Analyse | BerlinTrend - CDU-Erfolg mit Schönheitsfehlern

Mi 18.10.23 | 18:47 Uhr | Von Christoph Reinhardt
  18
Archivbild: Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin. (Quelle: dpa/F. Sommer)
Bild: dpa/F. Sommer

Die CDU bleibt stärkste Partei, ihr Koalitionspartner SPD dagegen sackt weiter ab. Der neueste BerlinTrend zeigt: Die Unzufriedenheit mit dem Senat war nie größer und die AfD ist so stark wie seit der Flüchtlingskrise 2016 nicht mehr. Von Christoph Reinhardt

Bei Kai Wegner und seiner Berliner CDU dürften die Sektkorken knallen: 29 Prozent der Wählerinnen und Wähler würden sich wieder für die CDU entscheiden, wenn am Sonntag die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus stattfinden würde. Das zeigt der aktuelle BerlinTrend von infratest dimap im Auftrag der rbb24 Abendschau und der "Berliner Morgenpost".

Damit bleibt die CDU die mit weitem Abstand stärkste politische Kraft in der Stadt. Sie legt sogar auf den schon im Februar sensationellen Erfolg bei der Wiederholungswahl (28,2 Prozent) noch ein Stückchen drauf - und unterstreicht ihren Regierungsanspruch auf einem Niveau, dass für die Berliner CDU nach ihrem Absturz nach dem Bankenskandal mehr als zwei Jahrzehnte lang unerreichbar erschien.

CDU: Gekommen, um zu bleiben

Taktisch gesehen haben Wegner und Co. seit der Wahl also ganz offensichtlich alles richtig gemacht. Echte Schönheitsfehler gibt es aber auch. Wegners persönliche Zustimmungswerte haben sich seit dem Frühjahr zwar deutlich auf inzwischen 30 Prozent (+10) verbessert – allerdings auf einem für einen Regierenden Bürgermeister außergewöhnlich niedrigen Niveau. Seine Vorgängerin Franziska Giffey stand selbst unmittelbar vor ihrer Abwahl besser da (37 Prozent), in anderen Bundesländern sind Zustimmungswerte zwischen 60 und 70 Prozent für Regierungschefs durchaus normal.

Für den erhofften Stimmungswechsel in der Stadt hat der CDU-Erfolg jedenfalls nicht gesorgt, im Gegenteil: Die Zufriedenheit der Berlinerinnen und Berliner mit dem von Wegner geführten Senat ist so niedrig wie noch nie. Gerade einmal 27 Prozent geben an, zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Selbst bekennende CDU-Wählende sind mehrheitlich unzufrieden mit der Arbeit des Berliner Senats (56 Prozent).

Vor allem Wegners kleinerer Koalitionspartner SPD bekommt das zu spüren und büßt weiter Vertrauen der Wählerinnen und Wähler ein. Mit 15 Prozent (-3,4 im Vergleich zur Wiederholungswahl) ist der bisherige Tiefpunkt in Umfragen aus den Jahren 2018/19 erreicht.

SPD: Verzockt

Über zwei Jahrzehnte lang kam in Berlin keine andere Partei an der SPD vorbei. Jetzt reicht es hinter der weit führenden CDU und den Grünen (19 Prozent) gerade mal zu einem Gleichstand mit der AfD (15 Prozent) auf Platz 3. Die Rechnung des SPD-Parteivorstands um Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey und Fraktionschef Raed Saleh geht bisher jedenfalls nicht auf: Den Wechsel von Rot-Grün-Rot in die Rolle des Juniorpartners einer schwarz-roten Koalition hatten die Parteistrategen unter anderem damit begründet, dass die SPD als progressive Kraft neben einer konservativen CDU besser erkennbar sein werde als in einem Linksbündnis mit Linken und Grünen.

Überzeugend finden das offensichtlich nur noch die Älteren, und ohne die treuen Wählerinnen und Wähler der Generation 65+ (23 Prozent) würde die SPD noch weit schlechter dastehen. Bei den 35-49-Jährigen liegt die SPD inzwischen sogar 20 Prozentpunkte hinter den Grünen (29 Prozent), bei den noch jüngeren 18- bis 24-Jährigen kann selbst die CDU fast doppelt so viele Wählerinnen und Wähler (22 Prozent) mobilisieren wie die Sozialdemokraten.

Bemerkenswert: Keine Partei hat so viele Wählende verloren wie die SPD, aber die verbliebenen sind sogar überwiegend zufrieden mit der Arbeit des Senats (49 Prozent zufrieden, 45 Prozent unzufrieden) – in allen Parteien ist es andersherum.

