Dienstag bis Donnerstag - GEW ruft Berliner Lehrkräfte zu dreitägigem Warnstreik auf

Di 10.10.23 | 09:14 Uhr
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Symbolbild: Mit einer Trillerpfeife der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), steht eine Teilnehmerin einer Streikkundgebung auf der Straße. ( Quelle: dpa/H. Schmidt)
Audio: rbb24 Inforadio | 10.10.2023 | Kirsten Buchmann | Bild: dpa/H. Schmidt

Die GEW ruft Berliner Lehrer in dieser Woche zum 15. Mal in zwei Jahren zum Warnstreik auf. Sie fordert kleinere Klassen. Der Senat hält dagegen: Wegen Lehrermangels sei das nicht machbar. Von Kirsten Buchmann

  • Am Dienstag hat in Berlin der 15. Lehrkräfte-Warnstreik innerhalb von zwei Jahren begonnen
  • Die Gewerkschaft GEW fordert kleinere Klassen und eine breitere Lehrkräfte-Ausbildung
  • Die Senatsverwaltungen für Bildung und Finanzen sehen dafür keinen Spielraum
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin hat für diese Woche Dienstag bis Donnerstag erneut zu einem Warnstreik aufgerufen. Sie will damit kleinere Klassen an den Schulen durchsetzen.
 
Bis zu 29 Kinder lernen in einer Grundschulklasse, bis zu 35 in einer Klasse am Gymnasium. So schildern Lehrkräfte die Situation. Das bedeutet für sie, stapelweise Klassenarbeiten zu korrigieren, mehr Zeugnisse zu schreiben und viele Elterngespräche zu führen.
 
Um Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten, pocht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft schon seit Jahren auf kleinere Klassen. "In letzter Zeit werden die Klassen aber weiter aufgefüllt", sagt Anne Albers, die Leiterin des Vorstandsbereichs Tarifpolitik in der GEW Berlin. Neben Lehrkräften hat die Gewerkschaft auch Sozialpädagogen und Schulpsychologen zum dreitägigen Warnstreik aufgerufen.

Hinweis auf CDU-Wahlprogramm

Die GEW appelliert insbesondere an Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch und Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU), über die Gewerkschaftsforderungen zu verhandeln. Denn in ihrem Wahlprogramm für die Wiederholungswahl in diesem Februar habe die CDU "kleinere Klassen für besseres Lernen" ausdrücklich gefordert. Dort heißt es: "Wir wollen die Klassengrößen an Grundschulen auf 20 und an weiterführenden Schulen auf 25 Schülerinnen und Schüler begrenzen. Dafür werden wir die Obergrenzen im Schulgesetz entsprechend verankern."

Daran erinnert die GEW nun vor ihrem erneuten Warnstreik Katharina Günther-Wünsch. Die CDU-Politikerin argumentiert nun als Senatorin, die Schülerinnen und Schüler mit gutem und verlässlichem Unterricht zu versorgen, erfordere eine gemeinsame Kraftanstrengung: "Der angekündigte Streik verschärft die Situation – zumal sich die Zielsetzung des Streiks außerhalb der Handlungsmöglichkeiten des Senats und vor allem außerhalb realistischer Umsetzung bewegt."

Sorge vor Rausschmiss aus der Tarifgemeinschaft der Länder

Die Berliner Bildungsverwaltung und die Finanzverwaltung bezeichnen den dreitägigen Warnstreik als unverantwortlich. Sie fordern die Gewerkschaft auf, ihn auszusetzen. Denn der Senat nutze bereits alle Möglichkeiten, die Personalsituation an den Schulen zu verbessern, etwa indem die MSA-Prüfungen an Gymnasien wegfallen.

Für die Gewerkschaftsforderungen sehen beide Senatsverwaltungen hingegen keinen Verhandlungsspielraum. Denn bislang lehnte die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) Tarifverhandlungen zu Mindestbesetzungen, also Klassengrößen, ab, weil sie nicht tarifvertraglich regelbar seien.

Ohne Zustimmung der TdL Tarifverhandlungen aufzunehmen, wäre "ein Satzungsverstoß, der zum endgültigen Ausschluss des Landes Berlin aus der TdL führen könnte", argumentiert die Finanzverwaltung. Sie habe der GEW mitgeteilt, dass sie in der nächsten TdL-Mitgliederversammlung nochmals ansprechen werde, ob die TdL bereit sei, künftig Mitgliedsländern "entsprechenden tarifrechtlichen Handlungsspielraum zu eröffnen".

Dass Berlin in der TdL als Arbeitgeberverband der Länder bleibt, will auch die GEW. Denn so könnten die Beschäftigten gemeinsam dafür eintreten, dass die Bezahlung besser wird. Der Berliner Finanzsenator müsse der TdL aber klar machen, dass er bei der Personalbemessung Handlungsspielraum wolle, fordert die Gewerkschaft.

