Zu spät im Lehrplan, wenig Aufklärung - Berliner Schülervertretung fordert Runden Tisch zu Suchtprävention

Fr 07.07.23 | 18:58 Uhr | Von Oliver Noffke
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Symbolbild: Ein Joint mit Marihuana wird geraucht (Quelle: dpa/Oliver Berg)
Bild: dpa/Oliver Berg

An Berliner Schulen werde zu wenig und zu spät über die Wirkung und Folgen von Drogen aufgeklärt. Das beklagt der Landesschüler*innen-Ausschuss und fordert den Senat zum Handeln auf. Der stellt Gespräche in Aussicht. Von Oliver Noffke

Der Landesschüler*innen-ausschuss Berlin (LSA) fordert den Senat dazu auf, einen Gipfel zum Thema Drogen an Schulen zu organisieren. Das geht aus einem Positionspapier des LSA hervor [lsaberlin.de/PDF]. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" [Bezahlinhalt] berichtet.

Laut dem Papier besteht ein Problem an Berliner Schulen "vor allem mit Cannabis, aber immer häufiger auch mit härteren Drogen". Der Senat, beziehungsweise die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, wird aufgefordert, einen Runden Tisch einzuberufen. Die schulischen Landesgremien, Expert:innen aus der Wissenschaft, mit Erfahrung im Schulalltag sowie Vertreter:innen der Verwaltung sollten so zusammengeführt werden, heißt es. Damit Fachwissen aus verschiedenen Bereichen zusammengeführt werden könne, so der LSA.

Ich habe erst in der zwölften Klasse, also mit 18 Jahren, überhaupt im Unterricht das Thema Drogen aus wissenschaftlicher Sicht behandelt.

Paul Seidel, Landesschüler*innen-Ausschuss Berlin

Zu spät Thema im Lehrplan

Paul Seidel, Pressesprecher des LSA, sagte rbb|24 am Freitag, aktuell seien sich die Schulen beim Thema Drogenprävention sich selbst überlassen. "Das große Problem ist nicht, dass sich keine Lehrkräfte damit beschäftigten. Das läuft sehr gut", sagte er. "Das große Problem ist aus unserer Sicht, dass die Lehrkräfte damit allein gelassen werden."

Der Berliner Lehrplan bespreche das Thema zu spät und sei nicht auf der Höhe der Zeit. "Ich habe erst in der zwölften Klasse, also mit 18 Jahren, überhaupt im Unterricht das Thema Drogen aus wissenschaftlicher Sicht behandelt. Also wie funktioniert eine Droge und wie wirkt sich das überhaupt auf den Körper aus, wie schädigt sie das Nervensystem." Viele Schülerinnen und Schüler kämen aber schon in weitaus jüngeren Jahren mit dem Thema Drogen in Berührung. "Eigentlich bräuchte es da viel früher eine Aufklärung und auch eine Prävention."

Seidel verwies auf Todesfälle, die sich kürzlich in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ereignet hatten. Ein 15 und ein 13 Jahre altes Mädchen waren vor Kurzem unabhängig voneinander an Amphetamin-Überdosen gestorben.

Immer wieder werde unterschätzt, dass die Schulen die sozialen Mittelpunkte im Leben vieler Jugendlichen seien, sagte Seidel. "Die Berührungspunkte haben viele nicht in den Jugendclubs oder in Jugendfreizeiteinrichtungen, sondern einfach, weil man das bei Schulkameraden sieht."

Verwaltung verweist auf bestehende Angebote

Martin Klesmann, Pressesprecher der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Familie teilte auf rbb-Anfrage mit, dass aktuell gemeinsam mit der Landessuchtbeauftragten geprüft werde, mit welchen Beteiligten und in welchem Format ein Treffen stattfinden könne. Ein Runder Tisch sei möglich. "In die Vorbereitungen wird der Landesschülerausschuss selbstverständlich einbezogen", hieß es.

"Wir würden uns sehr freuen, wenn dieser Teil unserer Forderung umgesetzt würde", sagte Paul Seidel vom Landesschüler*innen-Ausschuss. "Allerdings müssen sich dann auch reelle Veränderungen einstellen und es muss mit Jugendlichen gesprochen werden. Beim Gipfel zur Jugendgewalt ist das leider nicht passiert."

