzen damit der Krieg beendet wird, aber nein die USA sagt mal wieder was das beste für alle ist. Wie bescheuert muss man eigentlich noch sein um nicht zu sehen welche Rolle die USA in diesem Krieg spielt. Irak, Afghanistan, der Balkan Vietnam und und die USA spielt sich als Retter der Welt auf und eigentlich geht es nur um deren eignen Interessen.

  12. 77.

    Also ich mach mir da keine Sorgen, die Linkspartei wird nach den nächsten Wahlen ohnehin verschwunden sein.

  13. 76.

    Seit dem WW II nicht mehr? Huch, haben Sie geschlafen? Bitte mit den Kriegen seither beschäftigen, oder auch mit Regimewechseln, die von Außen erwirkt wurden.

  14. 75.

    Das ist also die Denkweise von echten Demokraten? Die, die anderer Meinung sind, können gerne auswandern. Das ist in meinen Augen ein seltsames Demokratieverständnis. Ich bin froh, dass es Leute wie Precht, Wagenknecht und Schwarzer gibt.

  15. 74.

    Bin völlig Ihrer Meinung. Man sollte den Großimperialisten nicht noch mehr Türen öffnen. Von mir aus können alle Russlandfreunde nach Rus auswandern plus die Wagenknecht/Schwarzer-Unterzeichner. Zumindest die könnten doch mit Putin reden, dass ER wieder alles auf Null (wie vor 2014) dreht. Große Show machen geht einfach, aber dem auch Taten folgen zu lassen ...

  16. 73.

    Wie naiv sind sie denn? Nur die militärische Abschreckung also die Erkenntnis, dass die Kosten viel höher als der Nutzen sind, führt zur Anerkennung des Status Quo.
    Nur weil wir in Europa einen Dornröschenschlaf schliefen und uns mehr oder weniger bei internationalen Konflikten freikauften, heißt das nicht, das sich irgendetwas am Appetit der Großmächte und anderer nach Macht strebenden Kräfte geändert hätte.
    @Björn hat Recht. Im Hintergrund läuft ständig und immer das große Weltschach. Daran wird sich nie etwas ändern.

  17. 72.

    "Die Forderung "Frieden schaffen ohne Waffen" ist aktueller denn je. "
    Jetzt muss sich nur noch jemand finden der das Putin erklärt......
    Die Wagenknecht wäre prädestiniert dafür.

  18. 71.

    Geopolitik und Machtinterressen, aber doch nicht mit einen Überfall auf das Nachbarland um es sich einzuverleben, und gleichzeitig Ansprüche auf weitere Ausdehnung anzukündigen.
    Das war zwar früher so, aber seit dem II. Weltkrieg nicht mehr!

  19. 70.

    Warum so viel Aufregung für eine Partei, die sowieso verschwindet?

    Jetzt ohnehin schon unter 5 %, die Sonderregelung, warum sie trotzdem drin sind, fällt mit der nächsten Gesetzesnovelle. Ich persönlich weine dieser Partei keine Träne nach, sie hätte schon mit der Wende aus moralischen Gründen verschwinden müssen.

  20. 69.

    China ist nochmal eine ganz andere Hausnummer. Aber wie denn Ihre Lösung? Ich hab keine. Außer Waffen liefern und abwarten. Zum Reden braucht man Gesprächspartner. Da sehe ich niemanden.

Nächster Artikel