Gegen kleinere Klassen spricht aus Senatssicht allerdings noch ein weiteres Argument: der Lehrermangel. Denn derzeit sind wegen des Lehrermangels berlinweit mehr als 700 Lehrerstellen nicht besetzt. Die Klassengröße zu reduzieren, würde den Lehrkräftebedarf noch erhöhen und sei daher "nicht mit dem Ziel einer adäquaten Versorgung der Schulen mit Lehrkräften vereinbar", sagt die Finanzverwaltung.

Ein Argument, das die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nicht gelten lässt. Sie hält dagegen, gerade durch kleinere Klassen würden mehr Menschen den Beruf attraktiv finden. "Über 1.000 Lehrkräfte haben im vergangenen Schuljahr den Dienst quittiert, mit besseren Arbeitsbedingungen in kleineren Klassen wären sicherlich einige geblieben", zeigt sich Gewerkschafterin Anne Albers überzeugt.

Zudem sollten mehr Lehrkräfte ausgebildet werden, als die derzeitigen Pläne für die Hochschulen vorsähen. "Wenn wir sehen, dass nach den derzeitigen Hochschulverträgen weiter zu wenig Lehrkräfte ausgebildet werden, dann fehlt uns da ehrlich gesagt das Verständnis", erklärte Albers am Dienstag im rbb.

Mehr Stress in größeren Klassen

Angesichts des Lehrermangels werden die Klassen momentan im Gegenteil voller, beobachten Lehrkräfte und Eltern. Der Landeselternausschuss unterstützt daher den Warnstreik. Mit einer Mail-Aktion der Eltern an die Bildungssenatorin und den Finanzsenator will er diese zu Verhandlungen bringen. Denn durch die immer weiter aufgefüllten Klassen leide die Unterrichtsqualität: "Lärm, Stress, Konflikte, all das wird mehr, je größer die Klasse wird."

Kleinere Klassen seien nicht über Nacht erreichbar, schreibt der Landeselternausschuss, aber die Landesregierung könne sich bereits heute mit einem Stufenplan auf den Weg machen und "endlich genügend Lehrkräfte ausbilden." Aus Sicht des Landeselternausschusses braucht es dringend bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen: "Bis 2030 verlassen mehr als 10.000 Berliner Lehrkräfte aus Altersgründen den Beruf. Wer folgt ihnen nach, wenn die schlechten Bedingungen das Arbeits- und Lernklima belasten?"

15. Warnstreik seit 2021

Für kleinere Klassen und bessere Arbeitsbedingungen hat die GEW seit Herbst 2021 bereits 14 Warnstreiks organisiert. Ab diesem Dienstag soll nun der 15. beginnen, der erste im aktuellen Schuljahr. "Ohne unsere Streiks hätte es längst mehr Kürzungen gegeben, das ist für uns ganz eindeutig. Wir haben die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz gesehen", erklärte Albers im rbb. "Die Kolleginnen und Kollegen haben kein Interesse daran, dass Unterricht ausfällt, aber wir geben den Streik nur auf, wenn es Verhandlungen gibt." Eine Bereitschaft zu Sondierungsgesprächen sieht sie auf Senatsseite nicht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.10.2023, 07:15 Uhr

48 Kommentare

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  1. 48.

    Genau. Tipp für Sie- kommen Sie dazu. Für den attraktiven und lukrativen Beruf ist inzwischen jede:r qualifiziert und wird mit Kusshand genommen.

  2. 47.

    Was sind denn behindertengerechte Einrichtungen?!? Vielleicht eher mal Einrichtungen für diskriminierende Menschen. Können sich dann ja gegenseitig ausgrenzen.

  3. 46.

    Lesen Sie überhaupt die Diskussion? Weil Sie wieder von vorne anfangen. Mit Falschem. Was im Artikel erklärt ist.

  4. 44.

    Wenn man sich ansieht, wieviel die Lehrer*innen verdienen, ist es eine Frechheit wie die sich anstellen! Bei dem Gehalt würde ich auch doppelt so volle Klassen unterrichten. Das Geld kommt doch erfolgsunabhängig!

  5. 43.

    Will die GEW mit ihren diversen völlig unnützen unnötigen Streiks IHRE Berechtigung beweisen ???

  6. 42.

    Lesen Sie überhaupt die Diskussion? Weil Sie wieder von vorne anfangen. Mit Falschem. Was im Artikel erklärt ist.

  7. 41.

    Es gibt auch die Wörter Ignorierende und Ignoranten.
    Mir übrigens reicht dss Wort Lehrerin

  8. 40.

    Schade, dass die GEW so engstirnig ist und nicht begreifen kann, dass es kleinere Klassen nicht ohne MEHR LEHRER geben kann.

    ABER solange es nicht mehr Studenten auf Lehramt gibt, gibt es auch keine neuen Lehrkräfte.

  9. 38.

    Nein, danke. Diese Entwicklung war lange absehbar, deswegen habe ich etwas Anderes gelernt. Aber Ihre ist die klassische Reaktion, die auch einige meiner Freunde zeigen. Aber es gibt Lehrer, die kriegen es hin. Trotz eigenen Kindern etc.. Ist eine grundsätzliche Frage der Einstellung zum Beruf, ob man Kindern etwas vermitteln möchte oder bei der Ausbildung doch nur auf die vielen Wochen Urlaub geschielt hat.