Schwache Regierung, durchwachsene Opposition

Die Grünen können erst einmal durchatmen. Statt im Senat mitzuregieren, machen sie Opposition – und mit 19 Prozent können sie ihr respektables Wahlergebnis vom Frühjahr (18,4) halten. Durch die Schwäche der SPD sind sie die unumstrittene zweitstärkste Kraft und im Ostteil der Stadt (18 Prozent) gar nicht mal mehr viel schwächer als im Westen (20 Prozent). Dass ausgerechnet die Berliner CDU bei den jungen 18- bis 34-Jährigen knapp an den Grünen vorbeizieht, wird den Parteistrategen zu denken geben.

Keinen Profit aus der neuen Oppositionsrollen können die Linken schlagen. Stattdessen bröckelt ihre Wählerschaft weiter ab. Seit 2016 (15,6 Prozent) geht es Stück für Stück bergab, im Vergleich zur Wiederholungswahl im Frühjahr (12,2 Prozent) auf nunmehr 10 Prozent im BerlinTrend. Zwar steht die Berliner Linke immer noch deutlich besser da als die kriselnde Bundespartei, aber selbst in der langjährigen Hochburg Ostberlin landen die Linken auf dem letzten der fünf Plätze, mit 12 Prozent inzwischen deutlich abgeschlagen hinter der AfD (17).

Berlinweit steht die AfD nun bei 15 Prozent (+5,9 im Vergleich zur Wiederholungswahl). So stark war die Partei in Berlin seit dem Höhepunkt der ersten Flüchtlingskrise 2015/16 nicht mehr. Und wenn die Werte auch nicht mit dem Bundestrend (23 Prozent) zu vergleichen sind, hat sich die Zusammensetzung der Wählenden in Berlin seitdem spürbar verschoben: Die AfD kann ihre Anhänger inzwischen in allen Altersstufen mobilisieren (14 bis 16 Prozent), spricht Männer (16 Prozent) und Frauen (14) an, im Osten etwas stärker (17) als im Westen (13). Bemerkenswert auch, dass der Höhenflug der AfD nicht mehr zu Lasten der CDU geht.

Rekord bei den Nichtwählenden

Auch der aktuelle BerlinTrend bestätigt, dass sich die Struktur der Berliner Wählerschaft weiter verändert. Dass Berlin zumindest seit Anfang des Jahrtausends strukturell eine überwiegend linke Stadt war, in der die Parteien SPD, Grüne und Linke regelmäßig die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen können, ist heute nicht mehr so. Hätte sich die SPD nach der Wiederholungswahl für die Fortsetzung der Koalition mit Linken und Grünen entschieden, käme dieses Bündnis anhand der aktuellen Zahlen noch auf 44 Prozent. Eine Dominanz rechts der Mitte ist aber andererseits auch nicht in Sicht, trotz der Erfolge von CDU und AfD. Selbst wenn man die FDP mitzählt, die auch im BerlinTrend an der Fünfprozenthürde scheitert, kommen diese Parteien zusammen auf gerade mal 48 Prozent.

Wer in dieser Situation künftig Wahlen gewinnen will, muss dringend das Vertrauen all der Wählenden zurückgewinnen, die sich in den BerlinTrend-Zahlen nur noch im Methodenteil finden: 35 Prozent der 1.159 Befragten machten überhaupt keine Angaben zu "ihrer" Partei. 17 Prozent, weil sie derzeit nicht wissen, wen sie wählen würden. Aber 13 Prozent ausdrücklich, weil sie gar keine Partei oder ungültig wählen wollen. Ein Rekordwert – im Vergleich aller Umfragen, die infratest dimap für uns in den letzten vier Jahren durchgeführt hat, eine Verdoppelung derer, die sich bewusst gegen die Wahl einer Partei entscheiden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Christoph Reinhardt

18 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 18.

    "Selbst Franziska Giffey hatte vor ihrer Abwahl bessere Werte" als Kladow-Kai?
    Kein Wunder. Der Mann ist so langweilig, dass ich schon nach 2 Minuten vergessen habe, was er gerade gesagt hat. Er hat einen hohen Bekanntheitsgrad bei Rentern und die Jugend fragt: "Wer ist das"?
    Berlin mit seiner Start Up - Szene braucht einen jungen, in die Zukunft ausgerichteten, weltoffenen Repräsentanten und nicht jemanden, der zufällig zur 'rechten' Zeit die AfD mit seinem Stimmefang abgekocht hat.

  2. 17.