Die Verwaltung nehme das Thema sehr ernst, so Klesmann. "Dafür gibt es eine ressortübergreifende Kooperation und entsprechende Leitlinien auf Landesebene. Zudem ist das Thema fest in den Rahmenlehrplänen für die Berliner Schulen verankert." Zudem verwies er auf Sibuz, die schulpsychologischen und inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungsstellen. Dort könnten sich Schulen themenbezogen zu Programmen und Projekten beraten lassen. Die Senatsverwaltung fördere zudem diverse Präventionsprojekte [berlin.de/sen/bildung/]. Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist in Berlin für die Themen Bildung, Jugend und Familie als Senatorin zuständig.

"Bis Jugendliche eine Problemeinsicht haben, sind sie lange leidensfähig"

Die Berliner Landessuchtbeauftrage Heide Mutter sagte dem rbb am Freitag, Information und Aufklärung seien weiterhin notwendig. "Viele Menschen, gerade junge, aber nicht nur junge, wissen wirklich nicht Bescheid, über das, was sie tun." Sie seien oftmals nicht in der Lage einzuschätzen, welche Auswirkungen Suchtmittel auf den Körper oder die Psyche haben könnten, sagte sie.

Thomas Haustein ist Sozialarbeiter und arbeitet für die Caritas Berlin in der Suchtberatung. Er beobachtet, dass aktuell "eine Art Nachholbedarf" nach der Pandemie herrsche. Viele Jugendliche würden nun öfter feiern gehen, sagte er rbb|24. "Bis Jugendliche eine Problemeinsicht haben, sind sie lange leidensfähig", so Haustein. "Jugendliche kommen selten zu uns und sagen: 'Ich hab da vielleicht ein Problem und möchte mal darüber reden'." Spezielle Angebote für Schüler:innen und Eltern seien deshalb besonders wichtig. Haustein nehme war, dass derzeit die Nachfrage nach Präventionsangeboten und Therapieplätzen in Berlin stark sei.

Im vergangenen Jahr wurden in Berlin 230 Drogentote registriert. Nur in den Bundesländern Bayern (277) und Nordrhein-Westfalen (703) waren es mehr [tagesschau.de].

Spüren Sie Suchtdruck? Hadern Sie damit, nüchtern zu bleiben? Folgende Stellen in der Region bietet Ihnen Informationen und klären über Hilfsangebote auf:

AH e.V. in Brandenburg an der Havel [ah-brandenburg.de],

Brandenburgische Landesstelle für Suchtfragen [blsev.de],

Caritas Berlin [caritas-berlin.de],

Landessuchtbauftragte Berlin [berlin.de],

Schwulenberatung Berlin [schwulenberatungberlin.de]

Sendung: rbb24 Abendschau, 07.07.2023, 19.30 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

11 Kommentare

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  1. 11.

    Ich verstehe die ganze Debatte nicht. Es gibt jede Menge Literatur, auch wissenschaftlich, um sich schlau zu machen. Allein was im Fernsehen schon jahrelang an Warnungen, tragischen Schicksalen, eindringlichen Appellen von Abhängigen, abschreckenden Bildern usw. gesendet wurde, müsste doch zu einer allumfänglichen Information und zum angewiderten Verzicht ausreichen. Wer das nicht ernst nimmt, und trotzdem konsumiert, braucht sich später nicht zu beschweren. Mir kann auch keiner erzählen, dass ab einem gewissen Alter niemand weiß, dass diese Substanzen keine Bonbons sind. Schon kleine Kinder wissen, das Alkohol und Nikotin der Gesundheit schaden. Trotzdem fangen sie an zu trinken und zu rauchen. Gleiches gilt auch für die harten Sachen.

  2. 10.

    Hä, verstehe ich nicht. Man kann die Drogen doch jetzt kostenlos testen lassen. Ich dachte wir legalisieren das jetzt alles, damit die Polizei die richtigen Verbrecher jagen können und gut ist es.

  3. 9.

    Unser Schulsystem ist mit das schlechteste in Europa, die Grünen wollen das kiffen legalisieren, ergo ein dummes bekifftes Volk lässt sich leichter regieren.

  4. 8.