  10. 37.

    Als Statistik sollte ein Blick auf die heute in Deutschland gültigen Gesetze genügen, noch besser ein Vergleich der reinen Anzahl von vor 30 Jahren.
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155525/umfrage/anzahl-der-gesetzesbeschluesse-auf-initiative-von-bundestag-bundesrat-und-bundesregierung/
    Es ist ja nun in der Mehrheit nicht so, dass dafür alte Gesetze wegfallen würden. Mit jedem neuen Gesetz kommen aber auch neue Aufgaben auf die Verwaltungen zu. Die Demographie mag das Ganze Elend dort verstärken, ist aber nicht die Ursache. Man hätte dem bereits vor Jahren mit Digitalisierung entgegnen können und müssen. Andere Länder sind da um Welten weiter als wir. Ich habe durchaus einen internationalen Vergleich, nirgends ist es so extrem rückständig und langsam, wie in Deutschland. Was nicht gefaxt werden kann, existiert hier oft nicht.

  11. 36.

    Das kann ich wirklich nachvollziehen. Zwischen Helikoptereltern, deren einziges Hobby das Kind ist, und Großfamilien, die einen bedrohen - soll man noch kreativen, irrsinig witzigen, noch nie dagewesenen Unterrcht über Konjunktiv 2 machen. :P
    Schade, dass ein Lehrer weniger dabei ist, aber verständlich. Ich habe übrigens großen Respekt vor Menschen, die mit anderen Menschen der heutigen Zeit arbeiten. Wie Pflegekräften und auch Lehrern.

  12. 35.

    Man vergisst, dass die Gewerkschaften auch aus puren Selbstzweck zu Streiks ausrufen. Sie wollen wichtig sein und reden es den Menschen auch ein, dass sie für sich selber kämpfen.

    Aber Lehrer wachsen nicht an Bäumen und ganz ehrlich, ich möchte nicht Lehrer in Berlin sein. Wer hat schon Lust sich mit all diesen verschiedenen Typen von Eltern auseinander zu setzen? "Ohh, mein Kind hat eine Vier bekommen? Kann es sein, dass sie mein Kind nicht verstehen?"
    "Ihr Kind kann nicht rechnen, 1+1 ist halt nicht 11."
    "Aber wenn man es aus einen anderen Standpunkt betrachtet, blabla"

  13. 34.

    Na, dann : Ran an den Job und selbst ein guter, engagierter Lehrer sein, der "das Beste aus den Bedingungen" macht. Wenn' s so easy ist... Bin gespannt, wie lange Sie durchhalten.

  14. 33.

    Ich finde, es wird noch nicht genug gestreikt.

    Seit wieviel Jahren ist der Politik Bildung mehr oder weniger egal?

    Das ändert sich bestimmt, wenn alle weiter stillhalten.

  15. 32.

    Genau dieser fehlende Respekt und die fehlende Wertschätzung trägt einen Großteil dazu bei, dass der Lehrberuf mittlerweile so unattraktiv geworden ist. Wie oft musste ich mir zu meiner Zeit als Lehrer anhören, dass wir ja so viel Urlaub hätten, um 13 Uhr Feierabend, jedes Jahr den gleichen Unterricht machen und den Kindern nichts mehr beibringen würden. Diese Aussagen sind Hohn, wenn man gleichzeitig locker 50h die Woche in seinen Beruf investiert. Dazu hat die politische Ebene so viele strukturelle Probleme geschaffen, dass diese Zeit entweder stetig mehr wurde oder immer weniger für den Unterricht an sich verwendet werden konnte.
    Ich habe vor 18 Monaten den Lehrberuf an den Nagel gehängt und verdiene mittlerweile in einem wesentlich entspannteren Arbeitsumfeld sogar etwas mehr als damals. Auch wenn ich gerne unterrichtet habe, kann ich den Lehrerberuf unter den aktuellen Umständen niemandem empfehlen.

  16. 31.

    Warum sich die Schule meiner Kinder an (allen bisherigen) Streiks beteiligt erschließt sich mir nicht. Die Klassenstärke von 20 Kindern kann es ja wohl nicht sein. Also reine Solidarität? Darauf würde ich gern verzichten, wenn denn die Kinder beschult würden und wir nicht neben der Orga für eine Betreuung auch noch den Unterrichtsausfall daheim abfangen müssten. Mein Verständnis hält sich jedenfalls in Grenzen.

  17. 30.

    Interessante Gedanken. Haben Sie eine Statistik, aus der hervorgeht, dass Deutschland im internationalen Vergleich überreguliert ist? Im Übrigen halte ich es für denkbar, dass auch der demografische Wechsel beginnt, Spuren zu hinterlassen. Und was wäre die Konsequenz? Man wird die Verbesserung der gesamten Verwaltung samt einer verbesserten bürger-innenfreundlichen Verwaltung (einschließlich der Schulen) in den Blick nehmen dürfen. Umso weniger sollte aber dann der jetzige Sonderweg der GEW akzeptiert werden.

  18. 29.

    Das istmsehr intelligent von der GEW, bei Lehrermangel für kleinere Klassen zunstreiken …

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