    Antwort auf "DerAusSpandau" vom Mittwoch, 18.10.2023 | 22:54 Uhr
    "Vorher müssen aber die faulen Eier vom Vorgänger aus dem Nest geräumt werden und da ist wohl noch reichlich Reinigungsbedarf." Und genau DAS wird von vielen übersehen und sorgt für diese Unzufriedenheit.

  3. 16.

    Die Umfragewerte und die Realität driften manchmal ganz schön auseinander- siehe letzte Wahlen

  4. 13.

    "Wer in dieser Situation künftig Wahlen gewinnen will, muss dringend das Vertrauen all der Wählenden zurückgewinnen,.."
    Vorher müssen aber die faulen Eier vom Vorgänger aus dem Nest geräumt werden und da ist wohl noch reichlich Reinigungsbedarf.

  5. 11.

    Parteien sollte grundsätzlich aufhören, von "ihren Wählern" sprechen. Menschen, die sich als "Stammwähler" bezeichnen lassen, werden rar. Und das ist für die Demokratie kein Schaden, vielmehr ein unfassbares Glück - nur, wenn es knorrig, verhärmt und gallig ins Abseits geht, dann natürlich nicht.

    Damit will ich keiner Beliebigkeit das Wort reden, nur eider individuellen Bewusstheit und daran anschließend der Frage, welche Liste(n) mit den grundsätzlichen eigenen Positionen übereinstimmen und welche Listen mit den eigenen Positionen nicht. Bei mir offengestanden: Das Begreifen ökologischer Zusammenhänge in all ihren Schattierungen und Auswirkungen, möglichst auf anschauliche Art und Weise, unerschlagen per Zahlenwust.

  6. 10.

    Parteien sollte grundsätzlich aufhören, von "ihren Wählern" sprechen. Menschen, die sich als "Stammwähler" bezeichnen lassen, werden rar. Und das ist für die Demokratie kein Schaden, vielmehr ein unfassbares Glück - nur, wenn es knorrig, verhärmt und gallig ins Abseits geht, dann natürlich nicht.

    Damit will ich keiner Beliebigkeit das Wort reden, nur einer individuellen Bewusstheit und daran anschließend der Frage, welche Liste(n) mit den grundsätzlichen eigenen Positionen übereinstimmen und welche Listen mit den eigenen Positionen nicht. Bei mir offengestanden: Das Begreifen ökologischer Zusammenhänge in all ihren Schattierungen und Auswirkungen, möglichst auf anschauliche Art und Weise, unerschlagen per Zahlenwust.

  7. 9.

    Im übrigen, das war jetzt keine Frage um Sie zu ärgern, ich habe mich wirklich selber etwas darüber gewundert, als ich die Zahl gelesen habe. Hätte ich nach der Stimmung anders erwartet. Das nur nochmal zur Klärung.

    Einen schönen Abend

  8. 8.

    Wenn Herr Wegner alles richtig macht, warum sind dann seine persönlichen Zustimmungswerte so schlecht? 30% s. anderen Artikel

  9. 7.

    Wegner macht alles richtig. Wenig TamTam wie es Grüne gern täglich laut machten ohne wirklich was erreicht zu haben („alles mit dem Mund“), solide Arbeit von Wegner. Diese Ruhe ist Erholung in einer irren Zeit

  10. 6.

    AfD ist in Berlin sogar stärker als die Linke

    Berlin ist schon lange nicht mehr links.

  11. 5.

    Ich weiß nicht, wenn ich Herrn Wegner reden höre, habe ich oft das Gefühl, Rot-Grün regiert immer noch in Berlin. Ist das wirklich die Partei, die mal Heinrich Lummer in ihren Reihen hatte?

  12. 4.

    die SPD muss sich endlich von Giffey und ihrem konservativen Kurs trennen. Es treibt nur Wählerstimmen zur CDU und die verliehren auf dem Weg ihr letzten sozialen Ansprüche.

  13. 3.

    Wegener hat den Bürgermeister-Bonus ausgeschöpft, Giffey die SPD massiv beschädigt.
    Die Grünen können sich auf ihre Klientel verlassen, die Like durch Wagenknecht nicht mehr.
    Das Gesamtergebnis für Schwarz-Rot ist allerdings erbärmlich und erklärt die AfD-Zahlen.
    Es liegt in der Hand der demokratischen Parteien, die Gefahr von Rechtsaußen durch gute Zusammenarbeit so gering wie möglich zu halten.

  14. 2.

    In Berlin? So eine starke AfD! Hätte ich nie gedacht.

  15. 1.

    Respektabel ist das Wahlergebnis nur für die Grünen, die Stagnation zu genießen scheinen

Nächster Artikel