    Nun will ja erstmal Lauterbach das Rauchen in Autos verbieten. Und die Grünen wollen Kiffen erlauben. Aber die Vielen Mieter, die mit Tabakrauch und Kiffrauch von ihren Nachbarn terrorisiert werden, müssen das über sich ergehen lassen, weil die Politik nicht handelt und etwa das Mietrecht anpasst. RRG hat es bewusst schleifen lassen und weggeschaut sodass der ganze Sumpf erst so richtig gedeihen konnte. Chem Özdemir, der allen anderen gerne das Essen vorschreiben möchte mit Hanfpflanze auf dem Balkon, Volker Beck mit Crystal Meth erwischt... Michael Hartmann mit Crystal Meth erwischt...
    Zitat: "Die grüne Politikerin Renate Künast sprach beim Urwahl-Forum der Grünen 2012 davon, „goldene Drachen“ gesehen zu haben, und zwar bei frühen Drogen-Experimenten."
    Mit Drogen flieht man aus der Realität in eine Blase.. ist es das was die Grünen wollen um freie Bahn zu haben für all ihre Ideologiepolitik?

  5. 7.
    Antwort auf [Neugieriger ] vom 07.07.2023 um 21:36

    "Die jungen Leute wollen und sollen mit 16 wählen und haben keine blasse Ahnung von den Drogen?? "

    Wäre mir neu, dass Kenntnisse über Drogen Voraussetzung sind um Wählen zu dürfen.

  6. 6.

    So unfassbar wichtig das Thema ist, aber wir überfrachten die Schulen mit Aufgaben.

    Das Thema beginnt zuhause damit, dass jungen Menschen vermittelt wird, nichts zu nehmen, was nicht verschrieben oder aus einer zuverlässigen Quelle wie einer Apotheke stammt. Warum man das Menschen extra erklären muss, ist mir unklar, aber das Bildungssystem kann Eigenverantwortung nicht ersetzen, denn dass es Drogen gibt und diese gefährlich sind, wird jedem Kind mal erzählt oder in Filmen vermittelt.

  7. 5.

    Die Eltern sollten dafür da sein....
    Und die Schüler lernen richtiges Deutsch! Sonst fällt man durch.

  8. 4.

    Ganz wichtig ist dabei, die Todesdroge Nr. 1 in D, den Alkohol mit jährlich 70 000 vorzeitigen Todesfällen nicht mehr zu verharmlosen und wenigstens die Werbung dafür endlich zu verbieten.

  9. 3.

    In unserer Schule kamen in der Mittelstufe drei Leute aus einer Suchtklinik zu Besuch, die sehr offen und schonungslos von ihren Erfahrungen berichteten. Ein Spieler, ein Alkohoholiker und ein Junkie. Es hat uns alle sehr beeindruckt, ihre Lebensgeschichten zu hören, wie leicht sie da rein geschlittert sind und wie schwer es für sie war, da wieder raus zu kommen. Das ist nun schon einige Jahrzehnte her, aber ich weiß noch, wie das noch lange Thema zwischen uns Schülern war.

  10. 2.

    Wäre angeraten, auch die Kollegien an den Schulen in die Präventionsangebote mit einzubeziehen!!! Ebenso die Verwahrung von Bier, Schnaps, Rotkäppchensekt & Co. in Kühlschränken und Verwaltungsschränken so mancher ISS und GS in der Hauptstadt strikt zu verbieten! Nicht zu vergessen, die Bückware welche von Lehrkräften auf Klassenfahrten im Kollektiv mit Kollegen aus anderen Schulen bei der gemeinsamen Spätaufsicht getauscht und geleert wird, so dass es nur so klirrt und scheppert, wenn die Jugendlichen sich abends pünktlich bei ihren Lehrkräften zurück im Landschulhheim melden!
    Jegliche Berliner Schule sollte für alle Mitwrikenden frei von jeglichen Drogen sein! Ein für Journalisten ergiebiges Thema zur investigativen Recherche!!!

  11. 1.

    Zu Gymnasialzeit in NRW in den Siebzigerjahre kam das Thema Drogen in der 8 u 9 Klasse bei uns im Religionsunterricht auf den Lehrplan. Wird wurden zwei Jahre mit diesem Thema konfrontiert. Soweit ich mich erinnere hat später nur ein Schüler gekifft u der wurde sehr schnell von der Polizei abgeführt. Es ging das Gerücht das es sich um Beschaffungskriminalität handeln solle! Ein geringer Teil anderen Schüler der Schule in der Oberstufe haben nur mit den legalen Suchtmitteln wie Tabak u Alk zu tun

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